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Popkultur

Die musikalische DNA von Queen

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Kaum eine Rockband hat einen dermaßen großen Einfluss auf die Popwelt gehabt, kaum eine Band war dermaßen schwierig zu kopieren: Queen. Niemand konnte dem Quartett in ihren Hochzeiten in Sachen Komposition, Arrangement und Einfallsreichtum das Wasser reichen. Viele kritisierten sie aber auch als angeblich verwässerte Version ihrer Prog-Rock-Kollegen. Der Erfolg aber gab ihnen Recht. Mit dem Tod ihres Frontmanns Freddie Mercury, einer der markantesten Stimmen der Rock-Geschichte, schien die Karriere des Quartetts jedoch endgültig besiegelt.


Hört hier in den Soundtrack zu Bohemian Rhapsody rein:

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Doch Brian May, Roger Taylor und John Deacon dachten nicht ans Aufgeben und arbeiteten langsam, aber beharrlich am Vermächtnis des Lebensprojekts Queen, das sich musikalisch treu bleiben sollte und doch in Bewegung blieb. Mit Paul Rodgers und zuletzt Adam Lambert wurden Sänger gefunden, die Mercury explizit nicht ersetzen sollten und mit Queen Extravaganza casteten sich die Originalmitglieder sogar eine Cover-Band zusammen, die ihren musikalischen Ansprüchen genügen würde. Worauf diese sich wiederum stützen, sehen wir mit Blick auf die musikalische DNA der Band!


1. David Bowie – Space Oddity

Alle fangen mal klein und da machen auch zwei Giganten keine Ausnahme. David Bowie etwa brauchte eine Weile, um sich zu etablieren. Hilfreich war ein Identitätswechsel Ende der sechziger Jahre, der glücklicherweise auch mit einem neuen Haarschnitt einherging. Das zweite, unter diversen Titeln bekannte Bowie-Album mit Klassikern wie Space Oddity stellte ihn 1969 einer breiteren Öffentlichkeit vor und brachte ihm ein wenig Kleingeld ein. Das gab er der Legende nach auf dem Kensington Market in London dafür aus, sich ein Paar neue Stiefel – so eine Frisur alleine macht ja noch kein neues Image! – anfertigen zu lassen. Ein Job für Farrokh »Freddie« Bulsara, der später auch einen Imagewandel vollzog oder sich zumindest einen neuen Nachnamen verpasste: Mercury. Seine Karriere machte aus dem Stiefelschuster einen Millionär und brachte ihn viele Male erneut mit Bowie zusammen. So auch 1981, als die beiden eines der ikonischsten Duette der Pop-Geschichte aufnahmen. Die isolierten Vocals von Under Pressure sind ein Gänsehautgarant. Worüber sich die beiden an diesem Tag auf dem Kensington Market allerdings unterhalten haben, das verschweigt der Mythos um das erste Zusammentreffen dieser beiden Genies.


2. Black Sabbath – Heaven and Hell

À propos Bowie: »Queen ist entweder die Zukunft des Rock’n’Roll oder ein Bündel von Tunten im Delirium, die versuchen, auf den Bowie-Zug aufzuspringen während sie Black Sabbath richtig schlecht verarschen«, las sich zu Queen-Anfangstagen eine vernichtende Kritik im britischen Musikmagazin Melody Maker. Dass Bowie ein Einfluss ist, wissen wir ja nun und dass sich Gitarrist Brian May ein paar Kniffe von Black Sabbath-Gitarrist Tommy Iommi abgeschaut hat, liegt auch auf der Hand. »Iommi hat einen unendlichen Vorrat an unglaublichen Riffs«, schwärmte May einmal. »Keine Ahnung, wie der das hinkriegt! Heaven and Hell zum Beispiel. Du denkst dir da ‘Mann, wieso bin ich nicht drauf gekommen?’, wenn du so ein tolles Riff hörst – weil es so simpel ist!« Auch aus den alten Helden wurden eines Tages neue Kollegen: Auf dem 1989 veröffentlichten Sabbath-Album Headless Cross war Mays Gitarrenarbeit auf dem Song When Death Calls zu hören und wir alle warten ja noch auf das gemeinsame Album von Tommy Iommi mit May, das im Jahr 2013 angedeutet wurde…


3. The Who – A Quick One, While He Is Away

Drummer führen häufig ein Schattendasein, obwohl ohne ein treibendes Schlagzeugspiel so ziemlich jeder Rock-Song dünn klänge. Roger Taylor hat für Queen sogar einige Hits wie etwa Radio Ga Ga und A Kind Of Magic geschrieben. Die aber hätte es fast nie gegeben, denn im Gründungsjahr von Queen suchte eine andere britische Band gerade einen neuen Schlagzeuger. Taylor aber interessierte sich eher für das neue Projekt mit dem Kollegen aus der Band Smile – einem gewissen Brian May – und schlug das Angebot aus. Die Band fand aber guten Ersatz in einem gewissen Phil Collins, denn die Rede ist natürlich von Genesis. Taylors Idol war der Schlagzeuger einer Band, die ähnlich dichte Narrative um ihren ambitionierten Sound strickte wie die Prog-Rocker: Keith Moon von The Who findet er immer noch »absolut brillant! Ich sah ihn 1965 oder 1965 mit The Who, es war toll«, erinnerte sich Taylor. »The Who waren eine ungeheuerliche Band – echte Energie, echte Kunst. Ich habe sie geliebt. Ich meine… Die eigenen Instrumente zu zerlegen, das war damals unerhört!« Queen scheinen sich dagegen fast wieder brav auszunehmen, in Sachen Talent aber konnte Taylor mit dem – wortwörtlich gesprochen – explosiven Spiel eines Moon durchaus mithalten. Obwohl eine Performance wie auf A Quick One, While He Is Away von The Kids Are Alright natürlich ihresgleichen sucht.


4. Deep Purple – Concerto for Group and Orchestra – Second Movement: Andante

Wo wir schon bei Black Sabbath und Queen waren: Eines der größten Staraufgebote des Hardrock-Universums war auf einer Interpretation von Smoke On The Water der Band Deep Purple zu hören. Neben Brian May und Tommy Iommi fanden sich auch David Gilmour von Pink Floyd, Alex Lifeson von Rush, Chris Squire von Yes sowie Deep Purple-Mitglied Richie Blackmore für die Charity-Single zusammen – und das allein an der Gitarrenfront! Nicht der einzige Querverweis zwischen Queen und Deep Purple allerdings. Bassist John Deacon erlebte ein Schlüsselmoment, als Deep Purple nur wenige Monate nach seinem Einstieg bei Queen im Juni 1969 ihr legendäres Projekt Concerto for Group and Orchestra aufführten, ein Hybridprojekt zwischen ausschweifendem Rock und bittersüßer klassischer Musik, wie sie auch fester Teil des Queenschen Repertoires wurde. »Es war eine großartige Nacht«, erinnerte sich Richard Frew, der mit Deacon in der Band The Opposition gespielt hatte. »Wir waren total davon verzaubert, vom Orchester und dem Auftritt. Wir waren uns sicher, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.« Nur wenige Jahre später erlebte eine neue Generation ganz ähnliche Erweckungsmomente auf Queen-Konzerten.


5. Pyotr Ilyich Tchaikovsky – Festival Ouverture in E-Flat Major, Op. 49 “1812 Ouverture”

Deacon ist keineswegs das einzige Queen-Mitglied, das eine Leidenschaft für klassische Musik in die Band mit einbrachte. »Wir wurden dazu gezwungen, uns klassische Musik anzuhören und dann zu erzählen, was sich dazu alles denken ließe«, erinnerte sich ein immer noch recht grummeliger Brian May in einer Biografie von Laura Jackson an seine Schulzeit an der Hampton Grammar School. Zum Glück traumatisierte das den jungen May nicht, sondern schärfte vielmehr sein musikalisches Verständnis. Heute zumindest hat er einiges zu erzählen, wenn es um klassische Musik geht. »Du wirst lachen«, vertraute er einem Interviewer mal im Gespräch über den von ihm komponierten Soundtrack zum Kurzfilm Les Diableries an, der auf satanischen Bilderstrecken aus den 1860er Jahren basiert. »Das ist eine Version der Ouvertüre 1812! Natürlich weil die Marseillaise darin enthalten ist, die wiederum als Ehrerbietung an Napoleon geschrieben wurde und weil das zu dieser Zeit nicht gut angekommen wäre. Weshalb es doch umso angemessener scheint, dass der Teufel diese Musik spielt und sogar ein bisschen Gitarre hinein gemogelt wird.« Das also lässt sich zu Tchaikovsky alles denken!


6. The Beatles – A Day In The Life

Was Queen so besonders macht, ist ihr Verständnis von komplexen Kompositionstechniken einerseits und ihr Gefühl für großartige Pop-Ohrwürmer. Das beste Beispiel dafür mag vielleicht die Bohemian Rhapsody sein, deren vertrackte Struktur sofort in die Nackenmuskulatur geht. In seiner ersten Version übrigens trug der Song einen wesentlich weniger schmucken Titel: The Cowboy Song klingt bei weitem nicht so gut, oder? Die Zeile »Mama, just killed a man…« allerdings trug Mercury bereits seit 1968 mit sich herum und fand partout nicht die richtige Musik dazu. Stattdessen sang er sie über ein anderes Stück: A Day In The Life von den Beatles! Im direkten Vergleich fallen die Parallelen sofort auf, auf rein kompositorische Kniffen allerdings blieb die Inspiration nicht beschränkt. »Die Beatles waren unsere Bibel, wenn es um den Umgang mit dem Studio ging«, betonte May. »Wie sie regelrechte Bilder malten und dieser wundervolle, instinktive Umgang mit Harmonien.« Für ihre Harmoniearbeit wurden schließlich auch Queen berühmt und stritten ab, in dieser Hinsicht von den großen Beatles-Konkurrenten aus den USA, den Beach Boys, beeinflusst worden zu sein. »Die Beach Boys waren wundervoll, für uns aber waren es immer die Beatles«, so May.


7. Michael Jackson – Don’t Stop ‘Til You Get Enough

Was so eine echte Queen ist, muss doch früher oder später ihren King finden. Genauer gesagt ihren King of Pop – Michael Jackson! Nachdem der 1980 ein Konzert in Los Angeles besucht hatte, überredete er die Band begeistert, einen ganz bestimmten Song als Single zu veröffentlichen. Natürlich sollte er Recht behalten. Another One Bites The Dust wurde zu einem der größten Queen-Erfolge. Was ein toller Pop-Song mit treibenden Stampf-Rhythmen und funkigen Gitarrenriffs alles erreichen kann, hatte Jackson im Vorjahr allein mit Don’t Stop ‘Til You Get Enough bewiesen. 1983 übrigens fanden sich Mercury und Jackson im Studio zusammen, um ein Duett aufzunehmen, der aber nicht wie angedacht auf dem Solo-Debüt Mercurys, Mr. Bad Guy, erscheinen sollte. Offiziell veröffentlicht wurde es erst 2014 nach zähen Verhandlungen mit den Erben des Jackson-Vermächtnisses, wie May genervt in den Interviews zu Protokoll gab. Das Ergebnis? Leider enttäuschte Fans auf beiden Seiten. There Must Be More To Life Than This wurde im Vergleich zur Originalversion als ungleich schwächer kritisiert. Die Schuld daran aber wurde nicht etwa den beiden Sängern, sondern den Arrangeuren der neuen Version zugesprochen. Vielleicht dürfen wir aber ja eines Tages die Original-Tapes hören.


8. Donna Summer – I Feel Love

Wie so viele andere Bands ihrer Generation ließen sich auch Queen vom Disco-Fieber packen. Ihr Album Hot Space nahmen sie sogar in München auf, der damaligen Disco-Hauptstadt Europas. Dort schufen die US-amerikanische Sängerin und der Italiener Giorgio Moroder einen sterilen, elektronischen Sound, der unvergleichlich verführerisch war. I Feel Love aus dem Jahr 1976 war eine bahnbrechende Komposition, nicht allein ihrer ungewöhnlichen Länge von über acht Minuten wegen. Die drückende Sequenz, der mechanische Beat und Summers laszive Performance verschmolzen zu einer Art Blaupause für Euro Disco und US-amerikanische House Music. Vor allem wurde dazu auch in München gefeiert, was sich wiederum auf Queen niederschlug. Denn Mercury ging gerne feiern. »Wer war eigentlich die größere Diva – Donna Summer, Barbra Streisand oder doch Freddie Mercury?«, fragte der SPIEGEL vor wenigen Jahren Giorgio Moroder und dessen Antwort fiel eindeutig aus: »Freddie, ganz klar«, sagte er. »Bei Freddie war das Problem, dass er als Sänger, Pianist und Komponist so gut war, dass er sich überhaupt nichts sagen ließ. Er konnte manchmal ein bisschen überheblich sein.« Zusammen auf Partys seien die beiden aber nicht gegangen – mit Donna Summer allerdings ließ sich Mercury gerne blicken.


9. Aretha Franklin – Respect

Nicht nur I Feel Love wurde zu einem maßgeblichen Hits der Schwulenszene, auch Aretha Franklins Bitte um ein kleines Bisschen mehr R-E-S-P-E-C-T wurde zur Empowertment-Hymne der LGBTIQ-Community. Mercury hingegen musste sich für sein exzentrisches Auftreten ziemlich viele Respektlosigkeiten anhören und ging vielleicht deswegen etwas vorsichtiger mit seiner eigenen Sexualität um, die er erst Mitte der siebziger Jahre auszuleben begann. Woraus er allerdings keinen Hehl machte, war seine Verehrung für eben jene Aretha Franklin. »Aretha Franklins Phrasierungen sind wundervoll«, schwärmte er. »Ich wünschte, ich könnte so singen. So wunderschön, so mühelos. Sie singt wie ein Traum, als müsse sie gar nicht nachdenken.« Das genau Gegenteil des verkopften Mercurys, sagte er selbst. Versucht aber hat er es: Gospel-Elemente fanden sich zum Beispiel im Song Somebody To Love, bei dem sich Mercury laut eigener Aussage etwas bei Franklin bedient hat. Auch das eine Form von Respekt, oder?


10. Katy Perry – I Kissed A Girl

So abwechslungsreich die Einflüsse von Queen selbst waren, so weit reicht der Einfluss der Band. Als Brian May im Jahr 2011 den Global Icon Award im Rahmen der MTV Europe Music Awards entgegen nahm, tat er das aus den Händen von… Katy Perry? Die mit dem I Kissed A Girl-Song? Ja, genau. Die ist bei Fans dafür bekannt, auf Konzerten gerne Queens Don’t Stop Me Now zu covern und nennt Killer Queen als Hauptinspiration für ihre Karriere – sogar ihre Parfümserie benannte sie nach dem Stück! »Mein größter musikalischer Einfluss ist diese Band namens Queen«, gab sie schon 2008 zu Protokoll. »Ich habe einen Freddie Mercury-Schrein!« Mercury lobte sie einerseits für sein flamboyantes Auftreten und andererseits für seine Arbeitsmoral. Vor allem aber seine Bühnenpräsenz hat es der – allerdings doch etwas zu spät geborenen – Sängerin angetan. »Er vermittelte allen das Gefühl, dabei zu sein!« Gerüchte, laut denen sie die Ex-Freundin Mercurys in einem geplanten Biopic spielen würde, dementierte sie allerdings – obwohl das sicher ein Traumjob für sie gewesen wäre. Blieb immerhin die Award-Zeremonie, auf der Queen mit Adam Lambert ihren anderen Favoriten, Don’t Stop Me Now zum Besten gaben. Allerdings auch das ohne Perry.


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