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Popkultur

Die musikalische DNA von The Smashing Pumpkins

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By Schnékert [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons

Größer als Billy – pardon: William Patrick – Corgans Ego ist nur eins: sein Backkatalog. Kaum ein anderer Musiker seiner Generation war dermaßen produktiv. Seine schönsten Songs hat Corgan, der mittlerweile eher unangenehm durch politische Ausfälle und Verschwörungstheorien auffällt, allerdings früh in seiner Karriere geschrieben. Mit den Smashing Pumpkins gründete er 1988 eine Band, die den US-amerikanischen Alternative Rock voran brachte, indem sie immer anders als der Rest war. Die Kritik quittierte das nur leider mit Schubladendenken. „Wir sind von ‚die nächsten Jane‘s Addiction‘ zu ‚den nächsten Nirvana‘ geworden und mittlerweile sind wir ‚die nächsten Pearl Jam‘“, schäumte ein erboster Corgan schon 1993.


Hört euch hier einen Vorgeschmack der musikalischen DNA von The Smashing Pumpkins an:

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Mit etwas zeitlichem Abstand allerdings wurde deutlich, dass die Smashing Pumpkins immer ihren eigenen Weg gingen. Vor allem Corgan, der die Mitglieder seiner Band – James Iha, Jimmy Chamberlin, D’arcy Wretzky, Jeff Schroeder, Melissa auf der Maur, Mike Byrne und Nicole Fiorentino standen mit ihm zu unterschiedlichen Zeiten auf der Bühne und im Studio – wie ein kleiner Diktator behandelte. Wie es eben so ist mit Menschen, deren Visionen bisweilen größer sind als sie selbst. Das Ergebnis immerhin stimmte immer: Die Smashing Pumpkins lösten eine Revolution aus und waren die vielleicht ambitionierteste Rock-Band der neunziger Jahre.

Im Jahr 2018 fanden sich mit Corgan, Iha und Chamberlain zumindest drei der Originalmitglieder – warum Wretzky nicht dabei war, darüber haben beide Seiten verschiedene Ansichten – für eine Reunion zusammen, um eine der wichtigsten Bands unserer Zeit zu reaktivieren. Doch was machte die zahlreichen Alben und Singles der Smashing Pumpkins eigentlich so anders als die Musik ihrer Zeitgenossen? Verraten kann uns dies ein Blick auf die musikalische DNA der Band! Heraus kommt ein mehr als buntes Potpourri aus Einflüssen…


1. Black Sabbath – Black Sabbath

Denn wer hätte schon ahnen können, dass ausgerechnet die britischen Metaller von Black Sabbath eine Band wie die Smashing Pumpkins erst möglich gemacht haben? „Ich bin acht, ich lege das Black Sabbath-Album auf und mein Leben ist auf einen Schlag ein anderes“, erinnerte sich Corgan an den denkwürdigen Moment, in welchem er sich für ein Leben als Musiker entschied. „Es klang so verfickt heavy. Es schüttelte meine Knochen durch. Ich wollte genau dieses Gefühl.“

Noch heute vermuten viele die Wurzeln der Band im Punk-Sound der späten Siebziger, doch Corgan widerspricht vehement. Sein Vater brachte ihn mit Musik in Berührung und war selbst ein versierter Gitarrist. Von ihm lernte der kleine William Patrick, echtes Können zu schätzen. Neben Black Sabbath und Judas Priest nannte er Dimbag Darrell von Pantera als seine größte Inspiration, geht es um die sechs Saiten, die die Welt bedeuten. Das hallt in Songs wie Zero nach, den die Pumpkins als „Cybermetal“ kategorisierten.


2. The Cure – A Night ike This

Der Metalhead und Gothic-Rocker fand in Iha einen unerwarteten musikalischen Partner. Der Gitarrist nämlich kleidete sich in psychedelische Paisley-Muster und fiel durch sein exaltiertes Auftreten auf. Doch gemeinsam fanden sie einen Nenner in der Post-Punk- und New Wave-Musik aus England. Neben New Order waren es vor allem The Cure, die die beiden bei ihren Songwriting-Versuchen mithilfe einer Drummachine inspirierten. Nachdem sie D’arcy Wretzky am Bass rekrutierten, überredete sie der legendäre Chicagoer Clubbetreiber Joe Shanahan dazu, sich einen echten Schlagzeuger zuzulegen. Jimmy Chamberlin war schnell gefunden.

Mit dem Einzug des Jazz-Trommlers änderte sich der Stil der Band – Achtung, Kalauer! – schlagartig. „Wir standen total auf Sad-Rock, diese Cure-Sachen“, erinnerte sich Corgan. „Es brauchte dann zwei oder drei Proben, bevor mir aufging, dass die Kraft seines Spiels uns ermöglichte, härter zu rocken als je zuvor.“ Die Leidenschaft für Robert Smith und seine Band verließ Corgan jedoch nie, obwohl dieser ihm – angeblich nach einem Anbahnungsversuch – mal auf die Füße kotzte. Neben einem Bee Gees-Cover, das beide als Duett aufnahmen, spielten die Pumpkins gerne ihre Version von The Cures A Night Like This auf.


3. Hüsker Dü – What’s Going On

Der düstere Metal von Black Sabbath hier, der nachtschattige „Sad-Rock“ von The Cure hier: Nein, wirkliche Stimmungskanonen waren die Pumpkins nun wirklich nicht. Irgendwo zwischen Siouxsie and the Banshees, Bauhaus und Depeche Mode fand sich in ihrer Plattensammlung jedoch auch der – etwas – lebensbejahendere Pop-Punk von Hüsker Dü wieder. Was Bob Mould, Grant Hart und Greg Norton auf ihrem Zweitwerk Zen Arcade ablieferten, prägte eine ganze Generation. So auch die Smashing Pumpkins.

Nicht wenige meinen, die Band hätte sich bei der markanten Bassline des Songs What’s Going On bedient, als sie ihren Überhit 1979 schrieben. Wir verweisen stattdessen mal lieber auf Point des komplett untergegangenen Trios Sometime Sweet Susan… Nein, was sich Corgan, Iha, Wretzky und Chamberlin von Hüsker Dü abschauten, war keine einzelne Melodie, sondern die Dynamik, mit welcher das Trio seine Songs schrieb. Erschütternd leise und sanft in einem Moment, plärrend laut und aggressiv im nächsten. Das sollten viele Grunge-Bands ähnlich machen, doch zu denen wollten die Pumpkins nie gehören.


4. Boston – More Than a Feeling

Wie ginge das denn auch? Grunge schließlich wollte erklärtermaßen mit den alten Rock-Konventionen brechen. Flanellhemd statt Spandexfummel! Doch wie gesagt: Dazu gehörten die Pumpkins nicht. Bob Mould von eben jenen Hüsker Dü nannte die Band sogar einmal die „Grunge-Monkees“ und meinte das auf mehreren Ebenen nicht freundlich, Überproduzent Steve Albini verglich sie sogar mit REO Speedwagen: „stilistisch für die aktuelle College-Party-Szene angemessen, letzten Endes aber unbedeutend.“ Autsch! Das tat weh! Oder?

Nein, nicht Corgan. „Du scheinst ziemlich locker damit umzugehen, dass viele deiner Einflüsse von manchen Menschen nicht unbedingt als cool angesehen werden…“, sprach ihn zögerlich ein Interviewer an. „Ja. Boston, ELO“, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. „Wenn du weißt, dass du sowieso nie als cool gelten wirst, kannst du auch gleich die Wahrheit erzählen.“ Das sitzt! Für uns trotzdem eine merkwürdige Vorstellung, wie Corgan zu More Than a Feeling das Autoradio aufdreht…


5. Cheap Trick – I’ll Be With You Tonight

Vom satten Siebziger-Rock lernte Corgan indes nicht nur ein paar Lektionen der Sorte „Es gibt nur cool, uncool und wie du dich fühlst“, sondern einige Dinge in Sachen Studioarbeit. Mit der noch heute als bestes Pumpkins-Album gehandelten LP Siamese Dreams lieferte die Band einen Meilenstein des Neunziger-Rocks ab. Stücke wie Soma haben bis zu 40 verschiedene Gitarrenspuren. Mehr ist mehr! Vorbild waren Künstler und Bands wie David Bowie, Queen, Electric Light Orchestra und Cheap Trick.

Die Band begeisterte vom Robin Zander Corgan schon in Kindestagen. „Cheap Trick – das war einer meiner Haupteinflüsse in Sachen Vocals“, erinnerte er sich. „Obwohl [Bassist] Tom Petersson mir einmal erzählte, dass [Gitarrist] Rick Nielsen uns ‚tonlos und unmelodiös‘ nannte.“ Armer Billy! Neben dem mächtigen Sound der Band und den Gesangmelodien von Sänger Robin Zander übrigens ließ sich Corgan von gleich zwei Songs der Band inspirieren, als er den unsterblichen Pumpkins-Klassiker Tonight, Tonight schrieb: I’ll Be With You Tonight und Thirty-Three.


6. Jane‘s Addiction – Jane Says

Metal, Goth, Punk, fetter Stadion-Rock: Keine Sorge, es gibt in der musikalischen DNA von den Pumpkins noch mehr zu entdecken. Unbedingt fröhlicher wird es jedoch nicht. Zumindest aber frivoler. Jane‘s Addiction gründeten sich drei Jahre vor den Pumpkins in Los Angeles und traten sofort Wellen der Begeisterung los. Ihr Sound war so farbenfroh wie Ihas Oberteile, doch gingen die Texte vom flamboyanten Frontmann Perry Farrell ans Eingemachte. Von traurigen Prostituierten und anderen Absonderlichkeiten sang er mit einer Stimme, die ähnlich schief und krächzig klang wie die Corgans.

Kein Wunder, dass die Pumpkins sich von Anfang an Vergleiche gefallen mussten. Immerhin aber war das Verhältnis beider Bands ein freundschaftliches. Nach Veröffentlichung von Gish tourten Corgan und seine Mitstreiter mit Guns N’ Roses, den Red Hot Chili Peppers und eben jenen Jane’s Addiction, bei denen Chili Peppers-Bassist Flea von der Partie war. Keine gute Zeit für die Band: Iha und Wretzky beendeten ihre Beziehung und Chamberlin fiel den Drogen anheim. Vielleicht hatten sie Songs wie Jane Says einmal zu oft hören müssen…


7. Nirvana – Smells Like Teen Spirit

À propos Tourleben: Zeitgleich zur Veröffentlichung von Gish waren Sonic Youth on the road in Europa, der dazugehörige Doku-Film trug den bedeutungsschwangeren und mehrdeutigen Titel 1991: The Year Punk Broke – das Jahr, in dem Punk kaputt ging oder aber das Jahr, in dem Punk seinen Durchbruch feierte. Darin zu sehen waren unter anderem Nirvana, die dank Sonic Youth-Bassistin Kim Gordon im Vorjahr ihren ersten Vertrag unterschreiben konnten. Corgan hat ein schwieriges Verhältnis mit Kurt Cobains Band. „Wir können alles in prä-Nirvana und post-Nirvana einteilen“, sagte er nach dem Tod der Grunge-Ikone. „Zumindest meine Generation und alle um mich herum.“ Da schwang zwischen den Zeilen auch etwas Verbitterung mit.

Cobain und Corgan kannten einander nicht, und doch habe ihn der Kollege nicht gemocht, erzählte Corgan im selben Interview. „Auf eine verrückte Art und Weise waren wir Erzfeinde. Wir repräsentierten das Yin und Yang ein und derselben Sache“, orakelte er. „Seine Sache kam aus dieser negativen Angstwelt, meine eher aus diesem verspaceten Ich-lieb-dich-Ding. Ich weiß schon, dass viele das in mir überhaupt nicht sehen wollen, aber es gibt da eine merkwürdige Verwandtschaft.“ Das ist vielleicht die schönste Erklärung der Gemeinsamkeit beider Frontmänner, die so unterschiedlich wirkten und doch ihre Zeit prägten wie kaum jemand anderes.


8. My Bloody Valentine – Only Shallow

In musikalischer Hinsicht waren Nirvanas Tour-Buddys von Sonic Youth wohl schon eher inspirierend für die Pumpkins. Allgemein mochten sie es ja schon immer gern laut und noisy. Da kam der Shoegaze-Hype aus Großbritannien und Irland gerade recht. Als die Band ihr Meisterwerk Mellon Collie and the Infinite Sadness aufnahm, holte sie sich nicht nur Inspiration bei jeder Menge Rock-Bands aus den Siebzigern.Sie luden auch Alan Moulder als Ko-Produzenten ein, der bereits bei Siamese Dream beim Mixing aushalf und später bei Machina/The Machines of God Hand anlegte.

Auf Moulder aufmerksam wurde die Band durch seine Arbeit mit The Jesus and Mary Chain, Ride und My Bloody Valentine, deren frühe Alben er als Studiotechniker begleitete. Mit Loveless schrieb die Gruppe um Kevin Shields das Shoegaze-Album überhaupt. Musik, die so laut und doch so zart war, wie Corgan es von seiner eigener stets erhofft hatte. „Ich konnte einfach nicht verstehen, wie sie diesen Sound hinbekamen“, jammerte er verzweifelt. Selbst konnte er nie nachziehen. Mit Moulder aber fand er zumindest einen Partner, der ihn näher an sein Ideal von der perfekten Platte bringen konnte.


9. Nine Inch Nails – Mr. Self Destruct

Die satten Texturen, die My Bloody Valentine auf Loveless hinbekamen, begeisterten Corgan und seine Band ebenso wie die elektronischen Elemente, die in den späten Neunzigern in ihre eigene Musik einflossen. „Die Zukunft gehört der elektronischen Musik“, bekräftigte Iha 1996. „Es scheint unendlich langweilig, nur Rock zu spielen.“ Insbesondere der Industrial Rock von Nine Inch Nails-Mastermind Trent Reznor war eine wichtige Referenz. Wieder ist Alan Moulder der missing link zwischen den bei Genies. Seit The Downward Spiral aus dem Jahr 1994 wich er im Studio nicht von Reznors Seite. Eine perfekte Symbiose.

1997 erschienen beide Bands mit Beiträgen auf dem Soundtrack von Lost Highway, dem irren Psycho-Thriller von David Lynch. Doch Mr. Self Destruct Trent Reznor, der dem Soundtrack als Produzent überstand, war von den Kollegen nicht wirklich angetan. „Ich war kein großer Smashing Pumpkins-Fan, als sie noch die Pumpkins waren“, erklärte er 2007 angesichts des Comebacks der Band. „Nichts gegen Billy, aber ich habe von ihnen noch nie etwas gehört, das mich wirklich gekratzt hätte.“ Die Foo Fighters ließen sich damals mit ähnlich harschen Worten zitieren. Corgan blieb seelenruhig. „Ihr könnt auf eine Tasse Tee nach Chicago rüber kommen, in meinem Garten Rugby spielen, Blutwurst essen und ein Schwein schlachten“, lautete sein Friedensangebot. Oooookay?


10. My Chemical Romance – Welcome to the Black Parade

Was wir bisher sehen konnten, war eine Band, die es nie leicht hatte. Vor allem nicht wegen des Egos ihres Häuptlings, versteht sich. In Indie-Kreisen hatte es die Band immer schwer. „Freak out / And give in / Doesn’t matter what you believe in / Stay cool / And be somebody’s fool this year / ‘cause they know / Who is righteous, what is bold / So I’m told“, hatte Corgan denen schon im Song Cherub Rock entgegen geschleudert. Kaum zu glauben, dass es in einer Szene voller Außenseiter noch welche geben konnte, die sich am Rand positionierten – das jedoch genau taten die Smashing Pumpkins.

Damit wiederum wurden sie allerdings zum Vorbild für andere. Sogar eine Pop-Sängerin wie Nelly Furtado und der düstere Lord Marilyn Manson haben sich auf die Pumpkins berufen. Einen besonders großen Einfluss übte Corgans Truppe auf Gerard Way und seine Band My Chemical Romance aus. “Die Pumpkins sind eine von meinen und [Bassist und Bruder] Mikeys Lieblingsbands!“ Das ist noch nicht alles: „Tatsächlich hatte ich, als wir gerade unsere erste Platte aufnahmen, unsere gesamte Karriere nach dem Vorbild der Smashing Pumpkins durchgeplant, weil sie so freie und künstlerische Musik machen konnten. Ich wollte, dass [Three Cheers For Sweet] Revenge unser Siamese Dream wird.“ Nicht wenige meinen auch, dass die beiden sich sogar zum Verwechseln ähnlich sehen…


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