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Popkultur

Die musikalische DNA von Aloe Blacc

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Viele kennen Aloe Blacc als diesen Neo-Soul-Sänger, der unbedingt einen Dollar braucht. Dabei vereint Egbert Nathaniel Dawkins III, wie der US-Amerikaner mit vollem Namen heißt, mehr Musikstile in seinem Sound als andere in ihrer gesamten Plattensammlung vorweisen könnten. Mit Salsa und Jazz ist er aufgewachsen, hat Trompete gespielt und ist erst dem Rap und dann Folk verfallen, bevor er seinen Weg in Richtung Soul einschlug und noch kurz in Brasilien für einen Samba Halt machte.


Höre dir hier die musikalische DNA von Aloe Blacc in einer Playlist an und lies weiter:


 

Und wer weiß, vielleicht wird aus Aloe Blacc eines Tages noch ein handfester Jazz-Sänger. Das würde er zumindest gerne mal probieren und vermutlich dürfte er das auch schaffen. Aloe Blaccs Talent ist schließlich mit keinem Dollarbetrag der Welt aufzuwiegen und seine musikalische DNA so weitreichend und vielseitig, dass sein Sound im Resultat schlicht einzigartig ist. Werfen wir also ein Ohr auf die Einflüsse des musikalischen Tausendsassas, hinter dessen vermeintlichem Feel-Good-Image sich ein politisch ausgesprochen engagierter Künstler verbirgt.


1. Luis Russell – Panama

Dancehall, Funk, Reggae, Psychedelic Rock – Aloe Blaccs Leidenschaften kennen keine Tellerränder, sondern nur Brücken zwischen den Genres. Das wurde ihm in die Wiege gelegt: Die Eltern des gebürtigen Kaliforniers kommen ursprünglich aus Panama, wo liebend gerne Salsa getanzt wird. »Patria Mia«, also »Mein Vaterland«, heißt folgerichtig ein Stück auf seinem Solo-Debüt Shine Through aus dem Jahr 2006. Ein Song, getränkt von den mitreißenden Rhythmen der Heimat und einer alles durchleuchtenden Sehnsucht. Ganz ähnlich wie »Panama« des Pianisten Luis Russell, der dem Vaterland ebenfalls den Rücken kehren und es doch nie vergessen sollte. Wie das eben so ist, wenn Louis Armstrong um Begleitung bittet – wer hätte da schon nein gesagt? Russell zumindest nicht, stattdessen feilte er an einer feurigen Synthese aus Jazz und lateinamerikanischen Klängen, die seine Landsmänner Mauricio Sith oder Victor »Vitin« Paz verfeinern sollten. Auch Blaccs musikalischer Weg sollte ihn in diese Gefilde treiben.


2. Dizzy Gillespie – Emanon

Denn schon in der dritten Klasse nahm sich der junge Egbert (zugegeben: ein Künstlername scheint da nur wichtig und richtig zu sein!) einem der wichtigsten Instrumente der frühen Jazz-Jahre an: Wie Russells Kumpane und (Quasi-)Namensvetter Louis Armstrong begann er Trompete zu spielen. Rückblickend bezeichnete er die Lehrstunden als ungemein prägend für seine musikalische Entwicklung. Dabei hatte er sich die nicht unbedingt ausgesucht, denn sein im Militär tätiger, über lange Strecken im Ausland stationierte Vater gab den entscheidenden Impuls und kaufte dem Filius seine erste Trompete, nachdem er zuvor auf einem Leihinstrument gespielt hatte. Ein erzwungenes Glück, erinnert sich Aloe Blacc: »Es nötigte mich dazu, mich ernsthaft damit auseinanderzusetzen«, gab er zu Protokoll. Nicht allein der musikalische Einfallsreichtum eines berühmten Trompeters sollte ihn später inspirieren, sondern auch dessen Geschick mit der Sprache: In High-School-Zeiten stieß Blacc auf das Stück »Emanon« von Dizzy Gillespie. Merkwürdiger Titel? Lest ihn rückwärts! Emanon sollte auch der Name von Blacc Rap-Projekt mit dem Produzenten Exile werden.


3. LL Cool J – I’m Bad
Aloe Blaccs Leidenschaft für Hip Hop wurde ebenfalls zu Grundschulzeiten angefacht. Wieder war es der Vater, der sich dafür verantwortlich zeigte. Tatsächlich sogar wäre es vielleicht ohne den Musikunterricht wohl nie soweit gekommen, dass Blacc eine CD des Rappers LL Cool Js in die Hände fallen sollte. Eigentlich nämlich sollte der Schüler zu Michael Jacksons »Bad« seine Tanzschritte vorzeigen. Im Plattenladen dann aber wusste der Papa nicht, welcher Song gemeint war und nahm neben der Jackson-Single auch ein LL Cool J-Album mit dem Titel Bigger And Deffer (kurz: BAD) mit. Zum Opener »I’m Bad« ließ sich immerhin genauso gut tanzen, wie LL Cool J im Video zum Song (LINK: https://youtu.be/oVDfyc2lh4Q) mit Bravur bewies. »The best rapper you’ve heard / is LL Cool J!«, behauptet eben jener selbst auf einem für seine Zeit pompösen Beat und für den beeindruckten Jungspund wird das wohl gestimmt haben: »In dem Sommer wurde ich der größte LL Cool J-Fan überhaupt«, schwärmte Blacc in einem Interview mit HipHop DX. Da sehen wir es mal wieder: Alle Irrungen und Wirrungen führen letztlich doch zu einem Ziel.


 

4. Joni Mitchell – Both Sides Now

Ein erklärtes Ziel von Aloe Blacc selbst ist übrigens ein unvergleichlich ambitioniertes: Eine Aufnahme in die Songwriters Hall of Fame! »Das wird schon eine 30-jährige Karriere brauchen«, gab er zu. »Das passiert nicht mal eben über Nacht, aber wenn ich keine richtig guten Songs schreibe und dem Handwerk nicht die notwendige Aufmerksamkeit zukommen lasse, werde ich mein Ziel nicht erreichen.« Als Vorbild dient ihm dabei kein Jazzer oder Rapper, sondern eine Folk-Sängerin: Joni Mitchell zählt zu Blaccs großen Idolen. Mit ihrem Song »Both Sides Now« machte sie zuerst die Sängerin Judy Collins bekannt, bevor Mitchell 1969 ihn auf ihrem zweiten Album Clouds in ihrer eigenen Version veröffentlichte. Auch das passierte keineswegs über Nacht, resultierte aber in der bis dahin größten Auszeichnung für die Songwriterin: Clouds gewann ihr einen Grammy für die beste Folk-Performance. Und Aloe Blacc? Zog 2015 nach, als sein Album Lift Your Spirit ebenfalls mit dem renommierten Preis gewürdigt wurde. Da allerdings der Kategorie »Best R&B Album«. Was aber sind schon Genres – Hauptsache, das Songwriting stimmt!


5. Elton John – Your Song

Je höher die Ansprüche, desto weniger Kompromissbereitschaft. Hip Hop, sagte Aloe Blacc einmal, habe ihm einiges über viele verschiedene Stile beigebracht. »Salsa, Classic Rock, Soul Music, Jazz… All das war Teil meiner Hip Hop-Bildung!« Vor allem aber wollte er auf seinen ersten Solo-Produktionen mit songwriterischen Qualitäten glänzen, die ihn hervorstechen ließen. Als er nach zwei EPs von Chris Manak (besser bekannt als Peanut Butter Wolf) entdeckt wurde und 2006 auf dessen Label Stones Throw sein Debüt Shine Through veröffentlichte, markierte das den Beginn seiner Karriere als Sänger. »Mir war nicht wohl mit dem Status von Hip Hop als Ausdruck des eigenen Egos«, erklärte er seinen Stilwechsel in Richtung eines ambitionierten Sounds, der seine Wurzeln im Hip Hop jedoch beibehalten sollte. Mit Verweisen an große Songwriter sparte er aber dennoch nicht: 2013 zitiert er im ebenso stolzen wie selbstkritischen »The Man« Elton Johns unsterblichen Hit »Your Song«. Und wie heißt es in dem doch so schön an anderer Stelle: »My gift is my song and this one’s for you.« Von wegen Ego!


6. Milton Nascimento – Dancing…

Tatsächlich ist Aloe Blacc nicht nur ein einfühlsamer Sänger, sondern auch ein engagierter Philanthrop im besten Sinne des Wortes. Er setzt sich für die Rechte für MigrantInnen ein, versucht durch wohltätige Aktionen die Gefahr von Malaria einzudämmen und trug 2011 gleich drei Songs zur Compilation Red Hot + Rio 2 bei, deren Erlöse an die New Yorker AIDS-Hilfeorganisation Red Hot gingen. Sicherlich kein Zufall, dass einer dieser Songs eine Neuaufnahme seines Stücks »Nascimento (Birth) – Scene II« von Shine Through mit elektronischem Samba-Flair war. »Nascimento« bedeutet nicht nur »Geburt« in der brasilianischen Amtssprache Portugiesisch, sondern ist auch der Name eines Künstlers, der bereits 1996 auf der ersten Red Hot + Rio-Compilation vertreten war. Milton Nascimentos sanftes Gitarrenspiel und seine schleifender, leidenschaftlicher Gesang auf Stücken wie eben jenem Sampler-Beitrag, »Dancing…«, standen ganz eindeutig Pate für die »Rebirth«-Version des Blacc-Klassikers.


7. Bill Withers – Use Me

Überraschend ist Aloe Blaccs soziales Engagement allerdings keineswegs: Was so ein echter Soul-Sänger ist, der interessiert sich für weitaus mehr als den eigenen Bauchnabel oder unerwiderte Liebschaften. Sly Stone, Curtis Mayfield und natürlich Marvin Gaye hatten es schließlich vorgemacht. Was selbstverständlich nicht heißt, dass es seiner Musik an emotionaler Strahlkraft mangeln würde! Für die sanften und sehnsüchtigen Töne hat er in Bill Withers (»Ain’t No Sunshine When She’s Gone«, »Lean On Me« oder »Just the Two of Us«) einen Lehrmeister gefunden, den er 2015 sogar öffentlich interviewen durfte (LINK: https://youtu.be/H5MW8vQpjks). Eine besondere Ehre – allein schon deswegen, weil Withers sich nur selten der Öffentlichkeit stellt und lieber durch seine Songs tiefe Einblicke zulässt. Wenn das denn aber so einfach wäre: Auf die Frage hin, worum es in seinem Song »Use Me« geht, wich Withers aus. »Könnte ja auch von einem Typen handeln, der auf Jobsuche ist«, grinste er. Woran er gedacht habe, als er den Song schrieb? »Na, daran!« Wir merken: Withers gibt sich gerne doppeldeutig. Obwohl es in »Use Me« doch nur um das Eine gehen dürfte…


8. The Velvet Underground & Nico – Femme Fatale

À propos wilde Leidenschaften: 2010 verblüffte Aloe Blacc auf seinem Durchbruchsalbum Good Things mit einer Coverversion von einem absoluten Klassiker der Pop-Geschichte: »Femme Fatale« von The Velvet Underground & Nico. Alles andere als eine leichte Aufgabe! Denn wer kann schon mit der kehligen, entrückten Stimme einer Nico Päffgen konkurrieren? Versucht haben es zumindest einige, meistens allerdings ging das nur bedingt gut. Da ist es doch beruhigend, dass sich Blacc auf seine Kernkompetenzen besonnen hat und aus dem Klassiker vom »Bananen-Album« schmelzigen Soul extrahiert. Passt doch, schließlich geht es darin um die Obsession Andy Warhols mit dem Model Edie Sedgwick. Oder? Sagen wir so: Nicht allein ein Bill Withers kann doppeldeutig sein! Hinter dem vermeintlich harmlosen Cover verbirgt sich eine politische Bedeutungsebene, die Good Things prägt. »Das Album dreht sich zu überwiegenden Teilen um meine Beziehung mit Amerika«, erklärte Aloe Blacc dem britischen Telegraph gegenüber. »Die ‘Femme Fatale’ ist die Freiheitsstatue, die auf viele Fremde so einladend wirkt und doch scheitert der Großteil von ihnen und wird zurückgeschickt.« Ein ebenso subtiler wie subversiver Twist!


9. Pharrell Williams – Happy

Sehr eindeutige Worte hingegen fand Aloe Blacc 2013 auf Lift Your Spirit, wo etwa der Song »Ticking Bomb« mit deutlichen Worten vor der Katastrophe warnt: »So keep your calm and carry on / The whole world’s sitting on a ticking bomb / And it’s about to explode«. Handeln ist gefragt! Ist es aber damit erledigt, eine Zeile wie »love is the answer« in die Welt hinauszuträllern? Das zumindest tut der von Pharrell Williams produzierte gleichnamige Song auf Lift Your Spirit noch wenige Nummern vorher. »Ich bin natürlich happy, dass ich für den Song, der eine derart positive Botschaft transportiert, so einen fantastischen Produzenten wie Pharrell gewinnen konnte«, schwärmte Aloe Blacc damals in einem Interview. À propos »Happy«: Zwei Jahre später auf den Erfolg des sogenannten Feel-Good-Souls angesprochen, verteidigte er die fröhlichen Sounds, zeigte sich aber auch kritisch: »Zu viel davon wird über den Tag verteilt monoton. Wenn du alles beisammen hast und nüchtern, bei Vernunft und bewusst bist, brauchst du auch Musik, die diese Mentalität stützt«, betonte er. Pharrells Ohrwurmgarant »Happy« mag damit nicht gemeint sein, aber genau das macht einen großen Künstler doch ebenfalls aus: Dass er genau weiß, was er nicht will.


10. Rapsody – Thank You Very Much

Wer sich anderen gegenüber stark zeigt, hilft ihnen bisweilen, es selbst zu werden. »Go ahead and tell everybody / I’m the girl, I’m the girl, I’m the girl«, beginnt die Video-Version (LINK: https://youtu.be/3Ri6IVywUnU) von Rapsodys Song »Thank You Very Much« in Anlehnung an Blaccs »The Man«. Es ist die Empowerment-Hymne einer jungen Rapperin, die sich von den negativen Stimmen nicht zur Umkehr überreden ließ, sondern ihren Weg verfolgte. »Glad you gave a fuck«, jubiliert sie ihren Fans gegenüber und meint damit womöglich auch jene, die sie selbst inspiriert haben – wie Aloe Blacc. Denn obwohl der sich am Anfang seiner Solo-Karriere weitestgehend vom Rap verabschiedete, beeinflusst er nun selbst junge MCs, wie er selbst einst für seine Rhymes Vorbilder in den großen Soul-Stimmen gesucht hatte. Rapsody wiederum kann sich einen Shoutout an die Most Dope Family von Überflieger Mac Miller ebenfalls nicht verkneifen. Der wiederum war selbst auf einem Remix von »I Need A Dollar« zu hören. So breit die Interessen Aloe Blaccs eben sind, sein Einfluss ist umso weitgreifender.


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