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Die musikalische DNA der Beach Boys

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Surfin’ USA, California Girls, Barbara Ann, Good Vibrations: Wer die Beach Boys nicht besser kennt, könnte sie für eine nette und oberflächliche Band halten. Sonnenverbrannte Burschen aus Kalifornien, die neben der nächsten Tankfüllung und dem einen oder anderen Mädchen keine weiteren Probleme haben. Das ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit über die mittlerweile stark dezimierte Truppe um Mastermind Brian Wilson. Ihr bahnbrechendes Album Pet Sounds revolutionierte nicht allein das Prinzip des Pop-Albums in Hinsicht auf Produktion, Songwriting und Storytelling. Es zeigte die vermeintlichen Sunnyboys auch von einer melancholischen und tiefgründigen Seite. Schließlich gab es unter den vieren damals auch nur einen einzigen Surfer: Dennis Wilson.

Die Geschichte der Beach Boys ist die Geschichte von drei Brüdern, die erst unter ihrem ebenso unbarmherzigen wie ehrgeizigen Vater litten und die dann mit ihrem Erfolg nicht zurecht kamen, sich entfremdeten und den Drogen anheim fielen. Dennis starb 1983, Carl folgte ihm 1998. Zurück blieben Al Jardine und der Wilson-Cousin Mike Love, vor allem aber Brian Wilson. Brian war nie der beste oder souveränste Sänger, er ist kein genialer Schlagzeuger. Er ist stets der Songwriter, der Produzent und der Kopf der Band gewesen – und war zeitlang nicht Teil der Gruppe.


Hört euch hier die musikalische DNA von den Beach Boys in einer Playlist an und lest weiter:


Brian wurde und wird immer noch von seinen Dämonen verfolgt. Von den Stimmen in seinen Kopf, vom größenwahnsinnigen Psychologen Dr. Landy, von der Sehnsucht nach Love and Mercy, wie einer seiner Solo-Songs und der Film über Brian und seine Frau Melinda heißt. Oder von musikalischen Desastern wie dem Albumprojekt SMiLE mit Van Dyke Parks, das die beiden nie richtig zu einem Ende brachten und das unabgeschlossen erschien. Selbst zum 50. Jubiläum der Band gab es Streitigkeiten zwischen ihm und Love. Alles nicht so einfach, happy und unbeschwert, wie es auf den ersten Blick scheint. Zuflucht fand Brian Wilson stets in der Musik. Von den ersten Tönen, welche die drei Brüder im Elternhaus zu hören bekamen, über die Musik der für sie so wichtigen sechziger und siebziger Jahre bis zum heutigen Tag gaben die Beach Boys nicht nur Millionen von Menschen viel. Sie nahmen es auch immer dankbar an. In Brians Worten: „Ich glaube, dass Musik die einzig richtige Antwort ist. Einige Antworten finde ich in meinen Liedern, einige in den Liedern von anderen.“ Ein Blick auf die musikalische DNA der Beach Boys bedeutet also weit mehr als das. Wenn wir ihrer Lieblingsmusik lauschen, erfahren wir zugleich viel über die Menschen hinter Songs wie God Only Knows.


1. Rosemary Clooney – Tenderly

Viele Beach Boys-Hits basieren sogar teilweise oder komplett auf der Musik anderer. Barbara Ann zum Beispiel wurde von Fred Fassert geschrieben und zuerst von den Regents aufgenommen. Andere Stücke zeigen ihren beständigen Einfluss auf andere, subtilere Art. Es gibt wohl kaum einen Song, der für die drei Wilson-Brüder wichtiger war als Tenderly, eine Nummer der Jazz- und Pop-Sängerin Rosemary Clooney, die ihre größten Erfolge in den fünfziger Jahren feierte. Unter der strengen Knute ihres Vaters lernten die drei Wilson-Brüder erstmals ihre Harmonien zu trainieren, am meisten Eifer legte dabei Brian an den Tag. Seitdem er Tenderly im – Achtung, Kalauer – zarten Alter von zehn Jahren zum ersten Mal gelauscht hatte, hörte er zum Leidwesen seiner Brüder mit dem Singen nicht mehr auf.

Wie lange Brians Ehrfurcht vor der Sängerin anhielt, zeigte sich 2001 bei einem Tribut-Konzert für den Beach Boys-Kopf, zu dem er auch Clooney einlud. „Wann schreibst du mal ein Lied für mich?“, soll sie ihn nach dem Konzert hinter der Bühne gefragt haben. Es kam nie dazu, Clooney verstarb im Juni 2002. „Ich bin nicht mehr dazu gekommen, ein Stück für sie zu schreiben. Aber, wenn man so möchte, habe ich alle meine Songs für sie geschrieben. Ihre Version von Tenderly aus dem Jahr 1956 hat mir gezeigt, wie man singt. Das werde ich nie vergessen“, so Wilson. Wie Clooneys perfekten Phrasierungen wohl auf einem Wilson-Stück geklungen hätten?


2. Glenn Miller – Rhapsody In Blue

Noch bevor Brian die Stimme Clooneys das erste Mal vernahm, wurde er im Kreis der Familie an die Musik George Gershwins herangeführt. „Eines Tages war ich bei meiner Großmutter, und sie spielte mir Glenn Millers Version von Rhapsody In Blue vor, die 1943 erschienen war“, erinnerte sich Brian in seiner Autobiografie. „Ich muss zwei oder drei gewesen sein, die Platte war demnach ein Jahr alt. Als sie mir das Stück vorspielte, war ich hin und weg. Als wäre ich in einer anderen Welt gelandet.“ Das Jazz-Feeling, die Theatralik – alles das fand sich später auch in der Musik der Beach Boys wieder. Brain selbst nahm ein ganzes Album mit seinen Interpretationen von Gershwin-Klassikern wie I Loves You Porgy – den meisten wohl in der Nina Simone-Version bekannt – oder Summertime auf.

Auch Rosemary Clooney übrigens war als Gershwin-Interpretin bekannt und präsentierte einige der Stücke des genialen Komponisten auf dem Tributkonzert für Brian, nach deren Ende sie sich hinter der Bühne treffen sollten. Was Gershwin und die Beach Boys vereint, ist nicht allein die brüderliche Zusammenarbeit – was wäre George schon ohne Ira gewesen? –, sondern auch die reichhaltige emotionale Atmosphäre ihrer beider Musik. „Natürlich geht es in der Musik manchmal auch um Schmerz. Obwohl die Songs von Gershwin leicht und klassisch anmuten, setzen sie sich auch mit den dunklen Seiten des Lebens auseinander“, brachte es Brian auf den Punkt.


3. Four Freshmen – Their Hearts Were Full Of Spring

Natürlich aber wäre Brian ohne seine Brüder, den Cousin Mike Love und Al Jardine aufgeschmissen gewesen. Wie hätte er sonst die fantastischen Vokalharmonien umsetzen können, welche die Band berühmt gemacht haben? Einer  der Haupteinflüsse der jungen Band, die sich im Übrigen zuerst The Pendletones nannten, fand sich in den Four Freshmen. Das Barbershop-Quartett legte mit seinen feinfühligen Songs den Grundstein für den Sound der Beach Boys, auch wenn dieser natürlich weit mehr als das umfasst. Legendär ist die Anekdote vom ersten Zusammentreffen der Jungspunde mit Hite Morgan, dem Verleger von Vater Murry Wilson. Der war reichlich unbeeindruckt von der Beach B-, äh, Pendletones-Interpretation von Their Hearts Were Full Of Spring, einem Stück der Four Freshmen. Zum Glück hatten sie noch ein As im Ärmel und konnten ihn wenige Tage später mit einem eigenen Song überzeugen: Surfin’ Safari.

Die Musik der Four Freshmen begleitete die Band trotz dieses ersten Misserfolgs weiterhin. Als Brian Wilson seine Ehrendoktorwürde an der Bostoner Northeastern University entgegen nahm, stimmte er anstelle einer Dankesrede gemeinsam mit seinen Bandkollegen Jeff Foskett, Nicky Wonder, Probyn Gregory und Gary Griffin den Song Graduation Day von den Freshmen an. Musik für jede Gelegenheit eben, ohne welche die komplexen Stimmarrangements der Beach Boys so nicht denkbar gewesen wären. Was den Klang der Band allerdings immer schon ausmachte, war ihr großzügiger Umgang mit allerhand verschiedenen Musikstilen. Vokalharmonien sind eins, deftiger Rock etwas anderes – sie vereinten von Anfang an beides.


4. Chuck Berry – Sweet Little Sixteen

„Einmal habe ich Chuck Berry im Flugzeug getroffen“, erinnerte sich Brian. „‚Hey, alles klar?‘, fragte er und ging in die andere Richtung weiter.“ Manchmal versteht man sich eben ohne viel Worte, schmunzelte Wilson zu der merkwürdigen Episode. Dabei hätte er dem Idol aus Anfangstagen doch so viel erzählen können. Vor allem über die Faszination seiner Bandkollegen mit dem Rock-Pionier. Durch seine überwiegend schwarzen Klassenkameraden kam Love zu Schulzeiten mit Doo-Wop und Rock in Berührung, darunter natürlich auch Chuck Berry. Carl betonte nachdrücklich, dass es Berry war, der neben den Ventures und John Walker seinen Gitarrenstil geprägt hatte. Ganz klar: Chuck Berrys stromgeladener Sound hat sich tief in die DNA der Beach Boys eingeschrieben!

Wie aber so oft in der Pop-Musik ist die Grenze zwischen Hommage und Ideenklau nur hauchdünn. Vergleicht mal Sweet Little Sixteen von Berry mit Surfin’ USA! Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Songs fiel nicht nur Fans auf, sondern auch Berrys Anwälten, die prompt klagten. Der erste größere Plagiarismusfall der Rockgeschichte endete damit, dass Murry Wilson die Rechte am Stück an Berrys Musikverlag abgab und der Gitarrist 1966 Credits fürs Songwriting bekam. Die ganze Geschichte scheint ihn allerdings von ein paar freundlichen Grußworten in Richtung Brian nicht abgehalten haben. Und immerhin ging es Brain nicht wie Bono: Als der bei einem Konzert freudig auf den Beach Boys-Mastermind zulief, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln, erkannte ihn Brian nicht – und bestellte sich bei dem irischen Superstar glatt eine Diet Coke…


5. The Beatles – She’s Leaving Home

Mit anderen Superstars kamen die Beach Boys da allerdings schon besser aus. Einem sich hartnäckig haltenden Mythos zufolge stand die Band in den sechziger Jahren in direkter Konkurrenz zu den Beatles, die ab 1964 auch in den USA für Begeisterung sorgten. Stimmt’s? Natürlich nicht! Zumindest nicht ganz. „Wir schickten uns eher Botschaften über den Atlantik“, charakterisierte Brian das Verhältnis beider Bands. „Sie machten etwas, ich hörte es und wollte etwas machen, das genauso gut war.“ Dass es sich eher um ein Mit- als um ein Gegeneinander handelte, wird auch in vielen persönlichen Anekdoten deutlich. Mike Love beispielsweise brach Ende der sechziger Jahre gemeinsam mit den Pilzköpfen nach Indien auf, von wo alle gleichermaßen inspiriert zurück kamen – der Rest ist Musikgeschichte.

Das für die Beach Boys wichtigste Beatles-Album dürfte wohl Rubber Soul gewesen sein. Als es Ende 1965 erschien, setzten die vier aus Liverpool damit neue Maßstäbe in Sachen Pop. Nur ein halbes Jahr später legten die Beach Boys allerdings mit Pet Sounds nach. Nicht wenige sind der Meinung, dass die Amerikaner die Fab Four somit übertrumpft haben. Die Beatles selbst zumindest waren davon begeistert. Paul McCartney verriet Brian, dass God Only Knows sein Lieblingslied ist und auch John Lennon rief nach der Veröffentlichung von Pet Sounds in Kalifornien an, um der Band zu gratulieren. Am denkwürdigsten aber bleibt wohl McCartneys Besuch bei den Wilsons, bei dem er Brian und seiner damaligen Ehefrau einen neuen Song vorspielte. „Ich finde die Melodie ganz hübsch“, so McCartney. Es war She’s Leaving Home, das später auf Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band zu hören sein sollte. Noch so ein Album, das im ausgesprochen freundschaftlichen Konkurrenzkampf beider Bands eine Schippe drauf legte und Brian nachhaltig beeindruckte. Von wegen böses Blut!


6. The Ronettes – Be My Baby

Wenn wir im Zusammenhang mit den Beach Boys schon von Konkurrenz sprechen, dürfen wir Phil Spector nicht unerwähnt lassen. Der im besten wie im schlechtesten Sinne durchgeknallte Produzent revolutionierte die Pop-Musik mit seiner „Wall of Sound“-Aufnahmetechnik und schenkte der Welt Hits wie Be My Baby, das von den Ronettes eingesungen wurde. Schon von den ersten, mächtigen Schlagzeugtönen zog das Stück auch Brian Wilson in seinen Bann, der es zuerst im Autoradio hörte und schnurstracks am Straßenrand hielt, um die Musik in Ruhe genießen zu können. „Spector behandelte einen wie ein einziges, riesengroßes Instrument“, schwärmte er vom exzentrischen Kollegen. Der hatte auch warme Worte über die Kollegen über und lud Brian sogar in sein Studio ein, um ein Stück für Spectors legendäres Weihnachtsalbum einzuspielen, schickte ihn dann aber nach ein paar Versuchen kommentarlos nach Hause!

Sei’s drum: Wilsons Dankbarkeit kennt immer noch keine Grenzen. Als er nach einem Konzert auf die Songwriterin Ellie Greenwich traf, die gemeinsam mit Spector und Jeff Berry an Be My Baby mitgewirkt hatte, sagte er ihr: „Jeden Tag wache ich auf und danke dir!“. Wofür denn bloß, wollte Greenwich verblüfft wissen. „Na, ja, weil du Be My Baby für mich geschrieben hast“, antwortete Wilson. Nicht aber für ihn allein sollte der Song wichtig sein, auch der Rest der Band konnte sich Spectors Studiomagie nicht entziehen. Sonst hätte die Pet Sounds wohl ganz anders geklungen! Denn einerseits lernte die Band von Spector viel über gutes Songwriting und die Macht des Sounds, genauso viel aber darüber, wann genug ist. Songs wie Wouldn’t It Be Nice oder God Only Knows sind eben deswegen so großartig, weil an ihnen nichts fehlt – und zugleich nichts zu viel ist. Wie es ebenso bei Be My Baby der Fall war. Den Ronettes übrigens zollte die Band 1969 auf ihrem Album 20/20 mit einem Cover Tribut. Der vielsagende Titel: I Can Hear Music.


7. Everly Brothers – All I Have To Do Is Dream

Von Gershwin bis Greenwich, von den Beatles bis Burt Bacharach: Songwriting haben die Beach Boys – und nicht nur Brian! – von den ganz Großen gelernt. Zu Teenagerzeiten begeisterte Brian seinen Cousin Mike Love und dessen Schwester Maureen für Harmoniegesänge, wie er sie bei den Everly Brothers gehört hatte. „Mein Lieblingslied war Dream“, verriet er in seiner Autobiografie. „Sie waren das beste Gesangsduo, das ich je gehört habe. Bis heute habe ich keine Ahnung, wie sie das bloß gemacht haben.“ Wie es nun mal so ist: Die beste Musik bleibt für immer rätselhaft.

Was für eine Ehre muss es für die Beach Boys da doch bedeutet haben, gemeinsam mit den beiden Sängern das Studio teilen zu dürfen. Nachdem sie selbst 1965 den Everly-Song Devoted To You gecovert hatten, wurden sie 23 Jahre später für die Aufnahmen zum Everly Brothers-Album Some Hearts ins Studio gebeten. Der Plan: Das Brüderpaar wollte den 1964 veröffentlichten Beach Boys-Klassiker Don’t Worry Baby neu aufnehmen! Also gleich eine doppelte Ehrerweisung seitens des Brüderpaars. Traurig nur, dass der 1983 verstorbene Carl Wilson schon nicht mehr unter ihnen weilte, um das mitzuerleben.


8. Stephen Foster – Old Folks At Home

Mit Ausnahme der Beatles finden sich in dieser Liste kaum englische Acts, obwohl die „British Invasion“ zu Hochzeiten der Beach Boys natürlich im vollen Gange war. Gut, die Rolling Stones waren auch für die fünf Kalifornier von Bedeutung – das war’s aber schon fast. Das liegt vor allem daran, dass die Wilsons, Love und Jardine ihre ganz eigene Vorstellung von einem amerikanischen Sound hatten. Der sollte sich partout nicht aus Geltungsdrang am englischen „Futtertro“ bedienen, wie es Van Dyke Parks ausdrückte, mit dem Brian das von Pech verfolgte SMiLE-Projekt aufnahm. Nein, die Beach Boys bedienten sich neben Jazz-, Doo Wop-, Barbershop- und Rock-Musik auch in der reichhaltigen Geschichte ihres eigentlich noch recht jungen Heimatlandes.

Ein gutes Beispiel dafür ist einer ihrer allergrößten Hits, Good Vibrations, den Brian als „eine Art musikalische Autobiografie“ bezeichnete. Entstanden war er, als Brian – ziemlich bekifft, wie er selbst gestand – auf dem Klavier klimperte und damit Mike Love inspirierte, der den Faden weitersponn und Brians Textfragmente zu einem der ikonischsten Texte der Pop-Geschichte zusammensetzte. So leichtfüßig das Stück aber klingt, so beschwerlich gestalteten sich die Aufnahmen. Rund achtzig Stunden Tonband wurden zusammengenommen für alle Takes verbraucht, aufgenommen wurde in verschiedenen Studios. Kein Wunder, ist doch vom Theremin über Cellos bis hin zu den Gesangsspuren – die Lead übernahm Carl, weil Dennis Halsschmerzen hatte – so ziemlich alles dabei, was nur im radiofreundlichen Format eines dreieinhalbminütigen Pop-Songs möglich war. Unter anderem auch eine Referenz auf den „Vater der amerikanischen Musik“, Stephen Foster, dessen um 1851 entstandene Komposition Old Folks At Home in der Melodie der Zeile „Gotta keep those lovin’ good vibrations happenin’ with her“ widerhallen. Mehr als hundert Jahre Musikgeschichte in nur einem Song? Typisch Beach Boys!


9. Three Dog Night – Easy To Be Hard

„It’s easy to be hard, it’s easy to be cold“ – diese Zeilen laufen Brian Wilson manchmal durch den Kopf, sagt er. Der Song Easy To Be Hard wurde für das Musical Hair geschrieben, bekannt aber wurde er vor allem in der Version von Danny Huttons Band Three Dog Night. Es ist ein zartes und doch kräftiges Stück über emotionale Abstumpfung, Isolation und wie viel besser die Welt doch wäre, würden wir alle etwas mehr aufeinander Acht geben. Kein Wunder, dass er Brian immer noch im Gedächtnis herum spukt. So großartig die Beach Boys doch im Studio zusammen arbeiteten, so beschwerlich war doch immer ihr Miteinander – und ist es stellenweise heute noch. Von ihrem gnadenlosen Vater entfremdeten sich die Brüder, Carl und Dennis fielen ebenso wie Brian den Drogen anheim. Dennis sollte seine Probleme nicht überleben, Carl verstarb 15 Jahre nach ihm an Krebs. Seitdem steht es um das Verhältnis der drei verbliebenen Gründungsmitglieder eher selten gut.

Derweil Brian, der schon Anfang der sechziger mit psychischen Problemen haderte und stellenweise nicht Teil der Band war, als Solo-Künstler ein Comeback schaffte, touren vor allem Love und Jardine noch unter dem Banner der Beach Boys, was immer wieder für Probleme sorgt. Fast scheint es, als hätten sich die Beach Boys in letzter Zeit häufiger vor Gericht als auf der Bühne gesehen. Aber es gibt auch immer wieder Hoffnungsschimmer, wie zuletzt beim 50. Bandjubiläum im Jahr 2012, als die drei sich zumindest für einige Termine wieder zusammenfanden. Bleibt nur zu hoffen, dass dies in Zukunft noch häufiger der Fall sein wird. Wouldn’t It Be Nice? Es ist doch viel zu einfach, ständig hart und kalt zu sein, wie wir dank Three Dog Night wissen.


10. Joe Cocker – You Are So Beautiful

Die verbliebenen Beach Boys tragen eine dementsprechend große Verantwortung, verwalten sie doch das Erbe einer der einflussreichsten Pop-Bands aller Zeiten. Selbst junge Bands messen sich immer noch an ihnen, zitieren sie oder zollen ihren Tribut. Als Animal Collective im Jahr 2009 mit Merriweather Post Pavillon das meistdiskutierte Album des Jahres veröffentlichten, ließ sich der Fingerabdruck der Beach Boys darauf nicht leugnen. Das legendäre gewordene SMiLE-Projekt wird heutzutage tatsächlich als eine der Blaupausen für den Indie-Sound angesehen, aus dem auch die kuriose Truppe mit den grellen Bühnenoutfits schöpfte.

Doch nicht nur als Band an sich, sondern auch mit ihren Beiträgen zur Musik anderer hinterließen die Beach Boys ihre Spuren. Wie hätte wohl Don’t Let The Sun Go Down On Me von Elton John ohne die subtilen Vokalharmonien im Hintergrund geklungen? Oder: Hätte es Joe Cockers You Are So Beautiful je gegeben, wäre er nicht bei einer Party auf Dennis Wilson getroffen? Der nämlich improvisierte gemeinsam mit der britischen Soul-Rock-Röhre die Musik und weite Teile des Textes. Als Autor wurde er offiziell allerdings nie genannt. Es scheint ihn aber auch nicht gestört zu haben, tatsächlich präsentierte er auf Konzerten immer wieder seine eigene Interpretation der Komposition, wohl einem der bekanntesten (und schönsten) Pop-Songs aller Zeiten. Das eben macht die Beach Boys in ihren besten Momenten aus: Sie nehmen nicht nur, sie geben auch genauso gern.


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