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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.8.1948 rockt Rudolf Schenker von den Scorpions los.

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Rudolf Schenker
Foto: Gary Miller/FilmMagic

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.8.1948.

von Christof Leim

Rudolf Schenker ist der Motor hinter den Scorpions, und zwar seit über 50 Jahren. Der Gitarrist kann auf eine Weltkarriere zurückblicken mit einer ganzen Reihe von Rockklassikern aus seiner Feder. Zu seinem Geburtstag blicken wir zurück auf schnittige Flying-Vs, grandiose Riffs, gnadenlose Schnäuzer und bemerkenswertes Stehvermögen.

Hört hier in die besten Scorpions-Songs rein:

Der Mann besitzt definitiv einen langen Atem: 1965 gründet Rudolf Schenker als Siebzehnjähriger seine erste Band, aus der später die Scorpions werden. Bis zum ersten Album Lonesome Crow dauert es sieben Jahre, bis zum weltweiten Durchbruch über zehn. Doch Schenker zieht durch – und macht die Scorpions zu einer der größten Rockkapellen der Welt und zum erfolgreichsten deutschen Krachmusikexport. (Ja, auch im Vergleich zu Rammstein.) Dabei hilft ihm seit 1969 Sänger Klaus Meine, über den er sagt: „Der hatte die gleichen Träume wie ich. Und dann haben wir angefangen, Songs zu schreiben.“ Beide verfolgen die Vision, „überall zu spielen, wo es eine Steckdose gibt“ und einmal zu den 30 größten Rockbands zu gehören. Hat geklappt.

Immer voller Einsatz: Rudi Schenker bei der Rock’n’Roll-Gymnastik

Dabei liegt Schenkers Ehrgeiz weniger darin, der schnellste oder technisch versierteste Gitarrist zu werden, wie er ihm Video zum Konzertmitschnitt World Wide Live erklärt, sondern vor allem ein „sehr guter Komponist“. Auch das hat geklappt, wenn man sich anguckt, bei welchen Klassikern der Mann seine Finger im Spiel hatte. Bei mehr als hundert Songs steht Schenkers Name als Komponist oder Co-Komponist in den Credits. Generell liefert Rudolf Schenker als archetypischer Rhythmusgitarrist vor allem die Riffs, gerne auch mit der „Windmühle“ wie Pete Townshend (The Who) oder so weit nach hinten gebeugt, dass er auch als Limbotänzer gebucht werden könnte: Man schaue sich nur das Cover der 1978er-Liveplatte Tokyo Tapes an.

Gutes Händchen

In den Siebzigern klingt das alles ein wenig verspielter, ab den Achtzigern geradlinig und hocheffektiv voll auf die Zwölf. Und das bleibt bis auf ein paar Experimente während der Neunziger bis heute so. Daneben punkten die Scorpions seit jeher mit so genannten Powerballaden wie Still Loving You. Man darf sich fast fragen, ob es ohne unsere Hannoveraner Freunde die ganzen Metal-Ballads-Hitsingles der Heavy-Fraktion auf Headbanger’s Ball überhaupt gegeben hätte. Soli spielt unser Mann selten, beweist dabei aber ein gutes Händchen für eingängige Melodien, wie man zum Beispiel in Wind Of Change, Always Somewhere und Big City Nights hört. Vom Singen hält er sich fast konsequent fern, aber das ist, sagen wir mal, schon in Ordnung.

Ganz früh: Rudolf Schenker (r.) und Band Mitte der Sechziger

Los geht diese Reise am 31. August 1948: Da wird Rudolf Schenker in Hildesheim geboren. Er wächst in Sarstedt zwischen Hildesheim und Hannover als Sohn eines Bauingenieurs auf und interessiert sich als Teenager natürlich für Beatmusik und den frühen Rock’n’Roll. Zudem liegt Musik anscheinend in der Familie: Sein sieben Jahre jüngerer Bruder Michael wird zum gefeierten Rock’n’Roll-Flitzefinger, auch die 18 Jahre jüngere Schwester Barbara macht Musik in der Band Viva. Rudolf gründet eine eigene Gruppe, in der er anfangs auch singt, und will, wie es sich gehört, Rockstar werden.

Berufsausbildung: Och, wenn’s sein muss.

Doch erstmal muss der Junge natürlich auch „was Vernünftiges“ lernen: Er macht eine Ausbildung zum Starkstorm-Elektriker, später zum Fotografen. Das hilft den Scorpions in ihrer Frühzeit, weil Rudolf gegen Geld befreundete Gruppen ablichtet und so die Kasse auffüllt. Die ersten Bandfotos der Scorpions schießt er per Selbstauslöser. Doch glücklich wird der jungen Mann in diesen beiden Berufen nicht werden. Spätestens als Sänger Klaus Meine und der kleine Bruder Michael an der Sologitarre dazustoßen, will Rudolf ernst machen und Profimusiker werden, am liebsten international. Von Anfang schreiben die Jungspunde deshalb ihre Texte auf Englisch, was Ende der Sechziger in Deutschland noch belächelt wird. Doch Schenker zieht durch.

Das Debüt Lonesome Crow erscheint 1972, erste Wellen schlagen die Scorpions mit Fly To The Rainbow (1974), danach folgt im Jahrestakt eine ganze Reihe späterer Klassiker. Die Band spielt überall, wo man sie lässt, erobert ein europäisches Land nach dem anderen und tritt 1978 sogar in Japan auf. Selbst als Klaus Meine 1981 seine Stimme komplett zu verlieren droht, bleibt Rudolf Schenker auf Kurs: Er hält nichts von einem Sängerwechsel und steht zu seinem Freund. Der erholt sich, Blackout folgt 1982 und hilft den Scorpions, den US-Markt zu knacken – für fünf Rocker aus der niedersächsischen Provinz das gelobte Land des Rock’n’Roll.

Damit beginnen die goldenen Jahre: Mit Love At First Sting gelingt 1984, fast 20 Jahre nach Bandgründung, der endgültige Durchbruch (alles dazu hier). Wir sagen doch: Der Mann hat Stehvermögen. Außerdem ist ihm die bemerkenswerte Angewohnheit zu eigen, auf 95 Prozent aller Fotos den Mund aufzureißen, sei es beim harten Riffgeschäft auf der Bühne, bei der Fotosession oder einfach so. Wir würden ja gerne mal sein Passbild aus der Zeit sehen. Aber hey, so ein zünftiges „Yeah!“ ist immer irgendwie Rock’n’Roll.

Noch heute erweist sich Rudolf Schenker im Gespräch als sehr intensiver Typ, der mit viel Nachdruck redet und über eine ordentliche Grundenergie zu verfügen scheint. Die bezieht er womöglich aus Meditation und Yoga, die er schon mit 18 entdeckt und seitdem konsequent praktiziert. Über seine Lebenseinstellung schreibt er sogar das Buch Rock Your Life, das 2009 erscheint und Ratgeber mit Autobiografie vereint. Schenker treibt viel Sport und hält sich sichtlich fit, noch 2008 – mit 60! – steht er Model für den Unterwäsche-Hersteller Mey. Bilder der Kampagne sind hier zu sehen. Der Musiker lebt in Schwarmstedt bei Hannover, hat einen Sohn aus erster Ehe und einen weiteren, noch kleinen Nachwuchsrocker mit seiner neuen Lebensgefährtin.

Foto: Gary Miller/FilmMagic

Superlative

Bis heute haben die Scorpions an die 20 Studioalben und mindestens ein halbes Dutzend Liveplatten rausgebracht, auf allen hat Rudolf Schenker gespielt. Die Verkäufe werden auf locker über 100 Millionen geschätzt, die Zahl der Konzerte geht in die Tausende, Schätzung liegen zwischen 2500 und 5000. Bisher sind die Scorpions in über 80 Ländern aufgetreten. Und immer stand Rudolf Schenker mit seiner Flying V auf der Bühne.

Nach Klaus Meine hat der Gitarrist als zweites Scorpions-Mitglied 2018 die symbolträchtige Grenze von 70 Jahren überschritten, und man sieht es ihm kaum an. Damit gehören die beiden zu einer Riege von Rocklegenden, die allesamt weiter aktiv sind: Alice CooperSteven Tyler von Aerosmith, Robert Plant und Brian Johnson von AC/DC. 

Wir sagen Glückwunsch zum Geburtstag und Danke für die Riffs!

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Zeitsprung: Am 25.2.1979 starten die Scorpions den „Lovedrive“.

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