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Popkultur

Beach Boys: 50 Jahre gut in Schwung mit “Good Vibrations”

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“Good Vibrations” brauchen wir alle. Wir brauchen sie, um im Herbstregen zur Arbeit zu fahren und dem Gehuste der Kollegen zu trotzen, wir brauchen sie, um uns mit anderen Menschen wohl zu fühlen, um trotz Rückschlägen im Leben zuversichtlich zu bleiben. Kurz: Wir brauchen sie, um überhaupt durchs Leben zu kommen. Denn wie es ein unbekanntes Genie treffend formulierte: “Humans are 90% water – basically cucumbers with anxiety”. Wir können es Brian Wilson von den Beach Boys daher gar nicht hoch genug anrechnen, dass er uns verängstigten Gurken eine Hymne geschrieben hat für die guten Schwingungen im Leben und gegen die negativen.


I’m pickin’ up good vibrations

She’s giving me excitations (Oom bop bop)

I’m pickin’ up good vibrations (Good vibrations, oom bop bop)

She’s giving me excitations (Excitations, oom bop bop)

Good, good, good, good vibrations (Oom bop bop)

Diesem Refrain kann doch wirklich niemand widerstehen, auch nicht ein nasser Pudel im Friesennerz, der an einem herbstlichen Montag zur Arbeit muss. Der Song macht aber nicht nur gute Laune, er ist auch ein Meisterwerk des Songwriting und der Komposition.



Ende der 1940er wuchs ein musikalisch hochbegabter Junge im kalifornischen Hawthorne auf. Der kleine Brian hatte zwei Brüder, einen Vater und eine Mutter. Während der Vater ihn zum Musik machen und Singen ermutigte, regte Brians Mutter die Fantasie des kleinen Brian durch allerlei Geschichten an. So erzählte sie ihm etwa von spirituellen Schwingungen, die von Menschen, Dingen oder Orten ausgingen – etwas, das Brian als Kind tief beunruhigte. “Sie erzählte mir, dass Hunde manche Menschen anbellten und andere nicht und das Hunde diese Schwingungen spüren könnten, die man nicht sehen sondern nur fühlen würde”. Und nur die schlechten Schwingungen würden angebellt. So erzählte es der erwachsene Brian Wilson, Star der Beach Boys, viele Jahre später.


beach boys2


Durch die Geschichten von den guten und nicht so guten vibrations entstand die vage Idee, einmal einen Song darüber zu schreiben. “Good Vibrations” sollte ein Befreiungsschlag vom Image der harmlosen, etwas simpel gestrickten Surfer Boys werden, das sich zuvor durch Alben wie “Surfin’ USA” und “Help Me, Rhonda” etabliert hatte.

Im Februar 1966 gingen Wilson und der Beach Boy Mike Love zusammen ins Studio, um Good Vibrations entstehen zu lassen – mit 50.000$ damals die teuerste Produktion einer Single überhaupt. Der Song entstand hauptsächlich im Aufnahmestudio und erstmals übernimmt selbiges mit seinen schier unbegrenzten technischen Möglichkeiten im Grunde die Rolle eines gleichwertigen Musikers.


Good_Vibrations_single


Mike Love schrieb die Lyrics von “Good Vibrations” zu Ehren der Flower Power Bewegung, von der er tief beeindruckt war. Sicherlich hoffte er, damit eine Art Hymne für die Blumenkinder zu schreiben. Wilson werkelte derweil an den komplexen Strukturen des Songs, der immer ein wenig so klingt, als liefen zwei oder mehr Stücke gleichzeitig. Die Wirkung ist beabsichtigt. Wilson komponierte den Song zunächst und sezierte ihn dann wieder. Dann nahm er in den verschiedensten Hollywoodstudios einzelne Teile auf und das über einen Zeitraum von über einem halben Jahr. Der ganze Song bleibt Fragment. Neben der Episodenstruktur, die “Good Vibrations” wie eine nicht zu Ende erzählte Geschichte ohne richtigen Anfang und Ende wirken lässt, sind auch die verwendeten Musikinstrumente außergewöhnlich. So hat erstmals ein Cello seinen Auftritt in einem Popsong – etwas, das heute ganz normal erscheint. Außerdem erklingen eine Maultrommel und ein Elektro-Theremin. Das E-Thermin wird mittels eines mechanischen Kontrollers gesteuert, der einen Audio-Oszillator bedient. In Abgrenzung zum  Theremin erzeugt das Elektro-Theremin einen nahezu perfekten Sinus-Ton. Vor allem am Ende des Songs hört man dieses besondere Instrument und seine vibrations solo und in Reinform, eine Referenz an die “Good Vibrations”.


beach boys2


Und als hätte die Welt im Jahr 1966 nur auf komplexere Popmusik gewartet, wurde “Good Vibrations” sofort ein großer Hit und Wilson und seine Beach Boys für ihre Experimentierfreude gefeiert. Die Musikpresse wie die Radiohörerinnen und -hörer feierten den Song gleichermaßen und jagten ihn stante pede auf Platz 1 der Billboard Charts. Auch in Großbritannien, Australien, Neuseeland oder Malaysia toppte “Good Vibrations” alles und gewann zudem wichtige Musikpreise. Nur die deutschen Bierbommeln konnten mit dem etwas trippigen Song nicht so viel anfangen, hierzulande kam “Good Vibrations” nicht über Platz 8 hinaus. Das Jahr gehörte dagegen Drafi Deutschers “Marmor, Stein und Eisen bricht”. Mehr muss man über das deutsche Gemüt nicht sagen.

Heute jedenfalls gehört “Good Vibrations” zu den ausgefuchstesten Avantgarde-Pop-Songs überhaupt. Und egal wie oft man sich den Song anhört: Jedes Mal ist man überrascht von diesem Refrain, der wie ein U-Turn in musikalischer Sprache um die Kurve rast.

Die Beach Boys haben sich damit in der Musikgeschichte verewigt – nicht als braungebrannte Surfer Beaus, sondern als musikalische Visionäre.


the-beach-boys_smile_cover

In Form einer LP wurde der Song auf dem Album “Smile” der Beach Boys im Jahre 1967  veröffentlicht.


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