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Popkultur

So war’s: Madness live in Berlin

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Am 3. Oktober 2016, haben die 2-Tone-Ska-Legenden von Madness Halt im Berliner Tempodrom gemacht. Wobei von Halt hier natürlich nicht die Rede sein kann. Wir waren dabei und konnten auch schon ein paar ihrer neuen Hits des am 28. Oktober erscheinenden Albums “Can’t Touch Us Now” hören.


3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit – was könnte es für einen gegebeneren Anlass geben, sich mal wieder ein bisschen mit sich selbst in Einklang zu bringen? Ein bisschen in der eigenen Vergangenheit zu stöbern, um die Gegenwart besser zu verstehen. Und seien wir ehrlich: Welche Vergangenheit ist ohne Ska? Die Deutschlands und meine jedenfalls nicht. Vielleicht hat sich der eine mit den Jahren eher Richtung Stravinsky gewandelt und der andere ist heil bei Bryan Adams abgebogen. Aber die prototypische deutsche Kleinstadt-Jugend fängt anders an. Zum Beispiel mit Madness.

Diesem irgendwie unumgänglichen Gefühl, verkörpert von dieser irgendwie unumgänglichen Band, die sich 1979, nach ein paar Jahren als The North London Invaders, praktischerweise dann auch einfach so genannt hat. Bis zu ihrer Trennung 1986 haben Madness sechs Studioalben und nahezu 20 Hitsingles wie My Girl, Baggy Trousers oder natürlich Our House veröffentlicht. Es folgten sechs weitere Alben – darunter das neuste Madness-Werk Can’t Touch Us Now. Wer hätte gedacht, dass ich genau diesem Wahnsinn an genau diesem Tag, mitten in meinem mittlerweile prototypischen deutschen Großstadt-Leben, noch einmal live begegnen würde? Ich und (wie ich mir der persönlichen Tragweite des Moments entsprechend einbilde) Deutschland sind jedenfalls ein bisschen aufgeregt. Gut dass der frühe Bierkonsum bei diesem Anlass immer noch zum guten Ton gehört.


Schaut euch hier das offizielle Video zu Mr Apples an:


 

Genauso wie die ein oder andere obligatorische Bomberjacke – wahlweise mit Hommage an Stanley Kubricks Clockwork Orange, Hardcore-Szenisten wie Brooklyns Yuppicide, oder einfach Madness selbst auf dem Rücken. Wenn man nicht gerade einer der fünf Vollblut-Sid-Vicious’ ist, welche die Tausendschaft an Fans im Tempodrom durchsetzen, behält man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Menschenmenge seine Schiebermütze auf, den Magnum-Bart gestutzt, die Hosenträger gespannt. Und zwar in allen Altersklassen. Na gut, dann und wann wurde ein Jutebeutel ergänzt. Aber in der Masse des faninternen Dresscodes fühlt es sich tatsächlich an, als wäre man plötzlich an Madness’ Ursprungsort, dem Camden der späten 70er. Oder, naja, in Berlin – prä 1989. Und das ist, so für den Moment und vielleicht auch aus der Perspektive Kleinstadt-Jugend, ein erstaunlich mitreißendes Gefühl.

Passend dazu steigen auch Madness aka Graham “Suggs” McPherson, Mike „Monsieur Barso“ Barson, Chris „Chrissie Boy“ Foreman, Lee „El Thommo“ Thompson, Mark „Bedders“ Bedford und Daniel „Woody“ Woodgate ohne Umwege ein: „Are you looking at us?“ ruft McPherson einmal fordernd ins Publikum und los geht’s. Ältere Klassiker wie One Step Beyond, The Prince, Embarrassment, My Girl oder Wings of a Dove feuern die Sache schonungslos an – das Konzert geht keine zehn Minuten, da tanzen auch die Menschen in den Sitzplatz-Blöcken – wobei der erste richtige Ausraster-Song mit NW5 schon eher zu den neueren Klassikern zählt. Offizielle Bühnensau ist Saxophonist Thompson, der, wenn er nicht gerade völlig abskankt, seine Drinks an Fans verteilt, Spagat macht oder sich an Pirouetten versucht.


Schaut euch hier einen Live-Mitschnitt des Songs NW5 in Berlin an:


 

Ihr neues Album „Can’t Touch Us Now“ bringen Madness gekonnt erst später zum Einsatz, als alle komplett eingegroovt und bereit für das bisschen extra E-Gitarre, das bisschen extra Hymne sind. „Don’t leave the past behind you“, singt McPherson plötzlich irgendwie ganz sanft. Oder ist es das warme Bier? Draußen regnet es in Strömen. Drinnen schwitzt man ähnlich. Und plötzlich haut es mich um, das Déjà-vu: Herbst, kaputtes Fahrrad, Jugendhaus, Dr.Martens, Madness. Plötzlich ist alles wieder da – nur viel besser, weil es gar nicht wirklich wieder da ist. Und Madness live.


Madness


So ähnlich muss sich das Publikum gefühlt haben, als die Band 1992 auf dem „Madstock!“-Festival im Londoner Finsbury Park nach acht Jahren zum ersten Mal wieder in Originalbesetzung aufgetreten ist. Und als wäre es nicht schon zu viel für mein Gemüt, spielen sie dann natürlich auch noch Our House. Selbst die Crew pogt jetzt am Bühnenrand. Sie seien schon einmal hier gewesen, hat McPherson kurz vorher erzählt, während die anderen ihre Instrumente neu gestimmt haben, 1979. Damals hätten sie Madness an die Berliner Mauer geschrieben. Jetzt hätten sie gesehen, dass es diesen Teil der Mauer immer noch gäbe. Und es stünde immer noch Madness dort. Was könnte es für einen gegebeneren Anlass geben, sich mal wieder ein bisschen mit sich selbst in Einklang zu fühlen, als die Erkenntnis, dass Vergangenheit auch nur eine Form der Gegenwart ist? Manchmal braucht es Madness, um auf so etwas zu kommen. Mauerfälle schaden natürlich auch nie.


Tracklist des Konzerts:

  1. One Step Beyond
    (Prince Buster cover)
  2. Embarrassment 
  3. The Prince 
  4. NW5 
  5. My Girl
  6. Take It or Leave It 
  7. Wings of a Dove 
  8. Herbert 
  9. The Sun and the Rain 
  10. Don’t Leave the Past Behind 
  11. I Chase the Devil A.K.A. Ironshirt
    (Max Romeo cover)
  12. Can’t Touch Us Now
  13. Bed and Breakfast Man
  14. Shut Up
  15. Girl Why Don’t You?
    (Prince Buster cover)
  16. Highway to Hell
    (AC/DC cover)
  17. House of Fun
  18. Baggy Trousers
  19. Our House 
  20. It Must Be Love
    (Labi Siffre cover)
  21. Mr. Apples
  22. Madness
    (Prince Buster cover)
  23. Night Boat to Cairo

Hier sind alle Tracks soweit möglich in einer Playlist zusammengefasst: 


Das neue Album “Can’t Touch Us Now” erscheint am 28. Oktober und ihr könnt es euch hier bereits vorbestellen:

Amazon: www.umgt.de/TWg5XY

iTunes: http://apple.co/2dEZP8v

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