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Wiederentdeckung: Elton John – Leather Jackets – das große Drama seiner Karriere!

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Kaum zu glauben, dass so etwas mal über unseren Lieblings-Brillenträger von der angelsächsischen Insel geschrieben werden sollte, aber es ist wahr: Leather Jackets, Elton John’s zwanzigstes Album hält einen – ja man kann fast schon sagen traurigen – Rekord. Betrachtet man Elton’s Chart-Historie (natürlich nur streng metaphorisch) als einen kleinen Marathon, dann stolpert Leather Jackets doch etwas unbeholfen hinter den anderen Veröffentlichungen her.

Der ein oder andere aus der Leseschaft erinnert sich an dieser Stelle vielleicht noch an den Sportunterricht in der Schule. Tja, das waren tolle Momente, oder? Aber wir kommen vom Thema ab…


 

Richtig, Leather Jackets war weniger der große Chart-Stürmer als eher ein Chart-Spaziergänger an einem sonnigen Herbst-Sonntag, der gemütlichen Schrittes die Farbenpracht der Blätter bestaunt. Ganz genau – da ist man nicht allzu schnell unterwegs. Damit einher geht auch die Tatsache, dass Leather Jackets als erstes Album nach dem sechzehn Jahre vorher erschienenen Tumbleweed Connection keine Single in die US oder UK Top 40 bringen konnte. Und – Achtung anschnallen, jetzt kommt’s ganz dicke – das auch nur, weil Tumbleweed Connection überhaupt keine Single-Auskopplungen hatte.

Uff, okay. Das wäre es an dieser Stelle dann auch schon mit dem Album-Bashing. Es gibt ja schließlich auch gute Gründe, warum wir hier mal einen genaueren Blick auf das so harsch umstrittene Album werfen. Also, bitte enthusiastisch, aufmerksam und voller Optimismus in unsere Wiederentdeckung der Woche eintauchen!

Der wohl offensichtlichste Grund zuerst: Leather Jackets macht dieses Jahr die Dirty-Thirty voll! Ganz richtig, am 3. November 1986 wurde der ganz Spaß veröffentlicht und feiert dementsprechend runden Geburtstag. Aber keine Angst, Alben müssen – im Gegensatz zu Angehörigen von hiesigen Landjugend-Vereinen – nicht vor dem Rathaus fegen oder mit irgendwelchen anderen peinlichen Aktionen die Passanten zum Fremdschämen anregen.


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Der Geburtstag eines Albums bedeutet, dass man noch einmal genüsslich die Nadel aufs Vinyl legen kann, um in all den wunderbaren Melodien und Erinnerungen zu schwelgen. Also, was finden wir hier?

Der Track Gypsy Heart zählt sicherlich zu den besseren Songs auf dem Lederjacken Album. Im Gegensatz zu den meisten anderen Tracks lässt die soulige Ballade den Elton wie wir ihn kennen und lieben durchblicken und geht eben nicht in die Middle-Of-The-Road 80’s Pop-Ecke. Eine Tatsache, die vielen Kritikern in der zweiten Hälfte der Achtziger mehrmals ganz bitter aufgestoßen ist. Und das nicht nur bei Elton John. Auch Künstler wie The Rolling Stones mit Dirty Work, Paul McCartney mit Press To Play oder Bob Dylan mit Knock Out Loaded schienen um die Zeit herum eine kleine Midlife-Crisis zu durchleiden. Aber gut, wir reden ja schließlich auch heute noch von diesen (trotz des ein oder anderen Albums, das vielleicht nicht mit dem allergrößten Applaus empfangen wurde) großartigen Künstlern. So schlimm kann’s also nicht gewesen sein.

 


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Außerdem gibt es auf Leather Jackets noch mehr Songs, bei denen Pop-Historik Enthusiasten (jep, damit seid ihr gemeint) mal genauer hinhören sollten. Wir reden hier ja schließlich noch von Elton John, dem Mann, der ein Jahr später mit seiner Live-Version von Candle In The Wind die ganze Welt zu Tränen rühren sollte.

Dementsprechend gab’s bei den Aufnahmen zu unserer Wiederentdeckung der Woche auch den ein oder anderen hohen Besuch im Studio. Ob das jetzt eine programmatische Kollaboration war, sei mal dahingestellt, jedenfalls holte sich Elton für den Song Don’t Trust That Woman niemand anderes als Cher ans Mikrofon. Eine durchaus hörenswerte Nummer!

Dazu kommen das Cliff Richards Duett in Slow Rivers und – an dieser Stelle alle Queen Fans mal aufhorchen – der Song Angeline, in denen sich John Deacon am Bass und Roger Taylor an den Drums die Ehre gaben. Kein schlechtes Stück Popgeschichte also, das sich da nach dreißig Jahren nochmal auf unserem Plattenspieler dreht.



 

An dieser Stelle sollte vielleicht auch noch auf die richtige Perspektive hingewiesen werden, aus der man Leather Jackets betrachten sollte. Elton John höchstselbst gibt zu, dass diese kreative Ausgeburt bei weitem nicht sein bestes Album war. Aber halten wir uns mal vor Auge, von was für einem massiven Künstler wir hier sprechen! Und was für einer umwerfenden Diskographie!

Jede gute Geschichte braucht eben ihre dramatische Passage, in der wir um unseren Helden hadern. Eine Passage, in welcher der Betrachter (oder hier: der Hörer) sich unschlüssig wird, wie es wohl weiter geht. Das retardierende Moment, dass uns alle in Habachtstellung versetzt, bevor sich die Spannung löst und unser bunt bebrillter Held wieder zur Bestform aufläuft, um uns bis heute zu zeigen, wie verdammt drauf er es doch hat!

Leather Jackets, das ist er, dieser Moment. Ein wahrhaftiges und wichtiges Stück Popgeschichte, das man – trotz manch wirklich nicht ganz so wohlwollenden Kritik – gehört haben sollte!

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