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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.1.1989 erscheint das erste Album von Warrant.

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"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.1.1989.

von Christof Leim

Aus dem Rahmen fällt das Debüt von Warrant 1989 nicht: Der Fünfer spielt sonnigen Hard Rock mit Partyattitüde und fluffigen Frisuren, wie er damals auf MTV in Überdosis gereicht wird. Allerdings schafft die Band damit aus dem Stand einen dicken Platinhit. Dies ist die Geschichte von Dirty Rotten Filthy Stinking Rich.


Hier könnt ihr beim Lesen in das Album reinhören:

Klickt auf Listen für das volle Programm.

Natürlich kommen Warrant aus Los Angeles, dem Mekka des Hair Metal. Den Anfang macht Gitarrist Erik Turner dort schon 1984, doch richtig los geht es erst, als der Sänger Jani Lane von der Band Plain Jane zur Truppe stößt und sich schnell zum Hauptsongwriter entwickelt. 1987 steht endlich das erste belastbare Line-up mit Bassist Jerry Dixon, Leadgitarrist Joey Allen und Drummer Steven Sweet (und nein, die heißen nicht in echt so). Die Band beackert umgehend die Clubszene Kaliforniens und natürlich des Sunset Strip um das Rainbow und Whisky-A-Go-Go.

Haben die Haare schön: Die „Down Boys“ von Warrant – Pic: John Scappati/CBS

Ob man ihre Musik nun Poser Rock, Glam Metal, oder einfach Rock’n’Roll nennen will: Was Van Halen, Kiss und Aerosmith in den Siebzigern sowie Mötley Crüe und Bon Jovi in den Achtzigern vorgelegt haben, ist das Gesetz der Stunde und Dauerbeschallung beim Headbanger’s Ball. Das hedonistische Treiben läuft Ende der Achtziger schon eine ganze Weile, Warrant sind keinesfalls neu oder originell und in Rückschau auch nicht unbedingt besser. Aber sie halten sich ran und tun das, was zu tun ist: Songs schreiben und Gigs spielen. Dass ein paar Jahre vorher bereits eine Speed Metal-Kapelle aus Düsseldorf unter dem gleichen Namen losgeschmettert hat, wissen die Kalifornier vermutlich nicht mal.



Weil sich mit dem ganzen Haarspray-Zauber in jenen Tagen ordentlich Geld verdienen lässt, suchen die großen Plattenfirmen natürlich die neuen Senkrechtstarter des Genres. Sogar für Paisley Park Records, das Label von Prince (ja, der Prince!), nimmt die Truppe der Sage nach Demos auf. Den Zuschlag bekommen schließlich im Januar 1988 CBS Records aus dem Sony-Konzern, kein kleiner Laden also. Seinen Vorschuss haut Jani Lane angeblich umgehend für eine schwarze Corvette auf den Kopf, die er ebenso umgehend zu Schrott fährt. Ob das so stimmt, lässt sich nicht ohne Weiteres überprüfen, aber in die Szene passt es bestens. Das gilt auch für den Produzenten: Beau Hill hat zu diesem Zeitpunkt bereits ein paar Platinauszeichnungen über dem Kamin hängen, zum Beispiel die ersten vier Platten von Ratt und das Debüt von Winger. Eine andere der Bands, mit denen Hill Mitte der Achtziger gearbeitet hat, heißt Streets. Und den Namen merken wir uns mal kurz.



Die Aufnahmen beginnen im April 1988 in Burbank, Kalifornien, also um die Ecke. Sie verzögern sich allerdings, als Lane seine Herzdame im zwischengeschlechtlichen Nahkampf mit seinem besten Freund erwischt und deshalb einen Nervenzusammenbruch erleidet. (Dieses Erlebnis beschreibt er später im Song I Saw Red des Nachfolgealbums Cherry Pie, den er live gerne mit „this is a true story“ ansagt.)



Lange hält sich das Gerücht, dass Erik Turner und Joey Allen nicht auf der Platte gespielt haben, sondern Gitarrist Mike Slamer von – genau – Streets. Und es stimmt, wie Beau Hill zum Beispiel im Podcast The Double Stop freimütig erzählt (nachzuhören genau hier). Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass 1988 das Niveau der sportlichen Rockgitarre dank Saitenhelden wie Eddie Van Halen, Warren DeMartini (Ratt) oder Jake E. Lee ausgesprochen hoch liegt – und Warrant da trotz guter Songs nicht mithalten können. Deshalb fällt die Entscheidung, zumindest die Soli von einem Außenstehenden eingniedeln zu lassen. Alle sind einverstanden, und Mike Slamer bringt Turner und Allen ihre Parts später bei. (Erst auf dem dritten Werk Dog Eat Dog (1992) machen die Warrant-Burschen dann alles selber.)



Das fertige Album erscheint am 31. Januar 1989 unter dem schönen Titel Dirty Rotten Filthy Stinking Rich, also: „reich wie Dreck“. Zumindest in diese Richtung bewegt sich auch bald der Kontostand der Musiker, denn die Platte schafft es bis auf Platz zehn der Billboard-Charts und wird schließlich mehrfach mit Platin ausgezeichnet. Das liegt vor allem an der zweiten Single Heaven, einer ebenso schönen wie typischen „Powerballade“. Deren Erfolg im Rockradio und auf MTV überrascht die Plattenfirma, die deshalb sogar eine Neuaufnahme für einen „größeren Radiosound“ anfertigen lässt. Deshalb geistern zwei marginal verschiedene Versionen des Stückes durch die Welt. Weil die Erstauflage mit der Urversion allerdings eine Viertelmillion Mal gepresst wird, kann man hier schwerlich von einem Sammlerstück sprechen. Die Nummer klingt natürlich sehr nach der Zeit, zeigt aber schon, was für ein guter, mit klassischen Tugenden gesegneter Songwriter und Geschichtenerzähler Jani Lane ist. Heaven steigt sogar bis Platz zwei der Single-Charts und wird nur durch Milli Vanilli vom Thron ferngehalten. Ebenfalls ausgekoppelt werden Down Boys, Big Talk und Sometimes She Cries, die allesamt mindestens in der Top 30 landen. Den Non-Album-Track Game Of War hört man 1989 im Film Bill And Ted’s Excellent Adventure. Es läuft also.

Vier Singles koppeln Warrant aus ihrem Debüt aus, hohe Chartplatzierungen inklusive

Von ihrem Image und Auftreten her passt die Band natürlich hundertprozentig in die Endachtziger: Warrant sind „pretty boys“ mit aufgepufftem Haar und sorgsam gestylten Lederklamotten, wenngleich ohne androgynes Make-up und High Heels wie bei Poison. Synchronisiertes Headbangen geht aber natürlich schon. Und hey, wenn man einheitlich weiße Lederklamotten für das Video der großen Balladen-Hitsingle bekommen kann – warum nicht?



Dirty Rotten Filthy Stinking Rich bietet Dicke-Hose-Party-Rock, also leichte Kost, die man entweder als „herrlich“ oder „Horror“ empfindet. Mit den Platzhirschen des Genres wie Bon Jovi können Warrant da noch nicht mithalten; dafür klingen etliche der Tracks zu leichtgewichtig und zu formelhaft. Dass in Sachen Songwriting mehr in Jani Lane steckt, zeigt sich erst auf Cherry Pie (1990) und Dog Eat Dog (1992), bevor der stilistische Umbruch der Neunziger die Band dann aus der Bahn wirft. Man darf sich fragen, welche Musik Lane in reiferen Jahren geschrieben hätte, doch leider starb er 2011 mit nur 47 an den Folgen seines eskalierenden Alkoholkonsums. Aber das ist mal wieder eine andere Geschichte…


Zeitsprung: Am 7.3.1995 versuchen sich Warrant mit „Ultraphobic“ an neuen Sounds.

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