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Popkultur

Nine Inch Nails’ ‘Year Zero’ – Ein Album zum Gruseln

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Zugegeben, die Welt ist zehn Jahre nach Veröffentlichung von Nine Inch Nails Year Zero noch nicht untergegangen. Dabei hatte es die Band um den genialen Sonderling Trent Reznor doch so vorhergesungen. Aber wir schreiben auch noch nicht das Jahr 2022, in dem dieses dystopische Konzeptalbum spielt, wenn man so will.


Schon die Entstehungsgeschichte des 2007 erschienenen Albums ist abenteuerlich. Nine Inch Nails Frontmann Reznor schrieb das Album, während die Band mit ihrem ungemein erfolgreichen Album White Teeth auf Tour war, wortwörtlich um sich beschäftigt zu halten, wie Reznor selbst erzählte. “Ich arbeitete während der Tour die ganze Zeit an Musik, um kreativ zu bleiben. Und als wir die Tour beendeten, war ich auch nicht müde, sondern wollte direkt weitermachen.” Da es im Tourbus kein Studioequipment und auch keine große Auswahl an Gitarren gab, frickelte Reznor das Album mehr oder minder am Laptop zusammen, für ihn großer Spaß und Herausforderung zugleich: “Wäre ich im Studio gewesen, hätte ich alles wie immer gemacht. So war ich gezwungen, neue Dinge auszuprobieren, die viel Spaß machten.”


Pressebild-2013


Zahnschmerzen für die Plattenfirma

Auch thematisch verließ Reznor gewohntes Terrain, die Erkundung seines eigenen Innenlebens nämlich. Während es auch da recht abgründig zugeht, wandte Reznor den Blick nach Außen und schrieb ein besorgtes und düsteres Album über den State of Affairs in den USA der zweiten Bush-Administration. Mit vier Jahren Trump auf dem vorwärtsgerichteten Zeitstrahl kommt einem die Bush-Ära vor wie ein sanftes Warm-up. Bitte einmal dehnen und strecken für den hypersensiblen Weltpolizisten mit Fönfriese, der nun das Weiße Haus bevölkert — zumindest unter der Woche, wenn sein Golfplatz in Florida gerade den Rasen düngt.

Ahnten Nine Inch Nails, das es noch dicker kommen könnte? Year Zero jedenfalls ist heute wieder aktuell wie zum Release vor zehn Jahren. Man würde gerne hören, was Nine Inch Nails zu Trump zu sagen haben.


 


Besonders wichtig schien Trent Reznor und der Band damals zu sein, vom allzu (für NIN-Verhältnisse) freundlich-eingängigen White Teeth wegzukommen und einen Nachfolger zu schaffen, der die Bandbreite des Schaffens der Band demonstrierte — sowie der Plattenfirma Zahnschmerzen bereitete, wie Reznor mal höchst amüsiert kommentierte.

Reznor selbst beschrieb das nicht gerade im Easy Listening Bereich einzuordnende Album übrigens mit dem Satz: “Highly conceptual. Quite noisy. Fucking cool.” Nine Inch Nails sind dabei gut zu erkennen, es stimmt also nicht wirklich, dass man alles anders machte. Noch immer ist der brutale Industrial Sound, der NIN so viele adoleszente junge Männer unter den Fans bescherte, gegengeschnitten mit sanften Klaviertönen, viel Instrumentalanteilen und Reznors unverwechselbarem Sprechgesang, mit dem er immer ein wenig klingt, als hätte er beim Singen einen Weinkorken im Mund.


Nine-Inch-Nails


Untergangsstimmung

Die Themen des Albums sind gezeichnet durch den 11. September und dem, was daraufhin an Entwicklungen folgen sollte. Der Irak-Krieg, die zunehmende Militarisierung der amerikanischen Gesellschaft, nukleare Bedrohungen und Bioterrorismus: All diese Gefahren sieht Reznor als real an und als Grund, warum die persönlichen Freiheiten der Menschen immer mehr eingeschränkt würden, manchmal freiwillig, manchmal erzwungenerweise. Die Welt rücke stetig ihrem Ende ein Stückchen näher, glaubt Reznor. Vor allem die Wiederwahl Bushs im Jahr 2004 war für Reznor ein trauriger Meilenstein in dieser Entwicklung.


Nine-Inch-Nails-DVD-Shoot


Zitieren könnte man nun fast aus jedem Song, düster, dystopisch und bedrohlich geht es zu. Hier eine Kostprobe aus The Beginning of the End:

Down on your knees, you’ll be left behind

This is the beginning

Watch what you think, they can read your mind

This is the beginning

I got my mark, see it in my eyes

This is the beginning

My reflection I don’t recognize

This is the beginning

Um dem Album noch ein bisschen mehr von dem sowieso schon nicht knapp gestreuten George-Orwell-Erschaudern einzuflößen, haben NIN das Albumcover mit einem Sticker versehen, auf dem das fiktive United States Bureau of Morality, kurz USBM, darauf hinweist, dass der gekaufte Tonträger subversives Material enthalten könne. Ebenfalls war zu lesen: “If you or someone you know has engaged in subversive acts or thoughts, call 1-866-445-6580. BE A PATRIOT— BE AN INFORMER!”


Nine-Inch-Nails---Year-Zero


Ein bisschen Hoffnung im Dunkeln hätte dem Album nun auch nicht geschadet. Denn was wir in der Welt sehen, hat vor allen Dingen damit zu tun, wohin und worauf wir unseren Blick richten. Wo Kriege angezettelt und die Bürgerrechte beschnitten werden, gehen die Menschen auf die Straße und verleihen ihrer Wut und ihrem Unverständnis darüber auf oftmals humorvolle und kreative Weise Ausdruck. Zumindest musikalisch sind NIN für Hoffnungsschimmer nicht so empfänglich. Ein konsequentes, eindringliches und noch immer oder wieder aktuelles Album ist ihnen allemal gelungen.


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