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Popkultur

Pete Shelley – Von Punk, Sex und Bescheidenheit

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Es ist zu einem nicht geringen Anteil einem gewissen Pete Shelley zu verdanken, dass Manchester Mitte der 70er Jahre zum Capitol des Punk wurde. Alles begann im Winter 1976, als ein 21-jähriger blasser Junge aus dem Einzugsgebiet Manchesters seinem College-Freund Howard Devoto eine Konzertkritik der Sex Pistols vorlas und beide — fasziniert vom Motto der Band (“We’re not into music, we’re into chaos”) — beschlossen, auch so was mit Chaos und Musik zu machen.


Mit einem geliehenem Wagen fuhren die Beiden nach London, um das ganze Spektakel live zu erleben. Auf dem Konzert sprachen sie einfach den Manager der Pistols an, so groß war die Szene damals noch nicht, und versprachen, einen Gig in Manchester zu organisieren. Die Pistols reisten gleich zwei Mal an und das zweite Konzert in der Free Trade Hall, in dem schon Winston Churchill, Bob Dylan oder Pink Floyd aufgetreten waren, sollte zum Mythos der Punkgeschichte werden.

Erfinder des ersten unabhängigen britischen Musiklabels

Das konnten Shelley und Devoto, der sich allerdings bald einer anderen Bandgründung zuwandte, damals noch nicht ahnen. Gerade hatten sie die Buzzcocks gegründet, die die Verehrung für die Sex Pistols selbst im Namen trugen. Buzz sollte das Gefühl ausdrücken, auf der Bühne zu stehen, mit cock sprach man im rauen Manchester offenbar seine Buddies an. Um nun als Vorband der verehrten Pistols aufzutreten, fehlte den Buzzcocks aber noch ein Bassist. Beim zweiten Besuch der Punklegenden in Manchester schließlich klappte es, die Buzzcocks traten als Vorband der Pistols auf, Punkerträume wurden wahr.


Schaut euch hier einen Live-Mitschnitt des Buzzcocks Songs Ever Fallen In Love an:


An außergewöhnlichem ist die Biografie dieser Band und ihres Gründers Shelley wahrlich nicht arm. Nicht nur gründeten die Buzzcocks mit 500 geborgten Pfund im Jahr 1976 das erste unabhängige Musiklabel Großbritanniens und produzierten ihre Musik konsequent nach der DIY-Methode. Pete Shelley war auch der erste und bis dato einzige bisexuelle Punkmusiker, der sich herzlich wenig aus Geschlechtszuschreibungen machte. Das war neu in der ziemlich männlichen Welt der Rockmusik.

Shelley drückte seine Vorstellung von Sexualität gegenüber dem “Guardian” einmal so aus: “Die ändert sich so oft und schnell wie das Wetter.” Und das ist in England bekanntlich so launisch wie nirgendwo sonst.

“Wenn du halt ein Kleid in den Club anziehen wolltest, hast du ein Kleid angezogen.”

Der 1955 etwas außerhalb von Manchester geborene Junge mit den nachdenklichen Augen prägte mit seinem ungekünstelten Auftreten und seiner unbekümmerten Orientierungslosigkeit einen neuen Archetypen der Musik. Heute sagt Shelley schmunzelnd: ”Ich bin der festen Überzeugung, dass Morissey die Idee von mir geklaut hat, nicht erkennbar über Frauen oder Männer in seinen Songs zu singen.” Auch Jarvis Cocker von Pulp hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach von Shelley inspirieren lassen.


Schaut euch hier ein Interview mit Pete Shelley an:


Es gibt ein witziges Interview mit Shelley, in dem er in schnoddrigem Manchester-Akzent über die drei Punkläden spricht, die es zu den wilden Anfängen in Manchester gab. Und wie diese Clubs auch eine Heimat waren für Menschen wie ihn, die keine Lust hatten, ihre Sexualität als ein Entweder-Oder zu definieren. Shelley erzählt, wie diese Läden gleichzeitig oft Gay Clubs waren, einfach, weil sie sich nicht um die sexuelle Orientierung ihres Publikums scherten. Beides gehörte irgendwie zusammen, und die Türsteherpolitik spiegelte das wider. O-Ton Shelley: “Wenn du halt ein Kleid in den Club anziehen wolltest, hast du ein Kleid angezogen.”

Schließlich vom Interviewer nach der Frequenz seiner amourösen Abenteuer gefragt, prustet Shelley los: Das Komische sei ja eben gewesen, dass man irgendwie nicht wirklich viel Sex hatte, obwohl man doch so befreit war und dauernd darüber sang. Es macht Shelley so ungemein sympathisch, dass er sich jeglicher heroischer Inszenierung verweigert, eine Legende haben wenn dann andere aus ihm gemacht.


LOS ANGELES - JULY 24: The Buzzcocks, with Steve Diggle (L), Pete Shelley, Steve Garvey and Danny Farrant (rear) perform at "The Late Late Show with Craig Ferguson" at CBS Television City on July 24, 2006 in Los Angeles, California. (Photo by Kevin Winter/Getty Images)

LOS ANGELES – 24.06.2006: The Buzzcocks, mit Steve Diggle (L), Pete Shelley, Steve Garvey und Danny Farrant (hinten) performen bei der “The Late Late Show mit Craig Ferguson” in der  CBS Television City (Photo by Kevin Winter/Getty Images)


Musik ist mehr wert als Geld

Stattdessen erzählt er davon, wie sehr ihn Kraftwerk und andere deutsche Bands begeisterten und es noch immer tun. Andersherum erklingen die ganz großen Namen, wenn die Buzzcoks als Ideengeber genannt werden. Das waren keine geringeren als REM, New Order oder Nirvana, die angaben, von den Buzzcocks inspiriert worden zu sein.

62 Jahre alt wird Shelley am 17. April diesen Jahres. Er ist um einiges fülliger als der junge Mann von damals, aber seine Geschichten und sein sympathisches Auftreten haben den wilden Charme der Anfangsjahre des Punk. Immer wieder musste sich Shelley fragen lassen, ob es ihn nicht ärgere, dass andere Bands mit ähnlichen musikalischen Ideen so viel erfolgreicher geworden sind als die Buzzcocks. Ganz offenbar ist Shelley mit sich und seinem Leben im Reinen: ”Der Wert der Songs misst sich am Eindruck, den sie bei den Leuten hinterlassen. Klar, ich bin kein Millionär, aber ich bin auch nicht am Verhungern. Sagt´s und lacht. “Die Liebe zu unserer Musik ist so viel mehr wert als jedes Geld der Welt.”


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