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Popkultur

So war’s: Slash live in Offenbach 2019

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"Ein echter Gitarrenheld bittet zum Tanz. Deshalb ist die Stadthalle in Offenbach an diesem Donnerstagabend im Februar auch pickepackevoll. Quasi kürzlich erst hat Slash mit Guns N’ Roses erst die größten Stadien der Republik bespielt, jetzt stellt er sein neues Soloalbum Living The Dream vor. Die Karriere abseits von Axl & Co. läuft also weiter. Über zwei Stunden stehen Slash, sein Sänger Myles Kennedy und die hochkarätige Band The Conspirators auf der Bühne. Hier sind Könner am Werk, und doch hat die Rock’n’Roll-Show heute neben Höhepunkten auch ein ein paar Längen. Aber fangen wir vorne an…

von Christof Leim

Hier könnt ihr in die Setlist des Abends reinhören:

Klickt auf „Listen“ für die ganze Playlist.

Mit dem Abend in Offenbach starten Slash, Myles und die Conspirators ihre Europatour; vor vier Tagen spielte das Quintett noch in Australien. Zum Vorprogramm stand nicht viel zu lesen, dabei bietet das durchaus Grund zur Freude: Phil Campbell & The Bastard Sons liefern kurz nach acht die erste Runde des Abends. Der ehemalige Motörhead-Klampfer und seine drei Söhne hauen geradlinigen, unterhaltsamen Rock’n’Roll in die Halle. Zur  Setlist gehören dabei natürlich auch Nummern aus Campbells glorreicher und phonstarker Vergangenheit mit Lemmy Kilmister, etwa der Mitsingknaller Born To Raise Hell. Die eigenen Songs wie Get On Your Knees, der drückende Shuffle Dark Days und das Doublebass-Geschoss Ringleader schlagen in eine ähnliche Kerbe, klingen wegen des melodischen Gesangs und aufgeräumteren Bassspiels aber nicht so rabiat wie Motörhead. Frontmann Neil Starr, früher bei Attack! Attack!, kann das Publikum leicht zu Mitsingspielchen und kollektiv gereckten Mittelfingern bewegen und erweist sich als Aktivposten im Bühnenbild, das ansonsten eher statisch wirkt. Mit Silver Machine, der letzten Nummer, die Lemmy für seine frühere Band Hawkwind geschrieben hat, erweist Campbell seinem verstorbenen Weggefährten eine besondere Ehre, und gegen Ende kann nur noch ein Gassenhauer kommen: Ace Of Spades. Das hat Spaß gemacht! Schade, dass die Band deutlich leiser als der Headliner dröhnte.



Slash und seine vier Mitstreiter starten nach einem dramatischen Intro mit The Call Of The Wild, der Eröffnungsnummer des aktuellen Albums Living The Dream. Sie hauen ihre Songs ohne viel Federlesens raus, Ansagen gibt erstmal keine, sondern mit Halo, Standing In The Sun und Ghost mehrere Nach-vorne-Rocker hintereinander. Dabei wird umgehend klar, dass hier fünf exzellente, bestens eingespielte Musiker einen souveränen Job abliefern, wie es nicht jede Band kann. Chef im Ring ist eindeutig Slash, der zur tiefhängenden Les Paul natürlich standesgemäß Zylinder und Sonnenbrille trägt. Wer irgendwann heute noch des Meisters wahres Gesicht sehen will, wird enttäuscht werden: Beides bleibt bis zum Ende an Ort und Stelle.

Überhaupt wirken die Musiker alle ziemlich fit und cool, in Leder und Jeans gekleidet, klassisch langhaarig sowieso. Dass Myles Kennedy fast 50 sein soll, glaubt man kein Stück – optisch nicht, und stimmlich schon gar nicht. Und vermutlich könnte er sein Shirt auch ausziehen, ohne eine schlechte Figur zu machen. Nach fünf Songs, darunter das laut mitgesungene Back From Cali, macht der Mann seine erste Ansage – und wirkt aus dem Stand sympathisch. Wie der Kumpel, der zufällig eine der besten und markantesten Rockstimmen dieser Tage besitzt und sich freut, dass man zu seinem kleinen Konzert gekommen ist.

Sein Boss Slash glänzt im folgenden My Antidote mit einem Hammersolo, in Serves You Right wird es funky, und Sugar Cane steht heute zum ersten Mal überhaupt auf dem Plan. Neben Kennedy und Slash lässt sich noch ein Mann kaum übersehen: Todd „Dammit“ Kerns, der baumlange Bassist in Lederjacke, der mit schwingendem Haar und Dauergrinsen die ganze Bühnenbreite ausnutzt. Jetzt stellt er sich ans Mirko und informiert die Zuschauer freundlicherweise, dass Phil Campbell bei Motörhead gespielt hat – der „verfickt besten Band des Planeten“. Dass hier ein Fan vor uns steht, hört man den nächsten beiden Songs an, für die Kerns das Mikro übernimmt: das live noch punkigere We’re All Gonna Die und Doctor Alibi, das auf dem Album von Lemmy höchstselbst eingesungen wurde. Hier grölt sogar Slash bei den Backingvocals mit. Das macht Spaß und bringt Abwechslung ins Programm.



Nun wird Zeit für eine Ballade: The Great Pretender basiert auf einem melancholischen Gitarrenthema, das an ein aufgewärmtes Parisienne Walkways (Gary Moore) erinnert. Schön, aber kein Höhepunkt. Das gilt auch für Wicked Stone, das außer einem wieselflinkem Hauptmotiv wenig zu bieten hat. Es zieht sich ein bisschen. Und das, obwohl sich das Können der Mannschaft und insbesondere des Anführers schon in Details bemerkbar macht: Die Riffs sind cleverer als anderswo, aber nie verkopft, nicht abgedroschen, aber trotzdem voll Rock’n’Roll. Die Songs als Ganzes allerdings ähneln sich sehr, was dem Set doch gewisse Längen beschert. Hier macht sich leider bemerkbar, dass es wenig Ansagen oder Interaktion mit dem Auditorium gibt. Ohne Frage bieten Slash und seine Gang mindestens gute, oft tolle Rocksongs, und immer mit brillanter Gitarre und ebensolchem Gesang. Doch der Show fehlt vor allem in der Mitte die Dramaturgie, die Abwechslung. Bei Guns N’ Roses mit platinveredelten Welthits, die jeder von uns auswendig kennt, klappt das natürlich einfacher. Im Dutzend hintereinander – dürfen wir es wagen? – ziehen sich die Slash-Myles-Conspirators-Songs tatsächlich manchmal.

Die Actionfiguren auf seiner Wand aus Marshall-Boxen bringt Slash richtig zum Wackeln mit einem langen Gitarrensolo über einen entspannten Grundrhythmus. Ausufernde Gniedel-Einlagen bleiben die Ausnahme an diesem Abend, vielmehr lässt der Mann an den richtigen Stellen der Songs seine Finger fliegen und dehnt höchstens mal ein Outro aus. Nach wenigen Takten wissen wir dann alle wieder, warum der 53-Jährige völlig zu Recht als einer der letzten Gitarrenhelden alter Schule gilt, der neben Geschmack und Ton eine brillante Technik am Start hat und trotzdem immer nach klassischem Rock’n’Roll klingt. Nur eben besser als die anderen.

So langsam biegt die Show auf die Zielgerade ein: Als Song 14 und 15 (!) des Abends erklingen die beiden Singles von Living The Dream, das herrlich treibende Mind Your Manners und das bodenständigere Driving Rain, danach noch By The Sword. Im Gegensatz zu den Touren der Vergangenheit hat die Band bisher nur Stücke von Slashs Soloplatten gespielt, nichts von Velvet Revolver und auch keine Coversongs. Doch einen Klassiker aus der Guns N’ Roses-Schatzkiste haben die Herren im Anschlag: das immergrüne Nightrain, das natürlich mit entsprechendem Hallo begrüßt wird. Vor diesem Publikum gleicht diese Auswahl einem Elfmeter ohne Torwart. Mit acht Bällen. Weitere Ausflüge in den Katalog der großen Hauptband fehlen allerdings, was angesichts der weltweiten Triumphzüge der wiedervereinigten Gunners durchaus Sinn ergibt. Leider werden auch die beiden Snakepit-Alben von 1995 und 2000 komplett ausgespart. Dafür kommt jetzt das ergreifende Starlight mit schönen Harmonien, gesungen von Todd Kerns und Drummer Brent Fizz. Myles Kennedy setzt sich dazu an den vorderen Bühnenrand und zeigt der Welt mal wieder, wie das mit dem Rock’n’Roll-Singen so geht.



Dem Chef wird es mittlerweile ein bisschen warm, also muss ein Roadie Ventilatoren aufstellen und mehrmals die Position optimieren. Jetzt fliegen die Locken schön, also geht es in die Endrunde: You’re A Lie und World On Fire krachen und werden um eine Jamsession ergänzt. Kennedy führt die Fans durch Singspielchen mit ausufernden Melodien, hilft beim Trommeln und schnallt sich eine Gitarre um, als Slash die Finger nochmal ausgiebig fliegen lässt. Eine Zugabe muss sein: Nach Avalon und Anastasia, nach 22 Songs und locker über zwei Stunden Spielzeit winkt die Band dann zum Abschied. Respekt.Bitte, Danke.


Setlist Slash:

The Call Of The Wild
Halo
Standing In The Sun
Ghost
Back From Cali
My Antidote
Serve You Right
Sugar Cane  (Live Premiere)
Shadow Life
We’re All Gonna Die
Doctor Alibi
The Great Pretender
Wicked Stone
Mind Your Manners
Driving Rain
By The Sword
Nightrain (Guns N’ Roses)
Starlight
You’re A Lie
World On Fire
Avalon
Anastasia

Titelfoto: Leonard Kötters/natureofmusic.net


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