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Popkultur

Zeitsprung: Am 17.12.1955 komponiert Carl Perkins den Klassiker „Blue Suede Shoes“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 17.12.1955.

von Christof Leim und Tom Küppers

Die Rockmusik und ihre kleinen Geheimnisse: Stundenlang kann man sich in Fragen verlieren wie etwa der, was zum Geier eigentlich dieses „Bustle in your hedgerow“ sein soll, von dem Led Zeppelin in Stairway To Heaven singen. Doch manchmal sind es gerade die ganz banalen Themen, die einen Hit zu eben jenem machen. Als der Gitarrist Carl Perkins am 17. Dezember 1955 einen Song über das sonst eher stiefmütterlich behandelte Thema „Männliche Fußbekleidung“ schreibt, ahnt er nicht, dass sein Blue Suede Shoes ein ganz großer Rock’n’Roll-Klassiker werden wird. Wie es dazu kommt und was Johnny Cash damit zu tun hat, erzählen wir hier.

Hört hier in das Beste von Carl Perkins rein:

Elvis Presley als frühes Idol

Fangen wir vorne an: Carl Lee Perkins wird am 9. April 1932 geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf einer Farm in Tennessee auf. Schon im Alter von sechs Jahren muss er die Familie nach der Schule bei der Arbeit auf den Baumwollfeldern unterstützen. Hier kommt er mit den Gospelsongs der Südstaaten in Kontakt, die vor allem die afroamerikanischen Arbeiter singen, um den Tag rumzukriegen. Einer von ihnen, John Westbrook, bringt Perkins die Geheimnisse der Gitarre nahe. Im Teenageralter verdingt er sich gemeinsam mit seinem Bruder Jay als Musiker in den örtlichen Bars und verdient sich mit Songs wie dem Bill Monroe-Evergreen Blue Moon Of Kentucky die ersten Sporen. Auch das Radio wird auf den jungen Carl aufmerksam, und gegen Ende der Vierziger sind die Perkins Brothers die bekannteste Kapelle in ihrer Gegend. Als Carl 1954 das erste Mal Elvis Presley hört, beschließt er, sich auf nach Memphis zu machen, um bei dessen Label Sun Records vorstellig zu werden.

Erste Erfolge

Blaue Wildlederschuhe auf einer Elvis-Ausstellung – Credit: dbking

Der Besitzer der Firma, Sam Phillips, erkennt sofort das Potenzial des jungen Gitarristen und nimmt ihn unter Vertrag. Schnell stellen sich erste Erfolge ein, weswegen Perkins gemeinsam mit Elvis, Johnny Cash und anderen im Herbst 1955 unter dem Banner Louisiana Hayride-Tour durch den amerikanischen Süden geschickt wird. Eines Abends erzählt Cash beim gemütlichen Beisammensein von seinem Kameraden C.V. White, den er während seines Militärdienstes kennenlernen durfte. Dieser hatte die Eigenart, die zur Uniform dazugehörenden Schuhe immer „blue suede shoes“ (also „blaue Wildlederschuhe“) zu nennen. Darüber solle er doch mal einen Song schreiben, meint Cash zu Perkins. Dieser erwidert konsterniert: „Ich weiß absolut gar nichts über Schuhe. Wie soll ich darüber Songs schreiben?“. 

Wenig später tritt Perkins im Dezember bei einer Tanzveranstaltung auf, bei der ihm ein Pärchen besonders auffällt. Immer wieder beschwert sich der Herr bei der Dame, sie möge ihm doch bitte nicht auf seine „Suedes“ treten. Und irgendwie lässt ihm das keine Ruhe. Am 17. Dezember 1955 schnappt er sich seine Les Paul, greift einen A-Dur-Akkord und legt los. Den Text kritzelt er rasch auf eine braune Papiertüte und nennt den Song Blue Swade. „Ich wusste noch nicht mal wie man das richtig buchstabiert“, unkt Carl später. Nur wenige Tage darauf wird sein neuestes Werk in den Sun Studio aufgenommen, und schon der zweite Take entpuppt sich als Gewinner.

Zu Jahresbeginn 1956 erscheint das inzwischen korrekt betitelte Blue Suede Shoes als Single. Nachdem ein Discjockey aus Cleveland den Titel allabendlich in seiner Show auflegt, werden noch im Januar weitere 25.000 Exemplare nach Ohio geschickt. Perkins unwiderstehlicher Boogie breitet sich zunächst in den südlichen Landstrichen, danach im Rest der USA aus wie ein Fegefeuer. Zeitweise werden in einzelnen Städten mehr als 20.000 Singles pro Tag abgesetzt. Auch Presley ist von Perkins’ Titel begeistert, und nimmt Anfang 1956 seine eigene Version auf. Aufgrund einer Vertragsklausel darf diese allerdings nicht als Single veröffentlicht werden, sondern landet auf Elvis erstem Album sowie einer EP.

Im April hat sich Perkins Version dann über eine Million Mal verkauft, weswegen ihm Plattenfirmen-Chef Phillips einen Cadillac schenkt. Auch die Konkurrenz schläft nicht: Das erfolgreiche Stücke von Gott und der Welt nachgespielt werden, ist in den Fünfzigern gängige Praxis. Alleine 1956 wird der Markt mit mehr als zehn weitere Versionen überflutet. Zu Recht, möchte man meinen. Denn dieser Song kommt bei Country- und Rhythm & Blues-Fans gleichermaßen gut an und fusioniert diese Stile miteinander zu einer frühen Form des Rock’n’Roll.

Blue Suede Shoes gehört wie Chuck Berrys Johnny B. Goode zu den Nummern, mit denen sich jeder Rockmusiker irgendwann in seiner Karriere mal auseinandersetzt. Ein echter Klassiker eben, der im Laufe der Jahre noch unzählige Male gecovert wird, beispielsweise von den Beatles, Black Sabbath, Hendrix und Springsteen. Mindestens genau so oft werden die Blue Suede Shoes von anderen zitiert: Die erste Zeile von Marc Cohns Superhit Walking In Memphis? Genau: „Put on my blue suede shoes…“. Auch Chuck Berry referenziert diesen Begriff in seinem Roll Over Beethoven, im Computerspiel World Of Warcraft können Gamer ein paar blauer Wildlederschuhe finden, die mit „Keep Off“ beschriftet sind. Und die deutsche Version von Paul Kuhn besitzt zweifelsohne einen hohen Unterhaltungswert.

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