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Auf sturmgepeitschten Anhöhen – 40 Jahre Wind & Wuthering von Genesis

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Wind & Wuthering ist in manchen Dingen ein First und in anderen ein Last. Es ist das erste Album, das Genesis im Dezember 1976 nicht in ihrer Heimat England aufgenommen haben, sondern in Holland. Es ist das letzte Progressive Rock Album der Band und auch das letzte mit Gitarrist Steve Hackett, der sich nach zunehmenden Spannungen vor allem mit Keyboarder Tony Banks nach der Tour zum Album verabschiedet. Es ist das erste Album mit einem poppigen Lovesong (Your Own Special Way) und die Band sollte nach Wind & Wuthering genau diese Richtung weiter verfolgen (nicht zur Freude aller Fans).


Und einige Dinge sind auch wieder gar nicht anders: Das Albumcover wird wie die Vorgänger von Hipgnosis designed, einem britischen Duo bestehend aus Storm Thorgerson und Aubrey Powell, das bis Mitte der 1980er Jahre so ziemlich jede namhafte Rockband mit genialer Cover-Art versorgte.

Auch nicht anders ist die komplexe Art, mit der die Musiker Text und Ton verknüpfen. Man wüsste gerne, wer von den Vieren die Leseratte war. Andererseits ist Wuthering Heights von Emily Brontë, dem das Album gewidmet zu sein scheint, auf der Insel so etwas wie Goethes Faust für die Deutschen – ein gesellschaftliches Epos.


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Zunächst wirken die Texte im Narrativ des Krieges und des Kampfes verwurzelt, nicht in ewiger Liebe wie es die enge Anlehnung an den Roman vermuten ließe. Doch wer Wuthering Heights gelesen hat, der weiß von der dramatischen emotionalen Schlacht dieser zwei Liebenden, beide zu stolz, um sich einander erkennen zu geben. Und am Ende ward es zu spät.

Tony Banks hinterlässt den größten Eindruck auf der Platte. Sein Keyboard, sein schönes Orgelspiel sowie seine Arrangements sind in jedem Song präsent, man könnte fast sagen, Wind & Wuthering ist sein Album. Drei Songs hat er allein geschrieben, bei drei weiteren ist er beteiligt gewesen.

Was für ein sinnliches und zunächst überforderndes Album Wind & Wuthering doch ist! Man muss es mindestens fünf, sechs Mal hören, vorher ist es die reine Reizüberflutung! Dann erst lichtet sich der herbstliche Nebel, der auch das Cover des Albums ziert.


CC BY-SA 3.0

CC BY-SA 3.0


One for the Vine, All in A Mouse’s Night und Wot Gorilla? demonstrieren Banks’ fantastisches Keyboardspiel. Der große Gewinner ist jedoch Steve Hacketts Song Blood On the Rooftops. Aus seinem Etüdengitarrenspiel zu Beginn klingt ein bisschen spanischer Flamenco heraus. In den Lyrics geht es dann auf schwankenden Planken nach England:

Dark and grey, an English film, the Wednesday Play

We always watch the Queen on Christmas Day

Won’t you stay?

Though your eyes see shipwrecked sailors you’re still dry

The outlook’s fine though Wales might have some rain

Saved again.

 Nun gibt es viele weitere Verweise auf das Liebesdrama von Emily Brontë, unter anderem die Instrumentstücke Unquiet Slumbers For The Sleepers… und In That Quiet Earth, die unter die Haut gehen mit ihrer windzerzausten Atmosphäre, für die vor allem Banks’ Mellotron verantwortlich ist. Aber vor allem der letzte Song Afterglow erzählt von Liebe und man kann sich dabei gut die beiden Figuren Heathcliff und Catherine vorstellen, wie sie ins Gespräch vertieft auf den windgepeitschten Anhöhen im Hochmoor von Yorkshire spazieren gehen.


wind and wuthering


But I, I would search everywhere

Just to hear your call,

And walk upon stranger roads than this one

In a world I used to know before.

I miss you more.

Genesis setzten mit jedem ihrer Alben bis Wind & Wuthering Maßstäbe für die Kunst des Konzeptalbums, daran müssen sich noch heutige Konzeptalben messen lassen.



Und jeder der genialen vier Musiker – Phil Collins, Tony Banks, Steve Hackett und Mike Rutherford – demonstrieren auf Wind & Wuthering ihre Fähigkeiten als Komponisten, Arrangeure und Songwriter. Ebenso wird vorgeführt, dass man sehr gut ohne Peter Gabriel auskommt, der die Band bereits zum Vorgängeralbum A Trick of The Tail verlassen hatte.

Für alle, die an Weihnachten noch nichts vor haben, empfiehlt sich zum Glühwein vor dem Ofen Emily Brontës Wuthering Heights. Und den Soundtrack dazu auszuwählen dürfte auch nicht schwer fallen.


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