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Popkultur

Der historische Verriss: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von The Beatles

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Auch Expert*innen liegen manchmal mächtig daneben. In dieser Reihe stellen wir vernichtende Plattenkritiken von großen Alben der Musikgeschichte vor, fatale Fehlurteile, die aus heutiger Sicht mindestens merkwürdig wirken. Dieses mal geht es um eines der wichtigsten Alben der Musikgeschichte: Sgt. Pepper, das psychedelische Meisterwerk der Beatles aus dem Jahr 1967.

Hört euch hier Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band an:

Wer konnte so wahnsinnig sein und diese einflussreiche Platte verreissen? Richard Goldstein war’s, und zwar in der New York Times. Die Beatles, die er liebte, gingen für ihn durch den revolutionären Tonstudio-Zauber von Sgt. Pepper verloren.

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Dann wollen wir mal. Richard Goldstein sagt hier eigentlich viele richtige Dinge. Ja, Sgt. Pepper ist überladen und stellenweise hektisch. Aber so ist das mit jeder großen Kunst – im besten Fall schafft sie es, ein Gleichgewicht zwischen Überforderung und Eingängigkeit herzustellen. Und die Beatles bieten auf Sgt. Pepper genug Gelegenheiten, sich wohl zu fühlen. Ja, diese Platte ist ein Mammutwerk, es kann einen beim ersten Mal ratlos zurücklassen. Hat sich der Kritiker nicht die notwendige Zeit für Sgt. Pepper genommen? Möglich:

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Aha, jetzt outet sich der Herr! Es ist also nicht authentisch genug, nicht echt und handgemacht genug? Das klingt nach einer starken Technik- und Fortschrittsangst. Hall, Echo und andere Produktionsmittel sind heute längst Standard, Sgt. Pepper gilt als wegweisend für die moderne, ambitionierte Popmusik. Klang soll wichtiger sein als Bedeutung? Klang ist Bedeutung, alter Freund! Goldstein lobt die bisher radikalsten Werke der Beatles – warum zum Geier gefällt ihm dann ihr radikalstes und bestes Album aller Zeiten nicht? Wir wollen ihm nicht unterstellen, ein Ewiggestriger zu sein, der sich nach Gute-Laune-Liedern sehnt. Aber der Autor nimmt hier eine verbissene Anti-Haltung ein, aus der er nicht mehr entkommt. Obwohl er auch lobende Worte übrig hat:

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A Day In The Life, tatsächlich der stärkste Song des Albums, ist für ihn ein Meisterwerk. Da stimmen wir zu. Haarsträubend ist allerdings, dass er den Rest „mittelmäßig“ nennt. Dieses Album war seiner Zeit so weit voraus, dass man es nur in Extremen beschreiben kann, aber wirklich nicht als Durchschnitt. Goldstein beklagt, dass die Beatles sich zurückgezogen hätten und sich im Studio vor der Welt verstecken. Tatsächlich beschloss die Band 1966, ein Jahr vor Sgt. Pepper, keine Konzerte mehr zu spielen, sondern sich auf die Aufnahmen zu konzentrieren. Fans waren am Boden zerstört, offenbar auch Richard Goldstein. Er verdammte die neue Mentalität der Beatles, die Möglichkeiten des Tonstudios und damit logischerweise Sgt. Pepper. Die Beatles haben aufgehört, für uns da zu sein? Falsch! Indem sie sich monatelang für dieses Album abgekapselten, konnten sie uns ihr vielleicht wichtigstes Stück Musik schenken.

10 Dinge, die ‘Sgt. Pepper’ von den Beatles möglich gemacht haben

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