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Popkultur

Lana Del Rey – Das Desperate Housewife der Popmusik…

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… Oder doch das American Dreamgirl?

Schaut man sich Interviews, Songs und Videos dieser (scheinbar) hochstilisierten Kunstfigur an, ist eine eindeutige Antwort nicht zu treffen – ob sie nun ein armes Trailerpark-Mädchen oder doch ein gut durchdachtes Konstrukt der Plattenindustrie ist, weiß letztendlich nur Elizabeth Woolridge Grant (so ihr bürgerliche Name) selbst. Fakt ist, dass sich Fans und Journalisten seit ihrem ersten Auftreten genau darüber den Kopf zerbrechen und Lana in ihren Aussagen über ihre Herkunft und Authentizität stets vage bis skurril bleibt.


Höre dir hier Lana Del Reys jüngstes Album Honeymoon an und lies weiter:


Wir wollen uns gar nicht anmaßen, den gordischen Knoten namens Lana Del Rey zu lösen, sondern werfen einfach einen Blick auf die Selbstinszenierung und die Bildsprache ihrer Veröffentlichungen. Danach kann sich jeder selbst eine Meinung bilden.

P.S.: Wir sehen jetzt mal von den Lizzy Grant Veröffentlichungen ab, die sie zuvor unter ihrem Spitznamen herausgebracht hat (als da wären Sirens (noch unter dem Pseudonym May Jailer) und Kill Kill).

Lana Del Rey a.k.a Lizzy Grant (2010)    

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LDR aka Lizzy Grant

Das 2010 erschienene Debüt wurde noch nicht so wahrgenommen, wie es spätere Veröffentlichungen vermochten. Das Cover zeigt sich denkbar einfach: Lana mit Platinblonden kurzen Haaren in einer gewagten Kombination aus schwarz-güldener Football-Jacke und silbernem Glitzer-Top vor beige-gelbem Hintergrund. Auch wenn Titel wie Raise Me Up (Mississippi South), Pawn Shop Blues oder Queen of the Gas Station auf die Americaness der Sängerin weisen, spielt dieses Cover noch nicht mit ihrem später so markanten Lolita-Look und ihrer kulturellen Verwurzelung in den USA.

Das Video zum Song Kill Kill deutet bereits in die Richtung ihrer nächsten Alben: collagenartige Super-8 Aufnahmen und mittendrin eine leidende, blumenbekräzte Lana, die von ihrer Liebe zu einem sterbenden Mann singt.

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Lana realisiert, dass sie einen sterbenden Mann liebt.

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Kurz darauf: Lana hoola hoopt sich aus dieser misslichen Situation.

Die leicht düstere Symbolik, die körnigen Footage-Schnipsel, sowie der Ausdruck ihrer gequälten Seele, kulminieren schließlich in ihrem Durchbruchsalbum Born To Die.

Born to Die (2012)         

Born to Die! Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen… dass ein wunderschönes Mädchen, in einem der reichsten Länder der Welt davon singt, geboren zu sein um zu sterben (was ja quasi unvermeidlich ist – wobei sich die meisten Menschen sich lieber auf die Zeit dazwischen fokussieren). Egal. Auf jeden Fall kommen zu diesem melancholischen Titel jetzt die Farben des Star-Spangled Banners hinzu: Ein roter BH blitzt unter der weißen Bluse hervor, der Himmel ist unnatürlich blau. Lana steht mit wallendem Haar und klimpernden Augen vor einem Gartenzaun mit traurigem Blick und gespitzten Schmolllippen, über deren Echtheit übermäßig viel spekuliert wurde.

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Das Cover zu Born to Die.

Bereits die erste Single Video Games lenkte die volle Aufmerksamkeit der Medien auf Lana Del Rey – plötzlich konnte man kein Musikmagazin aufschlagen oder eine Internet-Seite aufrufen, ohne dass einem Lanas Gesicht entgegen blickte und diverse Spekulationen über ihre Herkunft, Absichten, die Ästhetik ihrer Videos und schließlich auch über ihre Musik geäußert wurden. Video Games beginnt mit Uhrschlägen und Harfenklängen (offenbar einen Rückblick verdeutlichend, ähnlich wie in billigen Sitcoms) und der Song gibt sich langsam einer schweren Melancholie hin, die für Lana schließlich stilbestimmend wird. Devot singt sie „It’s you, it’s you, it’s all for you / Everything I do, I tell you all the time / Heaven is a place on earth with you” – dass der Text komplett ironisch gemeint ist, wagen wir an dieser Stelle mal zu bezweifeln.

Das zugehörige Video zeigt Lanas Blicke ins Leere, lediglich unterbrochen durch das romantische Bild einer amerikanischen Muster-Jugend gebannt auf Zelluloid und Super-8 Kameras. Die pastelligen Bonbonfarben und eine schmollende Lolita runden das Bild einer perfekten heilen Welt ab, wäre da nicht dieser komplett devote Text eines Mädchens, dass sich ihrem Partner mit Haut und Haar verschreiben hat. Ist das Ironie? Eine unabsichtliche Brechung? Oder doch pure Berechnung?



Das Video beginnt mit dem Traum von Freiheit und unbeschwerter Jugend: Freunde springen in den Pool, Pärchen sitzen zusammen auf Motorollern und fahren die Landstraße entlang. Die amerikanische Flagge weht in der Abendsonne. Auftritt Lana: Mit leichtem Silberblick und Haartolle singt sie „Whistling my name / Open up a beer / And you say: get over here / And play a video game”.


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Lana denkt nach. Oder blickt ins Leere. Schwer zu sagen.


Mehr collagenartige Aufnahmen, mehr devote Textzeilen folgen (I’m in his favorite sun dress / Put his favorite perfume on / It’s you, it’s you, it’s all for you). Ach ja, und Hollywood darf auch nicht fehlen:

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Darf bei Lana Del Rey nicht fehlen: Hollywood!


Wehende Fahnen, unbeschwerte Aufnahmen, der Walk of Fame… und dann eine sich leicht öffnende Rose. Ein Euphemismus? Eine Allegorie? Mag Lana gern Rosen? Oder gab es nicht genug random Super 8-Bildmaterial?

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Nur schön oder eine Metapher? Gleiches könnte man sich über Lana selbst fragen.


Nach diversen Selfie Perspektiven, Skylines und Hollywood Referenzen ist das Video vorbei. Auch die anderen Single-Auskopplungen Born to Die, Blue Jeans oder Summertime Sadness folgten dieser ästhetischen Linie.

Ultraviolence (2014)

Der Nachfolger Ultraviolence wurde von der Kritik recht gut aufgenommen, allerdings performte das Album nicht annähernd so überzeugend in den Charts wie der Vorgänger. Ultraviolence sei ein Konzeptalbum einer Konzeptperson schrieb Mark Richardson von Pitchfork – dieser Satz bringt die Platte sowie Lana als Person auf den Punkt.

Die Songs heißen West Coast, Sad Girl, Shades of Cool, Fucked My Way Up to the Top oder Ultraviolence. Letzteres spielt mit dem Titel auf Anthony Burgess Torture-Klassiker A Clockwork Orange an. Kyle Anderson schrieb in Entertainment Weekly dazu „Kubrick would have loved Del Rey—a highly stylized vixen who romanticizes fatalism to near-pornographic levels, creating fantastically decadent moments of film-noir melodrama. It’s an aesthetic that demands total commitment from both artist and listener, and it would be difficult to buy into if she didn’t deliver such fully realized cinema”.

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Das schwarz weiß Cover.

Der Sound von Ultraviolence changiert dabei zwischen Psychedelic Rock, Dream Pop und Blues-Elementen. Dass der Klang fast zu dicht und ein wenig zu glatt ist, liegt wohl vor allem an den Mitmischern des Albums – die Namen reichen von Dan Auerbach (Produzent und Sänger der Black Keys) und Paul Epworth (produzierte Bloc Party, Death from Above 1979, New Order) bis zu Greg Kurstin (produzierte Songs von Peaches, Karen O, The Flaming Lips oder The Shins).

Inspiration holte sich Lana zu dieser Platte, die sie eigentlich gar nicht herausbringen wollte (da sie auf Born To Die schon alles gesagt hatte) übrigens von der amerikanischen Westküste (Überraschung: West Coast) oder New York (Überraschung: Brooklyn Baby). Des Weiteren hegte sie eine Faszination für Lou Reed und dessen Kaputtness – doch ein Treffen der beiden kam nicht zustande, da er einen Tag vor einem Treffen mit ihr verstorben ist.

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Das alternative Urban Outfitters Cover.

Auf dem offiziellen schwarz weiß Cover steht sie mit Hollywood Big Hair vor einem offenen Cabrio und guckt (Überraschung) traurig. Für das Hipster-Mekka Urban Outfitters, bei dem man Coolness gegen viel Geld tauschen kann, gab es sogar ein alternatives Cover, das auch optisch hipper ist: übersättigte Farben, ein Knie mit zerrissener Jeans, College Jacke. Bild und Titel bilden hier eine gtelungenere Einheit als auf dem regulären Titel.

Im Video zu Ultraviolence kann Lana endlich ihren Liebesten an sich binden. In übersättigten Farben bindet sie sich ihren Brautschleier um und räkelt sich im Brautkleid in einem Garten (warum auch nicht). In Anbetracht der Tatsache, dass das Wort ‘Ultraviolence’ dem Burgess Roman entliehen ist und sie lasziv die Finger ihres Kamermanns ablutscht, kann man das Video eigentlich gar nicht anders als es unterwürfig bis masoistisch zu deuten. Viele Kritiker werfen ihr daher auch vor, häusliche Gewalt zu verherrlichen und Lana selbst dementierte diese Aussagen nicht. Ihr sei Feminismus auch egal, gab sie in diesem Zuge zu. Ah ja. Danke dafür Lana.


Schaut euch hier das offizielle Video zu Lana Del Reys Song Ultraviolence an und lest weiter:

Das Musikvideo wurde übrigens komplett mit einer iPhone 8mm Vintage Kamera App gedreht.


Honeymoon (2015) – Von wegen Flitterwochen

„Verliebt, Verlobt, Verheiratet, Geschieden. Wie viele Kinder wirst du kriegen? 1… 2… 3…“ lautet ein alter Springseil-Reim. Nun kann man sich bei Lana fragen: Was kommt nach dem Honeymoon? Nach der unterwürfigen Heirat in Ultraviolence folgen nun die Flitterwochen.

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Das Cover zu Honeymoon: weiß-blau-rot und Lana.

Das vorab Video zeigt schon mal eine selbstbestimmtere Lana. Endlich! (I’ll do it on my own / Don’t need your money, money / To get me what I want). Entgegen des positiven Titels Honeymoon (Flitterwochen, Honigmond, Sommer) steht auch die Tonalität der neuen Single High By the Beach wieder in der Tradition ihres Ach. So. Schweren. Leidens. (Now you’re just another one of my problems / Because you got out of hand / We won’t survive / We’re sinking into the sand.)

High By the Beach zeigt ein seltsam anmutendes Szenario: Lana wälzt sich auf ihrem Motel(?)-Bett, Vorhänge wehen ähnlich dramatisch wie in den grandios surrealen Musikvideos der 80er Jahre. Am Ende gibt es allerdings einen Twist, den man ihr so nicht zugetraut hätte:

Der Name ist Programm. Lana wirft sich aufs Bett und wandert orientierungslos durchs Haus. Lana ist offensichtlich High By The Beach. Um ihr Strandmotel kreist ein Hubschrauber und das irritiert Lana offensichtlich so, dass sie am Ende ein großes Maschinengewehr aus einem Gitarrenkoffer (WTF-Moment) zaubert um den Helikopter abzuschießen. Welch Strandidylle. Aber gut für dich Lana, nimm dein Leben selbst in die Hand! Statt der unsicheren, sich selbst bemitleidenden Diva könnten wir vielleicht jetzt endlich eine Lana sehen, die ihrer Hollywood-Eleganz gerecht wird und den American Dream nicht nur in den Farbtönen und Textreferenzen verkörpert, sondern auch in dem Streben nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Vielleicht aber auch nicht, warten wir es ab.



Am 18. September 2015 erscheint Honeymoon und laut Lana Del Rey soll es stilistisch mehr in Richtung des zweiten Albums Born To Die gehen. Wir sind gespannt.

Und was bleibt? – Die Quintessenz Lanas Ästhetik

Todeswünsche, tiefsitzende Traurigkeit und schwerfällige Melancholie, Sehnsuchtsmotive und das Festhalten an alter Liebe – insgesamt ist das Motivspektrum, auf das die Kunstfigur Lana Del Rey hier zurückgreift, der Epoche der Romantik entliehen und in das Amerika des 21. Jahrhunderts gehoben. Statt Casper David Friedrich schaut hier Lana in die Ferne und/oder Vergangenheit und gibt sich den schweren Gedanken hin, scheinbar ohne etwas gegen ihr Leiden unternehmen zu wollen. Diese Passivität und ihre unterwürfigen Texte lassen Lana Del Rey nicht unbedingt sympathisch wirken. Gespickt mit amerikanischen Symbolen und an alte Hollywood Ikonen erinnernd, hat es Lana aber dennoch geschafft eine unglaubliche Fanbase um sich zu scheren.

Und auch wenn das Drumherum dieser Lolita nicht jedermanns Sache ist, muss man sich eingestehen, dass ihre Stimme heute ihresgleichen sucht. Keine Tylor Swift oder Beyonce transportiert so viel Gefühl wie die tiefe Stimme einer Lana Del Rey. Lana ist nicht piepsig, nicht laut, nicht austauschbar. Ihr markantestes Merkmal ist ihre Stimmfarbe, auch wenn sie textlich in den 50er Jahren verhaftet scheint. Sie selbst bezeichnet ihre Musik übrigens am treffendsten als „Hollywood Sadcore“.

Vielleicht macht sich Lana Del Rey aber auch gar keine Gedanken um falsche Messages oder kulturelle Codes, denen sie nicht gerecht wird. Vielleicht passt sie einfach in einen Zeitgeist, in dem sich Menschen mehr mit Coolness und Selbstmitleid identifizieren können, als mit großen Aussagen oder Vorbildfunktionen. Ist Lana komplett konstruiert? Ist sie authentisch? Wahrscheinlich ist es letztendlich auch egal: Wir genießen einfach Lana’s Musik.


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