------------

Popkultur

Das legendäre Album von Fehlfarben kommt als komplettes Remaster: Ein Kult von Monarchie und Alltag

Published on

Photo Credits: Richard Gleim, 1980

Wenn man heutzutage – nur mal so um gute Laune zu bekommen – die Düsseldorfer Königsallee entlang schlendert, kann einem vieles in den Sinn kommen. Die meisten dieser Gedanken drehen sich allerdings um die Themen Neid, Verachtung und „Oh, das ist aber ein schöner Porsche!“ Etwas ferner liegt da der Schluss, dass nur wenige Meter nördlich von Designer-Schuhen und Bling Bling einst etwas aus wenigen Akkorden entstand, das der Rolling Stone einmal als das wichtigste deutschsprachige Album bezeichnen sollte. Zwei Galaxien, nur durch ein paar Straßenkreuzungen getrennt. Keine Frage, wir besuchen natürlich letztere!


Hört euch hier das Fehlfarben Album Monarchie und Alltag an und lest weiter:


Epizentrum dieses Geschehens war der Ratinger Hof, eine schmucke Punker-Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt. Angezogen von der Suche nach neuen, frischen Tönen und einer alternativen Szene umkreisten die zukünftigen Mitglieder von Fehlfarben das Etablissement wie die Motten das Licht. Ende der 70er fassen Peter Hein und Co den Schluss, als „regionale Supergruppe“ mal ein bisschen in der Szene mitzumischen. Ein Jahr, einige kleine Shows und zwei unabhängige Singles später ist es dann endlich soweit: Fehlfarben tragen ihr Debüt Monarchie und Alltag in die Welt!

Nicht nur das, mit dem schwindelerregenden Ziel, sage und schreibe 5.000 Exemplare zu verkaufen, werden an das gute Stück auch noch hohe Erwartungen gestellt.


Fehlfarben-1980_Richard-Gleim

Photo Credits: Richard Gleim, 1980


Die Tatsache, dass wir heute die Veröffentlichung des Remasters dieser denkwürdigen Platte feiern, lässt durchblicken, dass man diesem Ziel dann über die Zeit doch einigermaßen beigekommen ist. Zwar wurde Monarchie und Alltag damals nicht wie verrückt aus den Plattenregalen gerissen, ist dafür aber auch alles andere als ein Strohfeuer gewesen! Denn über geschlagene 21 Jahre verkaufte sich das Album so konstant, dass es 2001 den Gold-Status verliehen bekam. Mission accomplished, kann man an der Stelle also mit Fug und Recht behaupten. Aber der Erfolg und die Bedeutung von Musik schlägt sich ja bekanntlich in mehr nieder, als nur in splitternackten Verkaufszahlen.


artwork_fehlfarben_monarchie-und-alltag

Artwork: Michael Bücker, Buster Deasaster, Michael Narten


Alles, was damals deutsche Musik war, galt unter den Punker Mädels und Jungs, der durstigen, aufbegehrenden Düsseldorfer Szene zwischen Ratinger Hof und Kunstakademie, als schmierig glatt und nicht authentisch. Oder es war Schlager. Dann doch lieber schmierig glatt und nicht authentisch. Auf diesen frustrierten Boden fiel die Beat- und Ska-Musik aus den angelsächsischen Gebieten und brachte die hiesige Jugend auf die Idee, sich nicht mit langwieriger Virtuosität an ihren Instrumenten aufzuhalten, sondern einfach mal zu machen. Der Plan war entsprechend simpel, bestand lediglich aus drei Akkorden und harten, ehrlichen und vor allem deutschen Texten. Als sich dann die Mitglieder der lokal gefeierten Bands Mittagspause, DAF und Der Plan zu Fehlfarben zusammenfanden, war der Hype perfekt! Angespornt vom bunten Treiben der Londoner Clubs, landete das Debüt der Jungs – mit Einflüssen aus Ska und Punk – irgendwie zwischen den Stühlen. Und das ausnahmsweise mal im ganz positiven Sinne.


Fehlfarben-1991_M.-Siebert

Photo Credits: M. Siebert, 1991


Denn bis heute will sich das Album, in ganzer Punker-Manier, nirgends in Reih und Glied einordnen. Es hat ganz nebenbei seine eigene Kultur geschaffen: Den Kult von Monarchie und Alltag. Abgesehen von Ein Jahr (Es geht voran), ein Song, der mehr oder weniger vom mächtigen Major-Label EMI mit in die Tracklist gepresst wurde, landete die Band mit keiner der  auf dem Album enthaltenen Nummern so wirklich im Radio. Warum ist die Platte also so wichtig? Ganz einfach, sie hat Türen und Tore geöffnet, durch welche die Toten Hosen und Konsortien dann mit erhobenen Köpfen durchmarschieren konnten. Es war eine neue Deutsche Welle vor der Neuen Deutschen Welle. Ihr wisst schon, die mit Nena und Extrabreit in den Hauptrollen. Es waren bildgewaltige Texte – oder einfach nur ein Song über einen verschwundenen Flipper-Automaten (Paul ist tot). In gewisser Hinsicht eine ganz neue Sprache, eine Kunst der Einfachheit. Das Album griff die Stimmung der Zeit auf, ohne platte Gesellschaftskritik auf den Tisch zu klatschen. Die – und entschuldigt, in Anbetracht des Themas, meine geschwollene Wortwahl – Genesis des deutschen Punks sozusagen.


aktuelle-besetzung_Roland-Bertram

Photo Credits: Roland Bertram


Heute wird Monarchie und Alltag also als neu gemasterte Platte veröffentlicht. Unter den strengen Ohren der Band höchstselbst hat sich Bo Kondren im Berliner Calyx Studio die Songs zur Brust genommen und den Hype von damals wieder aufleben lassen. Frech und lebendig, wie sich die Band selber freut.

Und was ab heute erstmal auf CD und als digitale Version zu haben ist, wird nächsten Freitag als orange Vinyl inklusive Download Code veröffentlicht. Und das, Freunde des gepflegten Punks, macht sich verdammt schnieke auf dem heimischen Plattenspieler!


Bestellen könnt ihr das Album hier:

CD Amazon

Vinyl Amazon


Das könnte dich auch interessieren:

Pete Shelley – Von Punk, Sex und Bescheidenheit

10 Songs, die die Rockmusik verändert haben – Teil 1

10 Songs, die eine versteckte Bedeutung haben

Don't Miss