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Popkultur

Zeitsprung: Am 19.10.1993 erscheint das fünfzehnte Rush-Album „Counterparts“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 19.10.1993.

von Christof Leim und Tom Küppers

Etwas zu verändern, bedeutet auch, das Alte zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ersetzen. Als Nirvana Anfang der Neunziger mit Smells Like Teen Spirit einen globalen Megahit landen und den glattgebügelten Radiorock ablösen, kommt dies einem Paradigmenwechsel gleich. Dass Rush auf ihrem fünfzehnten Album Counterparts eine kleine Kurskorrektur vornehmen, entpuppt sich trotzdem als ungeplanter und von allen Strömungen unabhängiger, aber nichtsdestotrotz äußerst effektiver Schachzug mit perfektem Timing.


Counterparts hören und lieben lernen:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

Der Zeitgeist geht den Kanadiern nämlich gelinde gesagt und grundsätzlich am Allerwertesten vorbei. Gitarrist Alex Lifeson, Schlagzeuger Neil Peart und Bassist/Sänger Geddy Lee verfolgen seit jeher konsequent ihren eigenen künstlerischen Weg. Die drei Virtuosen haben mit Alben wie 2112 und A Farewell To Kings lupenreine Prog-Rock-Meisterwerke abgeliefert und die Explosion des Punk, die Geburt des Heavy Metal und die Haarspray-Kriege überlebt.



Auf Achtziger-Alben wie Power Windows oder Hold Your Fire stehen dann kontemporäre Keyboards und Synthesizer im musikalischen Fokus. Für ihr kommendes Album entschließen sich Rush 1993 zu einem radikalen Schritt, wie Geddy Lee später in einer amerikanischen Radiosendung erklärt: „Als Alex und ich anfingen, neue Songs zu schreiben, haben wir Berge an Synthesizern angeschleppt. Irgendwann haben wir nur angeschaut und fast eine allergische Reaktion bekommen. Wir sind dann wieder zu einem einfacheren Songwriting zurückgekehrt: Bass, Gitarren, Gesang, Schlagzeug.“ Zu genau dem also, was die Band von Anfang an ausgezeichnet hat.



Bereits die erste Single Stick It Out begeistert mit einem pumpenden Riff samt treibenden Rhythmen und gerät für Rush-Verhältnisse regelrecht metallisch. Auch der Opener Animate schlägt in eine ähnliche Kerbe und demonstriert, dass die drei Kanadier prinzipiell nicht von ihrem bisherigen Weg abweichen – abgesehen von einem veränderten, deutlich gitarrenlastigeren Klangbild. Technisch agiert das Trio nach wie vor auf allerhöchstem Niveau, ihren Songs gelingt scheinbar mühelos der Spagat zwischen vertrackten Zählzeiten und komplexen Tonfolgen auf der einen Seite sowie hoher Eingängigkeit auf der anderen. Für ihr Instrumental Leave That Thing Alone kassieren die drei schlussendlich eine Grammy-Nominierung.



Als Counterparts dann am 19. Oktober 1993 erscheint, landen Rush einen absoluten Volltreffer: Gleich fünf Singles werden ausgekoppelt, das Album gerät zu einem der erfolgreichsten in der Bandgeschichte und schafft es in den USA bis auf Platz zwei der Charts. Die Entscheidung, sich wieder stärker am klassischen Power-Trio-Sound zu orientieren, erweist sich also als goldrichtig.

Auf der dazugehörigen Gastspielreise (im Vorprogramm übrigens zeitgemäße Künstler wie Primus, die Melvins und The Doughboys) gucken europäische Fans mal wieder blöd aus der Wäsche, denn Rush beschränken sich auf die USA und Kanada. Die nach den Konzerten ohnehin geplante Pause wird verlängert, gerüchteweise kommt es auf der Tour zu Spannungen zwischen den Musikern. Lee widmet sich beispielsweise seiner Familie, Lifeson nimmt sein Soloalbum Victor auf, Peart erweist seinem Trommelidol Buddy Rich mittels Tribute-Shows und Platten seine Ehrerbietung. Das nächste Album Test For Echo erscheint erst 1996, aber das ist mal wieder eine andere Geschichte…


Zeitsprung: Am 1.9.1977 veröffentlichen Rush „A Farewell To Kings“.

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