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Popkultur

Zeitsprung: Am 16.7.1990 stehen Judas Priest wegen versteckter Botschaften vor Gericht.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 16.7.1990."

von Christof Leim

Versteckte Botschaften in der Rockmusik: Solche Geschichten existieren seit den Siebzigern. Am 16. Juli 1990 landet dieses Thema sogar vor Gericht: An diesem Tag beginnt ein Prozess gegen Judas Priest, weil sie angeblich für die Selbstmorde zweier junger Männer verantwortlich sind.

Hört hier in Stained Class rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album. Ist ungefährlich, versprochen.

Fünf Jahre zuvor, am 23. Dezember 1985, hatten sich in Sparks, Nevada der damals 20 Jahre alte James Vance und der 19-jährige Ray Belknap erschossen. Belknap stirbt sofort, Vance erst drei Jahre später, fürchterlich entstellt. Ziemlich tragisch, ziemlich traurig. Ihre Eltern sehen die Schuld bei der britischen Heavy-Metal-Band: In der Nummer Better By You, Better Than Me vom Album Stained Class (1978) sei angeblich die Aufforderung „Do it“ versteckt.

Juristische Feinheiten

Nach Auffassung der Kläger habe das die beiden Jungs dazu verleitet, sich – betrunken und bekifft – eine Schrotflinte unter das Kinn zu setzen. Zunächst hatte ein Gericht tatsächlich und im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Fällen die Anklage zugelassen, weil „sublime Botschaften“ nicht der Meinungsfreiheit unterliegen, da sie ja nicht Teil eines Gespräches sind. Sänger Rob Halford muss deshalb sogar im Gerichtssaal vorsingen. Judas Priest streiten grundlegend ab, überhaupt irgendwelche Aussagen auf der Platte versteckt zu haben, und schon gar nicht die Aufforderung zur Selbsttötung. Zudem merken sie an, dass ein allgemeines „do it!“, wenn es denn vorhanden wäre, keine bestimmte Handlung provozieren kann. (Mehr legale Feinheiten in dieser Frage dröselt dieser Artikel auf. Interessant, aber kein einfacher Stoff.)

Die Musikwelt schaut bei diesem Prozess natürlich genau hin, denn das Urteil könnte Signalwirkung und grundsätzliche Folgen für die Kunstfreiheit haben. Erst 1985 hatte das PMRC versucht, mit „Explicit lyrics“-Aufklebern die Jugend vor „bösen“ Inhalten zu warnen. Auch Ozzy Osbourne muss sich vor Gericht verantworten, weil sein Stück Suicide Solution (über Alkoholsucht, “Solution” bezeichnet hier eine Flüssigkeit) für zwei bedauernswerte Selbstmorde 1984 und 1986 verantwortlich gemacht wird. 1995 stehen dann Slayer vor einem Richter, weil ihre Musik den Mord an der 15-jährigen Elyse Pahler ausgelöst haben soll. 

Erwarteter Freispruch

Im Judas-Priest-Prozess in Reno, Nevada fällt nach fünf Wochen, am 24. August, das Urteil: Die Band wird erwartungsgemäß freigesprochen. Begründung: Versteckte Botschaften, wenn sie denn existieren, können nicht für den Suizid verantwortlich gemacht werden, und ein echtes „Do it“ ist nicht zu hören. Der Richter entscheidet, die vermeintlichen Stellen seien nur versehentliche Überschneidungen in den Backing Vocals. Dieses Urteil scheint vernünftig, aber das hilft den Eltern natürlich nicht.

Judas Priest im Line-up von 1990 zu Zeiten von „Painkiller“

Später wird ein Dokumentarfilm über diese Tragödie veröffentlicht, er heißt Dream Deceivers: The Story Behind James Vance Vs. Judas Priest. Der Comedian Bill Hicks (das ist der, der im Booklet der Tool-Platte Aenima erwähnt wird) fragt in seiner Show, welche Band wohl absichtlich ihr Fans umbringen würde. Halford merkt ebenfalls an, dass eine Gruppe doch eher die Botschaft „Kauft mehr Platten!“ verstecken würde. Drei Wochen nach dem Urteilsspruch starten Judas Priest dann ihre Painkiller-Tour und spielen beim ersten Konzert Better By You, Better Than Me zum fast einzigen Mal seit 1979 wieder live. Bei der Nummer handelt es sich übrigens nicht um ein Priest-Original, sondern eine Spooky Tooth-Coverversion.


Header Photo by The LIFE Picture Collection/Getty Images

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