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The Rolling Stones “Their Satanic Majesties Request”: Eine wilde Geste

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Der Sommer 1967 war ein besonderer, epischer für die Pop- und Rockmusik. Der Aufstieg der mehr oder weniger monumentalen Konzeptalben, die das Verständnis von Recorded Music grundsätzlich umkrempeln sollten. Ganz vorne mit dabei: Sgt. Pepper und seine Lonely Hearts Club Band der Beatles, Pink Floyd’s The Piper At The Gates Of Dawn und Are You Experienced der Jimmy Hendrix Experience. In kurz: Große Platten von großen Namen! Aber ein großer – ein sehr großer – Name fehlt in dieser Aufzählung noch. Ein Name von solch brutaler, Hotelzimmer zerstörender Durchschlagskraft, dass es rückblickend schon fast ein bisschen wundert, dass die werten Herren Jagger, Watts, Richards – und damals auch Jones und Wyman – im Wettstreit um die pompösen, glattgebügelten Platten mitmachen mussten. Und doch: The Rolling Stones lieferten vor 50 Jahren mit Their Satanic Majesties Request eines der bemerkenswertesten Alben ihrer bis heute andauernden Karriere ab. Da ist eine uDiscover Wiederentdeckung zweifelsohne ein absolutes Muss!


 

Und mit dem Wort „Konzept“ wären wir auch gleich am Nucleus des Bemerkenswert-Sein dieses Stones Albums angekommen. Wir kennen jede vorige Vinyl-Trophäe der Britischen Art-School Dropouts mit sägenden Gitarren und Gesang, der auch mal daneben liegt – oder gleich ganz vergessen wird. Die Stones sind wahrscheinlich die Band, mit den meisten in den heiligen Plattenhallen verewigten Studio-Fehlern. Aber die Stones sind auch die Band, die ihre Message innerhalb von einem Take ins Vinyl nageln konnten und der ein oder andere Griff neben die Saiten dabei irgendwie zum guten Ton gehörte. Their Satanic Majesties Request ist das erste Release, bei dem wir uns diese typische Roughness einmal getrost abschminken können.



Aber, aber – jetzt nicht gleich in aufgebrachte Hysterie verfallen. Wir reden hier ja schließlich von einer der verdammt nochmal besten Rock Bands, die jemals durch unsere Lautsprecher-Membrane ballerten! Daran wird auch eine polierte Aufnahme nichts ändern.

Zugegeben, ganz kritikfrei ist die Platte in den Späten 60ern nicht durch die Presse gegangen. Das Songwriting sei komisch gewesen, die Band hätte ihren Fokus verloren und alles in allem sei das Album einfach schlecht gewesen. Tja, da sind schon ein paar unfreundliche Worte über enttäuschte Hoffnungen auf den typischen Stones Sound gefallen. Klar, anstelle von treibenden Rhythmen und schreienden Gitarren warten die Jungs mit Trompeten, Streichern und genügend Percussion auf, dass es Santana ganz blass vor Neid wird.


The-Rolling-Stones (1)


Aber vielleicht liegt der Trick, der twist in the tail, darin, die ganze Nummer eben nicht im Zusammenhang mit der restlichen Diskographie zu sehen. Wie eine Sonder-Episode einer sonst so vertrauten Fernsehserie sticht Their Satanic Majesties Request hervor, abgekoppelt vom orthodoxen Stones Groove. Wahrhaft outstanding also!

Nur dieses eine Mal brachen The Rolling Stones aus alten, monochromen Mustern aus und machten sich auf eine – um noch ein paar romantische Metaphern zu bemühen – regelrechte Expedition in eine Welt, in der erstmals alles ohne Vorgaben möglich war. Ganz besonders, was den Sound angeht. Oder konkreter – die Instrumente. Klar, mit einem Schlagzeug kann man grundsätzlich nicht viel falsch machen und sechs- und vier-saitige Instrumente klingen hin und wieder auch ganz akzeptabel. Aber bei Songs wie „2000 Light Years From Home“, „The Lantern“ oder beim einzigen vorsichtigen Hit She’s A Rainbow werden dem unbefangenen Hörer mit Trompeten, Flöten, bearbeiteten Vocals und Effekt-Sounds ordentlich die Ohren durchgepustet. Im streng positiven Sinne natürlich!


The-Rolling-Stones


Fragt sich nur, warum die Stones mit genauso einem Album aufwarten mussten. Vielleicht war es tatsächlich der anfangs erwähnte Gruppenzwang unter den großen Mackern der Popkultur-Innovatoren. Andererseits machten Mick und Co auch nicht-musikalisch eine turbulente Zeit durch. Grade erst ist der langjährige Manager und Produzent Andrew Loog Oldham von Board gesprungen (bzw. über die Planke gejagt worden – da wollen wir uns jetzt nicht festlegen), sodass die Band das Album praktisch im Alleingang auf die Beine stellte. Dazu kamen noch einige unfreiwillige Verabredungen von Mick und Keith mit den hiesigen juristischen Instanzen, die im Aufnahme-Prozess für Their Satanic Majesties Request an der ein oder anderen Stelle für Zwangspausen sorgten.


Rolling_Stones_-_Their_Satanic_Majesties_Request_-_1967_Decca_Album_cover


Bleibt noch der große Kritikpunkt, Their Satanic Majesties Request sei doch nur bei den Beatles abgeschaut. Nun gut, die Strategie der Stones, für die Erstellung ihres neuen Cover-Artworks mit  Michael Cooper den gleichen Künstler anzuheuern, der bereits das wohl berühmteste Gruppenfoto aller Zeiten für Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band designte, war rückblickend wahrscheinlich nicht die beste aller Ideen. Aber dennoch – abgeschaut? We beg to differ!



Die fabulösen Vier haben ihr Album höchst sorgfältig und vorsichtig konzipiert, ein geschickt-fokussiertes Projekt, das alles zusammenfasste, was sie bisher erreicht hatten. In gewisser Weise also ein geordneter Schlusspunkt. Und von einem Schlusspunkt kann man bei den Stones ja nun wirklich nicht sprechen. Ein Ausbruch, das Vorstoßen auf neues Terrain, das Öffnen neuer Möglichkeiten – das war es allemal! Auch wenn der Sound der Platte glatt und frei von den typischen Unebenheiten ist – die Geste, dieses Album aufzunehmen, war so wild wie eh und je. Darin liegt die Schönheit!


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