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Popkultur

Zeitsprung: Am 17.11.1998 erscheint „Americana“ von The Offspring.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 17.11.1998.

von Timon Menge und Christof Leim

Ein großes Ding der Krachmusik der Neunziger heißt Pop-Punk. Ob in den Charts, in Videospielen oder in Hollywood: Das damals neue Genre kriecht binnen kürzester Zeit in jede Ritze der Unterhaltungsindustrie und entwickelt sich zum Soundtrack einer Generation. An der Spitze der Bewegung stehen Blink-182, Green Day und – The Offspring. Am 17. November 1998 veröffentlichen die Kalifornier ihr fünftes Album Americana und übertrumpfen damit sogar ihren Durchbruch Smash von 1994.

Hört hier in Americana rein:

Mit ihrem fünften Album Americana besinnen sich The Offspring als etablierte und überaus erfolgreich Band bewusst auf ihre Qualitäten und gehen keine Experimente ein. Im Interview mit Guitar World erklärt Frontmann Dexter Holland: „Wir wollten das Rad nicht neu erfinden. Auf Ixnay On The Hombre haben wir das getan, das war okay, aber ich finde nicht, dass wir auf jedem Album eine völlig andere Band sein müssen.“ In der Tat mutet Americana an wie eine Best-Of-Veröffentlichung mit ausschließlich neuem Material.

The Offspring Mitte der Neunziger

Der Name ist Programm

Schon der Titel der Veröffentlichung verrät, womit sich das Album inhaltlich beschäftigt: „Beim Songwriting fiel mir auf, dass sich viele meiner Texte um die amerikanische Kultur im Jahr 1998 drehen. Dafür steht der Begriff ‚Americana‘“, gibt Holland im Billboard Magazine zu Protokoll. „Ich habe darüber nachgedacht, wie verrückt Amerika sich heutzutage aufführt.“ Der Sänger sieht das Interesse seiner Landsleute nicht mehr beim renommierten Autor Norman Rockwell, sondern beim Talkshow-Krawallmacher Jerry Springer, nicht im Leben auf einer Farm, sondern beim Besuch von Burger King. „Diese Eindrücke habe ich ausgeweitet und Skizzen meiner Sicht auf das heutige Amerika formuliert.“ Im Gespräch mit dem San Francisco Gate führt er den Gedanken fort: „Es geht gar nicht darum, jemanden zu verurteilen. Die Songs auf Americana sind Kurzgeschichten, die beschreiben, was wir um uns herum sehen können. Wir möchten die dunkle Seite der Kultur beleuchten. Auf den ersten Blick mag Amerika wie eine Episode von Happy Days aussehen, aber es fühlt sich eher nach Twin Peaks an.“

Als das Album erscheint, stürmt die erste Singleauskopplung bereits die Charts: Pretty Fly (For A White Guy) rechnet gnadenlos mit weißen Vorstadtkindern ab, die sich geben, als seien sie im Ghetto aufgewachsen. Dem Musikmagazin Spin verrät Sänger Dexter Holland, was den Song inspiriert hat: „Diese Leute aus Omaha und Nebraska. Normale Weißbrot-Typen, die sich aufführen, als kämen sie aus Compton. Ziemlich verlogen. Es ist offensichtlich, dass sie auf der Suche nach ihrer Identität sind.“

Ein bisschen Punk, ein bisschen Latino

„Ich hatte eine Art Punk-Version von Lowrider im Sinn“, erzählt er zur Komposition der Hitsingle. „Ich liebe alten Latino-Kram, also haben wir so eine coole Basslinie in den Song eingebaut.“ Ein bisschen legendär: die vier Fantasiebegriffe zu Beginn des Stücks. Doch die Passage ist geklaut. Schon 1983 eröffnen Def Leppard ihren Song Rock Of Ages mit „gunter, glieben, glausen, globen“. Wer nach einer tieferen Bedeutung sucht, wird enttäuscht. Def Lep-Produzent Mutt Lange hat es zu jener Zeit satt, die Jungs mit „1, 2, 3, 4“ einzuzählen und denkt sich stattdessen die lustige Wortfolge aus. Die Band findet die Idee cool und übernimmt sie.

Schwarzmalerei wolle man mit Americana aber nicht betreiben: „Das Album soll nicht den Eindruck erwecken, dass alles hoffnungslos ist“, stellt Holland im Interview mit den Los Angeles Times klar. „Ich hoffe, dass jeder den Songs etwas Positives abgewinnen kann. Stücke wie Staring At The Sun oder Pay The Man sagen nichts anderes aus als: ‘Wie finde ich mich als Individuum in der Welt zurecht?‘ Wenn man darüber nachdenkt, ist das zu schaffen. Im Prinzip möchte ich nur sagen, dass man sein eigenes Leben leben und seine eigenen Prioritäten setzen sollte.“

Heute führt Americana den meisten Quellen zufolge die Liste der bestverkauften Offspring-Alben an, dicht gefolgt von Smash (das ist die Platte mit Self Esteem). Berücksichtigt man, dass die Verkaufszahlen ab 1999 grundsätzlich geringer ausfallen, weil im Jahr 1999 die illegale Filesharing-Plattform Napster online geht, dürfte das fünfte Album der Kalifornier nach Verschiebung der Maßstäbe klar führen. (Mit Napster verbindet The Offspring eine ganz besondere Geschichte, die ihr hier nachlesen könnt.)

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