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Popkultur

Zeitsprung: Am 29.8.1988 erscheint „Keeper Of The Seven Keys: Part II“ von Helloween.

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Keeper Of The Seven Keys Part II Album Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.8.1988.

von Christof Leim und Tom Küppers

Am 29. August 1988 veröffentlichen Helloween Keeper Of The Seven Keys: Part II, landen zwei Hits und stehen an der Schwelle zum Weltruhm. Doch so einfach läuft es nicht. Alleine der Song I Want Out enthält leider zu viel Wahres…

Achtung, Klassiker! Keeper Of The Seven Keys: Part II von Helloween:

Eine Geschichte geht im Rock’n’Roll mit schöner Regelmäßigkeit gleich aus: Junge Wilde formieren eine Band, träumen vom dicken Erfolg und scheitern erbarmungslos. Nur alle Jubeljahre erhält eine von zahllosen Formationen tatsächlich die Chance auf den großen Wurf. Genau dann wird es erst richtig spannend, plötzlich heißt es nämlich „fressen oder gefressen werden“. Merke: Der populärmusikalische Selektionsprozess ist eine verdammt harte Nummer. Das können die deutschen Heavy-Metal-Legenden Helloween bestätigen, den mit besagtem dritten Album Keeper Of The Seven Keys: Part II stehen sie an der Schwelle zur Weltkarriere. Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.

Helloween in der Musiksendung „Formel Eins“ (14. August 1988) – Pic: Bernd Muller/Redferns

In der Besetzung Kai Hansen (Gesang und Gitarre), Michael Weikath (Gitarre), Markus Großkopf (Bass) und Ingo Schwichtenberg (Schlagzeug) starten Helloween 1984 in ihrer Heimatstadt Hamburg gemeinsame musikalische Gehversuche. Schon ihre ersten beiden Songs Metal Invaders und Oernst Of Life landen noch im gleichen Jahr auf dem legendären Death Metal-Sampler. Die verantwortliche Plattenfirma Noise Records beweist einen hervorragenden Riecher und nimmt die Band sofort unter ihre Fittiche.

Schnellstart

1985 veröffentlichen Helloween ihre gleichnamige Debüt-EP, der nur wenige Monate später der Albumeinstand Walls Of Jericho folgt. Kai Hansen merkt indes, dass er sich in der Rolle des Frontmanns nicht wirklich wohl fühlt, woraufhin die Band beginnt, sich nach einem Sänger umzuschauen. Dabei soll Hansen auf jeden Fall als Gitarrist und Komponist aktives Mitglied bleiben. „Ich habe mich nie wirklich als Sänger gesehen, eher als Schreihals“, erzählt Kai im britischen Classic Rock. „Obendrein fehlte mir die Disziplin. Saufen und viel Rauchen machen die Stimme nicht besser.“

Die Suche fördert ein echtes Juwel zutage, den seinerzeit gerade volljährig gewordenen Michael Kiske. Gemeinsam entwickeln die Musiker ein ambitioniertes Doppelalbum namens Keeper Of The Seven Keys, doch die Plattenfirma verlangt zwei getrennte Platten. Schon der erste Teil der Keeper-Saga schlägt nach seinem Erscheinen am 23. Mai 1987 ein wie eine Bombe und verkauft sich nicht nur in Deutschland und nicht nur dank der tollen Single Future World hervorragend. Als ein gutes Jahr später am 29. August 1988 endlich Keeper Of The Seven Keys: Part II rauskommt und diesen Stil fortführt, schießen Helloween endgültig durch die Decke.

Doublebass-Ohrwürmer

Musikalisch gelten die Hamburger mit ihrem Doppelschlag als Wegbereiter, wenn nicht sogar Erfinder des europäischen Power Metal, der sich durch viel Doublebass und geradezu fröhlich klingende Melodien auszeichnet. Ein Terminus, mit dem Kai Hansen bis heute über Kreuz liegt: „Mir kam es nicht vor, als ob wir großartig Neues geschaffen hätten. Mit dem Begriff Power Metal konnte damals niemand was anfangen, für uns war das einfach nur Heavy Metal. Und das ist es auch heute noch. Was zum Teufel soll Power Metal überhaupt sein?“

Mit dem von Michael Weikath komponierten Dr. Stein landen die Hamburger sogar in den deutschen Single-Top-Ten, was einen Auftritt in der populären Musiksendung Formel Eins mit sich bringt. Dabei tragen die Musiker weiße Laborkittel, Sonnenbrillen und machen – nicht ganz untypisch für die Kollegen – Blödsinn. Kann man sich trotz schlechter Bildqualität durchaus mal angucken, zumal es keinen offiziellen Clip für den Song gibt.

Streit um Blödsinn

Von einem ganz anderen inhaltlichen Kaliber ist der Hansen-Beitrag I Want Out. Ganz unverhohlen und fast schon desillusioniert klagt der Protagonist über ein fremdbestimmtes Leben. „Klar, das war schon ein Statement. Das bezog sich aber nicht nur auf die Band, sondern beschreibt eher ein generelles Gefühl“, kommentiert er später und berichtet von schlechten Management-Entscheidungen und internen Querelen. Beispielsweise erinnert er sich an stundenlange Tourbus-Diskussionen zwischen Kiske und Weikath, ob Eigelb nun gesund sei oder nicht. Dass sich MTV ausgerechnet in diesen Song verliebt, entbehrt nicht einer gewissen tragischen Komik. Schlussendlich landen Helloween sogar auf der amerikanischen (und vom Musiksender präsentierten) Headbangers Ball Tour, wo sie direkt vor dem Headliner Anthrax randürfen.

Auch in Japan, Europa, selbst in Großbritannien (wo deutsche Bands traditionell einen schweren Stand haben) feiern Helloween riesige Erfolge. In Deutschland reicht es sogar zu Platz fünf der Album-Charts. Damals kommt das einer kleinen Sensation gleich, für die Keeper Of The Seven Keys: Part II mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wird. (Die wird allerdings ein paar Jahre später wieder aberkannt, weil die Plattenfirma versehentlich im Ausland abgesetzte Exemplare zu den Inlandsverkäufen hinzugezählt hat.)

Anschließend kommt der Ärger

An Kai Hansens Wunsch nach Neuem ändern die Erfolge indes nichts: Nach dem Ende des europäischen Tourneeabschnitts verlässt er die Band und beschreitet durchaus erfolgreich mit Gamma Ray ähnlichen Pfade. Die folgenden Helloween-Jahre verlaufen hingegen stürmisch. Legale Zwistigkeiten mit Vertragspartnern legen die Gruppe teilweise lahm, musikalisch fragwürdige Beiträge (Heavy Metal Hamster irgendwer?) lassen Fans wie Kritik ratlos zurück. Live bekommen die Musiker die Quittung mittels halbvoller Ränge serviert. In der Folge wird 1993 zunächst Schlagzeuger Ingo Schwichtenberg entlassen, der sich zwei Jahre später von psychischen Problemen geplagt das Leben nimmt, dann muss Sänger Michael Kiske gehen.

„Dr. Stein“ und „I Want Out“ gehören noch heute auf quasi jede Helloween-Setlist

Zwar berappeln sich Helloween dank des neuen Vokalisten Andi Deris (ehemals Pink Cream 69) wieder und erfreuen sich an einer weltweiten Karriere. Doch 2016 kehren Hansen und Kiske zurück. Unter dem Titel Pumpkins United geht die aktuelle Bandbesetzung zuzüglich der beiden alten Recken auf gemeinsame Welttournee, die einen ersten Höhepunkt bei einer legendären Show auf dem Wacken Open Air im Sommer 2018 findet. Mittlerweile agieren Helloween zu siebt und spielen weltweit. Natürlich mit etlichen Hits von Keeper II in der Setlist. 

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Zeitsprung: Am 8.3.1995 verstirbt Helloween-Drummer Ingo Schwichtenberg.

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