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Popkultur

Zeitsprung: Am 20.2.2003 bricht bei einer Show von Great White ein verheerendes Feuer aus.

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Foto: Symbolbild

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.2.2003.

von Christof Leim

Am 20. Februar 2003 kommt es bei einer Show der Hard-Rocker Great White zu einem Brand. Die Folgen sind verheerend: 100 Menschen sterben, 230 werden verletzt. Pyrotechnik und nicht erlaubtes Isolationsmaterial sind eine gefährliche Kombination…

Hört euch die Hits von Great White hier an und lest weiter:

Great White befinden sich 2003 quasi in der Ehrenrunde. Die größten Hits hatte die kalifornische Band vor allem in den Achtzigern, der bluesige Hard Rock auf Alben wie Once Bitten (1987) und Twice Shy (1989) macht zwar bis heute Spaß, war aber Anfang der Zweitausender nicht gerade das heiße Ding. Für die Tour 2003 hatten sich die oft zerstrittenen Urmitglieder Jack Russell (Gesang) und Mark Kendall (Gitarre) wieder zusammengefunden.

Es passiert schnell

Am 20. Februar 2003 betritt die Band im Club The Station in West Warwick, Rhode Island zum Song Desert Moon die Bühne. 462 Fans sind gekommen, nicht schlecht für einen Donnerstagabend. Die offizielle Kapazität des Clubs liegt bei 404. Zum Start der Show zündet Tourmanager Daniel Biechele drei Funkenkanonen, wie sie oft auf Konzerten und in Videos verwendet werden. Sofort setzen die Funken den schallisolierenden Schaumstoff an den Wänden und der Decke in Brand.

Great White 1986, kurz vor ihrem Durchbruch.

Zunächst halten einige der Anwesenden das für einen Teil der Show, aber das Feuer verbreitet sich rasend schnell. Schlimmer noch: Der brennende Schaumstoff produziert einen giftigen schwarzen Rauch, den man nur zwei- oder dreimal einatmen kann, bevor man das Bewusstsein verliert oder erstickt. 20 Sekunden nach dem Funkenregen hört die Band auf zu spielen, Sänger Jack Russell sagt „Wow… das ist nicht gut.“ Allen wird klar, dass es gefährlich wird.

Schreckliche Bilder

Es gibt Videoaufnahmen vom Ausbruch des Feuers, die zeigen: Nach weniger als einer Minute (!) steht die Bühne in Flammen, nach nur fünfeinhalb Minuten haben Feuer und Qualm auf den ganzen (!) Club übergegriffen. Schon vorher wird das Entkommen schwer, und nicht nur wegen des giftigen Rauches: Die meisten Fans bewegen sich – psychologisch verständlich – zu der Tür, durch die sie reingekommen sind, obwohl es vier Notausgänge gibt. Es kommt zu einem massiven Stau am Eingang, Leute fallen und liegen bewegungslos übereinander. In Augenzeugenberichten ist die Rede von schwarzen Qualm, der da bereits über sie hinwegzieht. An diesem Abend sterben 100 Menschen, darunter auch Gitarrist Ty Longley. 230 Personen werden verletzt, teilweise schwer verbrannt. 132 Fans, die restlichen Musiker und die Crew entkommen unversehrt. Eine Katastrophe.

In den Tagen nach dem Feuer gibt es unterschiedliche Schuldzuweisungen und Vermutungen zur Ursache. Unter anderem geht es um die Frage, ob die Band die Erlaubnis besaß, Pyrotechnik zu zünden, und ob der verwendete Schaumstoff für die Nutzung auf Bühnen überhaupt geeignet (lies: feuerabweisend) war. Es stellt sich zudem heraus, dass der Club mit einer Sprinkleranlage hätte ausgestattet sein müssen und dass diese das Feuer lange genug im Zaum gehalten hätte, um mehr Menschen die Flucht zu ermöglichen.

Die Schuldfrage

Schlussendlich wird Tourmanager Daniel Biechele angeklagt, der den Funkenregen an dem Abend gezündet hatte. Er bekennt sich entgegen des Rats seines Anwaltes schuldig und hält ein emotionales Statement vor Gericht, in dem er die Verantwortung für die Katastrophe übernimmt. Er wird 2006 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, teilweise zur Bewährung. Im März 2008 wird er entlassen.

Eine Gedenkstätte an der Stelle, an der vor 15 Jahren der Club The Station stand und an dem 100 Menschen ihr Leben gelassen haben. Foto von Joe Webster

Verantwortlich für die Installation des Schaumstoffs sind die beiden Besitzer des Nachtclubs, die Brüder Jeffrey A. and Michael A. Derderian. Die plädieren zunächst auf „nicht schuldig“, dann auf „no contest“, was bedeutet, das sie sich nicht gegen die Anklage verteidigen werden. Michael Derderian erhält das gleiche Urteil wie Biechele, Jeffrey Bewährung und Sozialstunden. Die Band, ihr Management und der Veranstalter werden nicht verurteilt.

Das Leiden dauert an

Great White zahlen eine Million Dollar an die Opfer und Hinterbliebenen aus, weisen aber die Schuld am Unglück von sich. Auch aus anderen Klagen erhalten die Opfer Zuwendungen. Die Band startet im Juli 2003 eine Tour, um Geld zu sammeln. Den Song Desert Moon spielen sie jahrelang überhaupt nicht mehr. Ein Artikel in der New York Times fünf Jahre später zeigt, dass die Opfer weiter massiv unter der Katastrophe leiden (siehe Fotogalerie) und die Hilfen bei weitem nicht ausreichen. Am Ort des Unglücks wird eine Gedenkstätte errichtet, die Stiftung The Station Fire Memorial Fund sammelt weiter für die Opfer.

Und was lernen wir daraus: Spießige TÜV-Bestimmungen zu Brandschutz und deren im Veranstaltungsalltag potenziell nervige Einhaltung sind keine so schlechte Idee…

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