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Popkultur

Musikproduzent George Martin: Zum Leben des „fünften Beatle“

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Er war nicht der einzige, der den gewichtigen Mittelnamen „fünfter Beatle“ tragen durfte. Neben Stuart Sutcliffe, der zwischen den Jahren 1960 und 1961 Bassist der später vierköpfigen Band und somit kurzzeitig tatsächlich fünfter Beatle war, wurde diese Ehre auch Brian Epstein zuteil, der den Beatles von 1961 bis 1967 als Manager zu internationalem Erfolg verhalf. Dass mit dem 90-jährigen Produzenten George Martin am 8. März 2016 allerdings ein ganz Besonderer aus der der Liga der fünften Beatle von uns gegangen ist, zeigt nicht nur sein umfassendes Engagement für die Fab Four, sondern auch seine ganz eigene und gleichzeitig fundamentale Musikrevolution.


Hör dir hier unsere Playlist George Martin in 10 Songs an während du weiter liest:


George Martin wurde am 3. Januar 1926 als Zimmermannssohn im Londoner Stadtteil Highbury geboren. Und so war natürlich auch der britische Humor von Anfang an Teil von ihm: Mit 16 gründete Martin eine Schul-Tanzband mit dem sagenhaften Namen „George Martin & The Four Tune Tellers“. Während des Zweiten Weltkriegs ließ man ihn für den Fleet Air Arm der Royal Navy glücklicherweise nur ein paar Jahre Flugzeuge beobachten. Und nach seinem Studium – Klavier und Oboe – an der berühmten Guildhall School of Music and Drama, kam er über das BBC-Musikarchiv 1950 zum Plattenkonzern EMI, wurde dort beim Tochterlabel Parlophone als Assistent des damaligen Labelchefs Oscar Preuss eingestellt, und entwickelte dieses spontan von einem kaum beachteten Klassik-Label zu einem bedeutenden britischen Jazz- und Comedy-Label.

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Martins erste eigene Produktion entstand noch im gleichen Jahr mit Humphrey Lytteltons Jazzband. Nur fünf Jahre später, 1955, übernahm er Parlophone von Preuss. 1956 belegte mit Eve Boswells Pickin’ A Chicken erstmals ein von Martin produzierter Hit Platz neun der UK Single Charts. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er allerdings noch damit, Platten für britische Comedians wie Dudley Moore oder Bernard Cribbins abzurunden. Erfolg hatten auch diese, so zum Beispiel Peter Tellers und Sophia Loren mit dem Titel Goodness, Gracious Me, der 1960 in den Top-5 der UK Single Charts landete. Dabei war Martin natürlich nicht ohne Konkurrenz. Vor allem an seinem damaligen Mitstreiter Norrie Paramor, der bei EMI das Imprint Columbia leitete und einen Hit nach dem anderen ablieferte, musste er sich messen. Was zu dieser Zeit noch völlig unvorhersehbar war: Zwei Jahre später würde Martin mit vier unscheinbaren jungen Männern aus Liverpool weit durch jeden Chart-Himmel schießen, den er sich bisher erträumt hatte.

Im Frühjahr 1962 empfing George Martin seinen späteren Mittelnamensvetter und Manager der Beatles Brian Epstein inklusive Demo-Tape. Diesem waren zuvor bereits Absagen von allen erdenklichen großen und kleinen Labels – darunter Decca, Pye, Philips, Oriole und sogar EMI – mitgeteilt worden. Und es war auch hier keine Liebe auf den ersten Blick. „The recording, to put it kindly, was by no means a knockout,“ („Um es nett zu sagen, die Aufnahmen haben mich absolut nicht umgehauen“), schrieb Martin 1979 in seinen Memoiren All You Need Is Ears. Aber er entschied, dass die Beatles mehr wert waren als nur einen ersten Blick: „I could well understand that people had turned it down. But there was an unusual quality of sound, a certain roughness that I hadn’t encountered before. There was also the fact that more than one person was singing.“ („Ich konnte verstehen, dass Menschen sie abgelehnt hatten. Aber sie hatten eine ungewöhnliche Soundqualität, eine gewisse Rohheit, die mir vorher noch nicht begegnet war. Außerdem hatten sie mehr als eine Person, die sang“).

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Am 6. Juni 1962 lud Martin die Band, die derzeit noch aus John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Pete Best bestand, für eine Test-Session in EMIs legendäre Abbey Road Studios. War er noch skeptisch, was das Talent der Musiker als Songwriter anging, räumte ihre gemeinsame Humorebene letzte Zweifel aus dem Weg. Es heißt, als Martin die Band gefragt habe, ob ihnen etwas am Set missfalle, habe George Harrison geantwortet: „Well, there’s your tie, for a start“ („Also zunächst mal gefällt mir Ihre Krawatte nicht“). Der Anfang einer langen, freundschaftlichen Zusammenarbeit. Allerdings nicht für alle: Bevor man die Verträge unterschrieb, wurde auf Anraten von Martin schnell noch Drummer Pete Beste gefeuert und durch Ringo Starr ersetzt.

Nachdem die erste Single Love Me Do im Oktober 1962 direkt zum Hit wurde, behielten die Beatles das Tempo bei und nahmen zusammen mit Martin an einem einzigen Februartag 1963 ihre erste LP Please Please Me auf. Waren Martins Einflüsse anfangs noch relativ gering, so revolutionierte er die Aufnahmetechnik und Soundgestaltung auf den kommenden Alben grundlegend. Nach Please Please Me und With The Beatles veranlasste er die Abbey Road Studios zum Wechsel von der Zweispurtechnik zur Vierspurtechnik, womit der grundlegende Wechsel von der Aufnahme einer kompletten Studio-Live-Performance hin zum Schicht-für-Schicht-Verfahren des Overdubbing begann. Die Aufnahmetechnik, die heute jeder Bedroom-Produzent von seinem PC aus nutzen kann, war damals eine Revolution. Auf Revolver verwendete Martin zudem in dieser Intensität noch nicht genutzte Rückwärtsaufnahmen sowie kontrolliertes Feedback und setzte außerdem das neuartige Artificial-Double-Tracking-Verfahren ein, indem er Paul McCartneys Stimme zweimal aufnahm und übereinander kopierte. Für A Day in the Life auf Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band nutzte er 1967 erstmals in Großbritannien die Achtspurtechnik durch zwei synchron geschaltete Vierspurtonbandmaschinen. Und es war natürlich George Martin, der die Eingebung zur Streicherbegleitung von Yesterday hatte – sowie für einen Großteil der Orchestrierung in Beatles-Songs.

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Schon 1965 hatte sich Martin von EMI freistellen lassen, um als Freelancer alleine für die Beatles zu arbeiten. Für das Album Let It Be, das letztlich erst nach ihrer Trennung veröffentlicht wurde, entschieden sich die Beatles 1969 allerdings plötzlich für einen anderen Produzenten, Phil Spector – um sich Martin dann für Abbey Road reumütig noch im gleichen Jahr wieder zurückzuholen. Bis zu ihrer Auflösung 1970 produzierte George Martin somit bis auf eine Ausnahme alle Beatles-Alben. In den 70er und 80er-Jahren arbeitete er weiterhin an Solo-Alben von Paul McCartney (Tug of War, Pipes of Peace, Give My Regards to Broad Street) und Ringo Starr (Sentimental Journey) mit und produzierte – inzwischen Inhaber einer eigenen Produktionsgesellschaft, AIR (Associated Independent Records) – unter anderem erfolgreiche Alben von Jimmy Webb, America, Cheap Trick, Kenny Rogers, Jeff Beck oder Celine Dion.

Mit Elton John produzierte er zu Ehren von Prinzessin Diana jene weltbekannte Version des Songs Candle In The Wind, die in Deutschland seit 1997 mit 4,75 Millionen Exemplaren den Platz der meistverkauften Single aller Zeiten belegt. 1996, ein Jahr vor Paul McCartney, wurde George Martin von Elisabeth II. zum Ritter geschlagen. Insgesamt war er als Produzent für 30 Nummer-eins-Hits in Großbritannien und 23 in den USA verantwortlich. Die Menschen, die er inspiriert und für die er fundamentale technische und musikalische Veränderungen eingeleitet hat, sind unzählig. Neben Paul McCartney, Ringo Starr und vielen anderen Musikern, fand Produzent Mark Ronson für die Trauer über den Verlust seines Kollegen entsprechend große Worte: “We will never stop living in the world you helped create” („Wir werden nie aufhören, in der Welt zu leben, die du geholfen hast zu erschaffen“).

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