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Popkultur

Zeitsprung: Am 14.4.1980 erscheint das genreprägende „British Steel“ von Judas Priest.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.4.1980.

von Christof Leim

Das ist mal richtig Metal: Auf dem Cover eine Rasierklinge, in der Tracklist knackige Titel wie Rapid Fire, Metal Gods und Breaking The Law. Mit ihrem sechsten Album British Steel lassen Judas Priest allen Ballast fallen, konzentrieren sich auf den puren Stahl und schaffen die Blaupause für den Heavy Metal der Achtziger.

Hier könnte ihr in British Steel reinhören:

Der Weg zum reinen Stahl hatte sich schon abgezeichnet: Im Laufe der Siebziger verabschieden Judas Priest sich zusehends von progressiver Verspieltheit, der versteckten Blues-Basis und düsteren Fantasy-Geschichten. Schon der Vorgänger Killing Machine von 1979 (in den USA Hell Bent For Leather) stutzte die Songs auf ein knackiges Maß zusammen und erhöhte so die Schlagkraft. Auf British Steel zieht die Band, verstärkt durch den neuen Schlagzeuger Dave Holland, das nun in voller Konsequenz durch. Hier gibt es Riffs, Boller-Drums, Refrains zum Fäusterecken, Grooves zum Headbangen und alles, was dazugehört. Herrlich.

Pures Metall

Die Songs kommen dank einfacher Arrangements zum Punkt und bleiben dank starker Hooklines im Ohr. Dabei greift Rob Halford textlich ordentlich in die Klischeekiste, aber das hat er eigentlich immer gemacht. Man könnte sogar sagen: Der Mann hat lyrische Metal-Klischees definiert. Alleine die Titel sprechen eine deutliche Sprache: The Rage, Steeler, Grinder, Metal Gods… Das ist der Stoff, aus dem Schwermetallträume gemacht sind. Und die Musiker stehen dem in nichts nach, schon auf der letzten Tour hatten sie wallende Roben und ähnliche Spielereien gegen Leder-und-Nieten-Outfits getauscht. Ja, British Steel ist so Metal, es rostet im Regen. Man muss sich nur das Cover ansehen: Eine Hand greift in eine Rasierklinge – Hammer. Dahinter steckt übrigens der polnische Designer Rosław Szaybo, und es sind seine Finger.

Für die Aufnahmen beziehen Judas Priest ein Studio auf dem Anwesen Tittenhurst Park, das dem ehemaligen Beatles-Trommler Ringo Starr gehört. An den Reglern sitzt zum ersten Mal Tom Allom, der die Band soundmäßig weit nach vorne bringt, während ihren früheren Werken immer der Ruf anhing, zu brav und flach zu klingen. Allom sollte bis 1988 Stammproduzent der Truppe aus Birmingham bleiben und Dekaden später für das Machtwerk Firepower (2018) zurückkehren.

Thrash-Blaupausen

Neun Songs hämmert das Quintett auf Band, alle geschrieben von den Gitarristen Glenn Tipton und K.K. Downing mit Sänger Rob Halford. Und mehr Material braucht es auch nicht. Bei den rabiaten und schnellen Stücken Rapid Fire und Steeler hören zukünftige Thrash-Größen genau hin: Als Metallica zu ihrem 30. Bandjubiläum 2011 vier Konzerte in San Francisco spielen, laden sie Rob Halford höchstselbst zu einer Runde Rapid Fire ein, auch Testament spielen ein Cover der Nummer ein. Ansonsten wird viel gestampft und auf dicke Hose gemacht, wie es sich gehört. Dabei dominieren griffige Riffs und Halfords ausdrucksstarker Sirenengesang. Experimente gibt es keine, sieht man von dem Reggae-artigen Intro (ja, Reggae!) in The Rage ab.

Um den zukünftigen Genreklassiker Metal Gods klanglich zu garnieren und den Sound von marschierenden Horden in Eisenrüstungen zu simulieren, schlagen Judas Priest Kabel gegen Kisten und lassen Billardstöcke umfallen. Vor allem aber rappeln sie mit einem Tablett voller Besteck vor einem Mikrofon herum und lassen es wiederholt auf den Boden krachen – „sicher über 100 Mal“, wie Halford in einem Interview mit dem Billboard-Magazin berichtet. Und es sind die Messer und Gabeln eines Ex-Beatles, die Metal Gods so stählern klingen lassen.

Schlaflos in Tittenhurst Park

Das infektiöse Living After Midnight entsteht erst im Studio: Dort baut Glenn Tipton sein Equipment in dem Raum auf, in dem John Lennon beim Imagine-Video Piano spielt. Und der Gitarrist greift in die Saiten, wann immer ihn die Inspiration überkommt, und wenn es nachts um drei passiert. Halford kommentiert das spontan mit „Du lebst hier echt nach Mitternacht!“ – und schon haben die beiden einen brillanten Titel für eine herrliche Mitsingnummer. Ähnliche Qualitäten besitzt auch United mit seinem fast schon poppigen Chorus.

Doch der wirkliche Gassenhauer der Platte heißt Breaking The Law: Die nur 2:34 Min. lange Riffwalze wird zu dem Priest-Song schlechthin und fehlt fortan auf keiner Setlist. Und wer das Ding schon alles gecovert hat: Motörhead, Hammerfall, Die Ärzte, Doro, Therapy?, Arch Enemy… Sogar Beavis & Butt-head greifen den Track im legendären „Washing The Dog“-Sketch auf.

Drei Singles wurden aus British Steel ausgekoppelt.

Durchmarsch

British Steel erscheint am 14. April 1980, erreicht Platz 4 in Großbritannien, 34 in den USA und 59 in Deutschland. Heute gilt die Scheibe zu Recht als Meilenstein, der den klassischen Heavy Metal der Achtziger definiert. Die andere einflussreiche Strömung des Genres kommt zur gleichen Zeit ebenfalls aus England in Form der New Wave Of British Heavy Metal (NWoBHM). Spätestens hier ist Metal nicht einfach nur härter gespielter Rock, sondern entwickelt eine eigene Ästhetik. Womöglich ist der 14. April 1980 sogar der metallischste Tag aller Zeiten, denn durch einen Zufall epischer Größe erscheint das Debüt der mächtigen Iron Maiden am gleichen Tag. Aber das ist eine andere Geschichte…

Mit British Steel werden Judas Priest zu Dauergästen auf Magazintiteln

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