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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.5.2003 müssen die Dixie Chicks sich erklären.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.5.2003.

von Christof Leim

Am 2. Mai 2003 posieren die Dixie Chicks nackt auf dem Cover der Zeitschrift Entertainment Weekly. Auf ihren Körpern stehen Slogans wie „Verräter“, „Saddams Engel“, aber auch „Stolze Amerikaner“. Was war da los?

Hört hier in die Musik der Dixie Chicks rein:

In der Country-Szene der USA kann man ja vieles bringen: Den Cowboyhut falsch aufsetzen, das Frühstücksbier verschütten oder seinen Pickup-Truck heiraten. (Wissen wir nicht genau, vermuten wir aber. Bitte nicht schießen.) Und im Allgemeinen sind die Fans so tolerant, beide Musikrichtungen zu akzeptieren: Country und Western. Aber was gar nicht geht, ist schlecht über das Land, die Flagge oder den Präsidenten zu sprechen. Genau das haben die Dixie Chicks aber getan.

Die konservative Szene heult

Die Welt steht kurz vor dem Irak-Krieg, als die drei Texanerinnen am 10. März 2003 in London spielen. Während dieses Konzertes kündigt Natalie Maines den Song Travelin’ Soldier mit folgender Aussage an: “Just so you know, we’re on the good side with y’all. We do not want this war, this violence, and we’re ashamed that the President of the United States is from Texas.Oder kurz gesagt: „Wir wollen keinen Krieg, und wir schämen uns dafür, dass der Präsident aus Texas stammt.“ Der britische Guardian erwähnt diesen Satz in seinem Konzertbericht, was schließlich von US-Medien aufgegriffen wird. In der augenscheinlich bis zur Kreuzdämlichkeit konservativen Country-Szene der USA kommt diese legitime und letztendlich harmlose Meinungsäußerung gar nicht gut an.

Ein „Desert Storm“ der Entrüstung bricht los: Erstens sei das unpatriotisch, zweitens soll man in einem fremden Land nicht schlecht über den Präsi sprechen. Die aktuelle Dixie-Single Landslide (ein Fleetwood-Mac-Cover) stürzt darauf in den Charts von ziemlich weit oben bis ganz nach unten, Sponsorfirmen erhalten wütende Nachrichten, und zu einer ganz charmanten Aktion dürfen (Ex-)Fans ihre CDs mitbringen, damit sie von einem Bulldozer überfahren werden. Eine Radiostation in Colorado suspendiert sogar zwei DJs, weil sie Musik der Dixie Chicks spielen. Sowohl Madonna als auch Bruce Springsteen weisen in der Folge daraufhin, dass natürlich das Recht auf Meinungsfreiheit gelte, auch bei Kritik am Präsidenten. (Madonna allerdings streicht eine Szene aus ihrem Video zu American Life, in der sie eine Handgranate nach einem Bush-Doppelgänger wirft.)

Country Cancel Culture

Die Stimmung der Szene gegenüber dem Trio gestaltet sich trotzdem als feindselig, und auch die finanziellen Einbußen sind enorm. Doch der Spaß hört komplett auf, als die Dixie Chicks zu ihrer am 1. Mai 2003 startenden Top Of The World-Tour Todesdrohungen erhalten. Die Kritiken zu den Konzerten an und für sich fallen aber positiv aus. Als Maines diejenigen im Publikum zu Buhrufen auffordert, die eigens dazu gekommen seien, erklingt vor allem Beifall. Ein paar Wochen später, am 6. Juli, gibt es in Dallas allerdings eine so spezifische Drohung, dass Natalie Maines durchgängig von der Polizei eskortiert wird. Eine Form von Cancel Culture also, bevor der Begriff überhaupt die Runde machte.

Während alledem lassen sich die Dixie Chicks nicht von ihrer Meinung abbringen. Sie entschuldigen sich zwar für die Respektlosigkeit gegenüber dem Amt des Präsidenten und bezeichnen sich als stolze Amerikanerinnen, doch bei ihrem pazifistischen Standpunkt bleiben sie und starten am 24. April sogar eine Kampagne, um diesen zu erklären. Am 2. Mai 2003 posieren sie schließlich entblößt auf dem Cover von Entertainment Weekly, ihre Körper bedeckt mit Slogans wie „Traitors“, „Saddam’s Angels“, „Dixie Sluts“, „Proud Americans“, „Hero“, „Free Speech“ und „Brave“ – alles authentische Rückmeldungen, positiv und negativ, die sie als Reaktion auf ihre Äußerung erhalten hatten.

Sogar der Präsi kapiert es

Große Teile der Fans ihres Genres nehmen ihnen ihren „Fehltritt“ trotzdem weiter krumm. Deshalb erklärt Martie Maguire gegenüber dem Spiegel: „Wir fühlen uns nicht mehr als Teil der Country-Szene. Das kann nicht mehr unsere Heimat sein.“ Und ihren Kommentar wiederholen sie bei einem weiteren Konzert in London:

Und der Präsident selbst? In einem Interview am 24. April steht George W. Bush erfreulich über den Dingen: „Die Dixie Chicks dürfen ihre Meinung äußern. Sie können sagen, was sie wollen. Sie sollten nicht beleidigt werden, nur weil manche Leute ihre Alben nicht mehr kaufen wollen. Freiheit läuft in zwei Richtungen. Für mich spielt es keine Rolle, was die Dixie Chicks gesagt haben. Ich will das tun, was für die Menschen in den USA richtig ist. Und wenn ein paar Sänger oder Hollywood-Stars etwas dagegen sagen möchten, dann ist das in Ordnung. Das ist das Großartige an Amerika.“ Weise Worte.

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