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Popkultur

Zeitsprung: Am 7.12.1988 feuern Whitesnake ihren Gitarristen Vivian Campbell.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.12.1988.

von Christof Leim

Bei Whitesnake scheint die Position der Gitarristen öfter mit Drama und generell mit viel Fluktuation verbunden zu sein: Nach einer immens erfolgreichen Tour fliegt Vivian Campbell am 7. Dezember 1988 raus. Damit endet das Durcheinander um die Gitarrenposten allerdings nicht…


Hört hier in 1987 rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

Mit dem siebten Album seiner Band Whitesnake knackt David Coverdale den Jackpot: Die schlicht 1987 betitelte Scheibe knallt mit Millionenverkäufen durch die Decke und wirft mehrere gewaltige Hitsingles ab: Still Of The Night, Is This Love und Here I Go Again ’87 werden vom Musikfernsehen und sämtlichen Rocksendern in Dauerschleife gespielt. Allerdings steht Coverdale vor einem Problem: Er hat keinen Gitarristen mehr…

Den hat er nämlich nach den Aufnahmen gefeuert (und den Rest der Band gleich mit): John Sykes hatte sich 1983 mit Thunder & Lightning von Thin Lizzy als Meisterklampfer empfohlen und auf der letzten Tour der Truppe gespielt. Im Dezember 1983 wird er von Whitesnake angeheuert, kann zu Slide It In aber er nur noch ein paar Spuren beisteuern. Auf1987 tobt er sich dann allerdings richtig aus, schreibt fast jeden Song mit und haut Riffs und Licks raus, bei denen Freunde der gekonnten Rockgitarre ein Glitzern in die Augen bekommen.



Doch noch bevor das Ding in den Läden steht, fliegt er im Streit raus. Um diese unehrenhafte Entlassung ranken sich ein paar schöne Geschichten, und die beste geht so: Als Coverdale an Stimmproblemen leidet und die Arbeiten für mehrere Monate ruhen müssen, schlägt Sykes angeblich vor, das neue Whitesnake-Album mit einem neuen Sänger fertigzustellen. Oder anders formuliert: Er will David Coverdale aus dessen eigener Band rauswerfen. Autsch.


Nur einer dieser Herren ist auf „1987“ zu hören, aber der Rest darf mit auf Tour

Der Chef heuert deshalb den Niederländer Adrian Vandenberg an, und weil er ohnehin lieber zwei Klampfer hören will, dazu noch den 25-jährigen irischen Flitzefinger Vivian Campbell, der zuvor auf den ersten drei Dio-Alben brilliert hatte.

Weil das Album 1987 so wahnsinnig erfolgreich ist und im Jahr 1987 MTV regiert, trifft sich die Band zum ersten Mal nicht in einem Studio oder einem Proberaum, sondern beim Videodreh zu Still Of The Night, gefolgt von den Aufnahmen für die Clips zu Here I Go Again und Is This Love. Danach wird für 48 Stunden geprobt, jeder toupiert sich noch ordentlich die Haare zum Himmel (Achtziger!), und dann geht es für satte zwei Jahre auf Tour.



Ein organisches musikalisches Verständnis zwischen den Akteuren entsteht so natürlich eher schwer: „Die Band basierte nur auf dem Image, und das lag an MTV“, erklärt Campbell später der Zeitung Evening Chronicle. „Keiner von uns hatte auf der Platte gespielt, es gab einfach keine ‚Chemie’ zwischen uns.“

Vivian Campbell, David Coverdale, Adrian Vandenberg und viel Haarspray auf der Bühne. Credits: Ebet Roberts/Redferns

Dazu gibt es unterwegs noch richtiges Drama: Weil Coverdales Ehefrau Tawny Kitaen (die Dame, die sich in den besagten Videos auf Autos räkelt) sich nicht mit der Angetrauten von Campbell versteht, wird der aufgefordert, seine Dame gefälligst zu Hause zu lassen. Mehr noch: Der Chef verkündet das nicht mal selbst, sondern lässt die Nachricht durch den Tourmanager überbringen. So richtig gute Stimmung herrscht zwischen Sänger und Gitarrist daraufhin nicht. Als der Tross nach erfolgreichen Konzerten wieder nach Hause rollt, erhält Vivian Campbell die Kündigung – erneut über den Tourmanager.

In der Presseerklärung werden „die üblichen musikalischen Differenzen“ als Grund genannt, der Entlassene berichtet jedoch: „David wollte nur mit Adrian Vandenberg Songs schreiben, weil sie gut zusammenarbeiten können. Das ist legitim, denn bei Whitesnake hat er das sagen. Zudem wollte Adrian keinen zweiten Gitarristen neben sich haben und lieber alleine bei Whitesnake spielen.“



Viele Tränen weint Campbell der Band nicht nach, vor allem weil er nach eigenen Aussagen den Respekt vor Coverdale verloren hat, weil der ihm nicht mal persönlich seine Entscheidungen mitteilen konnte: „Ich betrachte Whitesnake nicht als Teil meiner Karriere, weil ich nie Songs mit der Band schreiben konnte.“ (Mittlerweile haben sich die beiden Herren übrigens wieder vertragen.)

Whitesnake mit Adrian Vandenberg (2.v.l.) und Steve Vai (Mitte)

Damit endet das Drama jedoch nicht: Adrian Vandenberg komponiert mit Coverdale die Songs zu Slip Of The Tongue (1989), kann sie wegen einer Handverletzung jedoch nicht einspielen. Für ihn springt Sechs-Saiten-König Steve Vai ein, der dem Album damit unmissverständlich seinen eigenen Stempel aufdrückt. Auf der Plattenhülle wird das natürlich vermerkt – allerdings in der kleinsten Zeichengröße, die die Grafiker damals auftreiben können. Die anstehenden Konzerte spielt Vai ebenfalls mit, womit sich Vandenbergs Pläne, der einzige Gitarrist zu bleiben, erledigt haben. Nach der Tour trennt sich diese Line-up erneut, und es sollten noch etliche neue Klampfer bei Whitesnake folgen. Aber das sind andere Geschichten…


Zeitsprung: Am 16.4.1984 erscheint „Slide It In“ von Whitesnake.

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