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Popkultur

Billie Holiday – Eine komplexe Lady

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Legendenstatus mit Bedeutung

Heutzutage gibt es “Legenden” zuhauf. Als Billie Holiday so betitelt wurde, hatte das Wort aber noch eine Bedeutung. Lady Day war eine brillante Sängerin und eine großartige Interpretin: Sie war mutig, pflegte einen kompromisslosen Lebensstil, konnte swingen, schwelgen und ergreifend wehklagen. Sie war elegant und sie war eine Soulsängerin noch bevor der Begriff geprägt worden war. Sie war eine der größten, wenn nicht DIE größte, Jazzsängerin aller Zeiten.

Hört hier in die Billie Holiday Plalist rein:

 Die Anfänge

Wir wissen, wann Billie geboren wurde, aber die Informationen über ihre Kindheit sind undurchsichtig und werden auch durch ihre Autobiografie Lady sings the Blues nicht klarer – ganz im Gegenteil. In Billies Geburtsurkunde wird als Vater DeViese angegeben, aber Billie bestand darauf, dass es Clarence Holiday war – die Sandkastenliebe ihrer Mutter Sarah „Sadie“ Fagan. Nach einer von Missbrauch geprägten Kindheit verbrachte sie eine kurze Zeit in einem katholischen Kinderheim und arbeitete dann als Putzkraft und Botengängerin für eine Bordellbesitzerin. 1928 zog Billies Mutter mit ihr nach Harlem und schon bald arbeiteten beide in einem Bordell; mit 14 kam Billie wegen „Herumlungerns“ vor Gericht und wurde ins Zuchthaus gesteckt. Nach ihrer Entlassung tat sie sich mit einem Saxophonisten zusammen und das Duo trat in den Kaschemmen Harlems auf; Billie orientierte sich stark an Bessie Smith, deren Platten sie liebte. Im Oktober 1933 hörte der Musikkritiker und Produzent John Hammond Billie in einem Club in Harlem singen und lud sie ein, ein paar Songs mit Benny Goodman aufzunehmen. Der erste, Your Mother’s Son-in-Law, lässt ihr Talent noch nicht wirklich erahnen.

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Es dauerte ein Jahr, bis Billie wieder ins Studio ging. Hammond drängte Brunswick zu der Session. Sie wurde unter dem Namen Teddy Wilson and his Orchestra veröffentlicht. Es war die erste von fast 100 Aufnahmen, die gemeinsam mit dem Pianisten Wilson entstanden. Diese vier Lieder, Miss Brown To You, What a Little Moonlight Can Do, I Wished upon the Moo‘ und A Sunbonnet Blue, dürfen in keiner Jazz-Sammlung fehlen. Während der nächsten zwölf Monate nahm Billie eine Reihe weiterer Songs mit Teddy auf und begann dann, unter ihrem eigenen Namen und mit ihrer eigenen Band zu arbeiten. Die erste Studiosession fand im Juli 1936 statt. Und weitere folgten, sowohl unter ihrem Namen, als auch mit Wilson, sowie einige mit Lester Young am Saxophon.

Diskriminierungen

1937 sang Billie mit Count Basies Band und im darauffolgenden Jahr mit Artie Shaw. Das machte sie zu einer der ersten farbigen Sängerinnen, die mit einer weißen Band auftraten. Es war kein leichter Job, denn Billie wurde von einem Zuschauer in Kentucky permanent beleidigt. Nach einem Vorkommnis Ende 1937 war Billie desillusioniert und verließ Shaws Band: Im Hotel Lincoln in New York sollte sie statt des Haupteingangs die Tür zur Restaurantküche benutzen. Danach sang Billie im Café Society in Greenwich Village. Ihre Auftritte begeisterten alle, ganz besonders Liebeslieder wie I Cover The Waterfront. Es gab allerdings einen bestimmten Song, der während ihrer Zeit in diesem Club praktisch gleichbedeutend mit dem Namen Billie Holiday wurde: Eines Abends sprach der New Yorker Lehrer Lewis Allen Barney Josephson, den Besitzer des Café Society, an und fragte, ob Billie einen von ihm geschriebenen Song singen würde. Und so begann die faszinierende Geschichte von Strange Fruit.

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Allens Song handelte von dem Lynchmord an einem Schwarzen im Süden der Vereinigten Staaten und er fand deutliche Worte. Das Protestgedicht und die Musik strahlen enorme Kraft aus: Billies Label Columbia weigerte sich sogar, den Song zu veröffentlichen. So erschien er auf dem kleineren Label Commodore. Die Meinungen über den Song gingen weit auseinander und wenn Billie ihn live sang, legte sich absolutes Schweigen über das Publikum – Männer wie Frauen weinten.

Ihr Privatleben

Während Billies Karriere in jeder Hinsicht in die richtige Richtung verlief, konnte man dasselbe nicht über ihr Privatleben sagen. Sie hatte mehrere Beziehungen, unter Anderem mit dem Gitarristen Freddie Green, und im Sommer 1941 heiratete sie Jimmy Monroe, den man wohl am treffendsten als Gauner bezeichnen kann. Im November 1941 traf Billie zum ersten Mal auf Norman Granz im Café Society in Los Angeles und im Laufe des nächsten Jahres sensibilisierte sie ihn stark für Rassenfragen. 1942 wurde Monroe dabei erwischt, wie er Drogen nach Kalifornien schmuggelte und obwohl Billie ihm die besten Anwälte besorgte, wurde er zu einem Jahr Haft verurteilt. Es war Marihuana, das Monroe bei sich hatte. Billie rauchte es schon seit Jahren und auch Opium hatte er in ihr Leben gebracht.

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Ihre größten Erfolge

Einen ihrer größten Erfolge feierte Billie 1944, als sie bei Decca Records unterschrieb und Lover Man veröffentlichte. Dieser Song sprach vielen Soldaten aus der Seele, die weit weg von zu Hause im Einsatz waren, und auch deren daheimgebliebenen Frauen und Geliebten. Im Februar 1945 trat Billie Holiday zum ersten Mal bei einem JATP (Jazz at the Philharmonic) im Philharmonic Auditorium auf. Im folgenden Jahr spielte sie im Film New Orleans, in dem auch Louis Armstrong zu sehen war. Im Mai 1947 holten ihre Drogenprobleme sie schließlich ein: Sie wurde in Philadelphia verhaftet, wegen Drogenbesitz angeklagt (sie hatte Heroin bei sich) und zu einem Jahr Haft verurteilt.

Bei ihrer Entlassung war sie clean. Umgehend wurde ein Auftritt in der Carnegie Hall arrangiert. Er fand im März 1948 statt und war komplett ausverkauft. Trotz einer fast einjährigen Zwangsunterbrechung sang sie an diesem Abend mehr als 30 Songs, darunter z. B. All of Me, Fine and Mellow und natürlich Strange Fruit. Eine Zeitung schrieb: “Billie nahm die Anerkennung entgegen wie eine Königin. Ihre Stimme, klagend und mit einem Hauch Sex, war stärker als je zuvor.” Aber Jimmy Monroe, den ein Staatsanwalt als den “schlimmsten Parasiten, den man sich vorstellen kann” beschrieb, machte Billie innerhalb kürzester Zeit wieder süchtig. Wieder wurde sie verhaftet – mit einer ähnlichen Anklage wie beim vorangegangenen Mal –, aber diesmal wurde sie freigesprochen. Bald darauf kam ein neuer Mann in ihr Leben: John Levy war ein Clubbesitzer und keinen Deut besser als Monroe. Er kontrollierte Billie. Trotz alledem ernannte das Metronome Magazin Billie in seinen Jahrescharts 1949 zur besten Sängerin.

1952 machte Billie ihre ersten Aufnahmen für das Label Clef, unterstützt von Oscar Peterson, Barney Kessell, Flip Phillips und Charlie Shavers. Das Album Songs By Billie Holiday wurde 1957 von Verve wiederveröffentlicht. Weitere Clef-Alben in neuem Gewand folgten, darunter auch Lady Sings the Blues. 1957 schließlich begann Billie, neues Material für Verve aufzunehmen. Ein Album aus dieser Zeit, an dem man sehen kann, wo Billie mit ihrer Karriere stand, ist All Or Nothing At All.

1954 ging Billie in Europa auf Tour. Sie machte einen äußerst glücklichen Eindruck, vielleicht auch wegen ihres neuen Liebhabers, ein Mann namens Louis McKay, der sie zumindest von Drogen fernhielt. 1956 veröffentlichte Billie ihre Autobiografie Lady Sings the Blues. Das Buch erhielt einige gute Kritiken, obwohl es sich um eine fiktionalisierte Abhandlung handelte, die in Zusammenarbeit mit einem Journalisten entstanden war.

1957 heirateten Billie und Louis McKay und obwohl anfangs alles gut war, häuften sich die Streitigkeiten – besonders als Billie erfuhr, dass er einen großen Teil ihres Geldes bei riskanten Immobilienspekulationen verloren hatte.  Außerdem war Billie wieder drogenabhängig. Die Beiden trennten sich und Billie zog alleine mit ihrem Hund in eine Wohnung in New York. Dank ihrer Drogensucht und übermäßigem Alkoholkonsum war sie bald nur noch ein Schatten ihrer selbst.

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Eine komplexe Frau

Als Lester Young, ihr möglicherweise einziger wirklicher Freund und der Mann, der den Beinamen Lady Day prägte, im März 1959 verstarb, war das ein furchtbarer Schlag. Zwei Monate später kam Billie wegen ihres Drogenmissbrauchs ins Krankenhaus. In einem Krankenhaus lehnte man sie aufgrund ihres Drogenkonsums als Patientin ab. Und im zweiten, welches sie aufnahm, reichte die Geduld nicht soweit, dass man sie während der Behandlung weiter Drogen nehmen ließ. Eine Krankenschwester fand Drogen in ihrem Nachtschrank und rief die Polizei, die sie direkt verhaftete. Etwas über einen Monat später starb Billie Holiday im Krankenhaus. Sie war immer noch in Haft.

Billie Holiday war eine komplexe Frau. Sie verärgerte ihre Freunde, aber dann wieder war sie die liebste Person auf der Welt. Bevor die Drogen, der Alkohol und ihr Lebenswandel ihre Stimme und ihren Körper zugrunde richteten, erreichte kein anderer Künstler auch nur annähernd ihre Intensität und ihre Anziehungskraft. Zwar gibt es in jeder Generation einen oder vielleicht zwei vergleichbare Sänger, aber keiner von ihnen hat dieses allerwichtigste Talent – so zu singen, als wäre es wirklich wichtig; mit ehrlicher Hingabe und Seele.

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