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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.6.1999 erscheint „Enema Of The State“ von Blink-182.

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Enema

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.6.1999.

von Timon Menge und Christof Leim

Blink-182 gehören zwar zu den Spätzündern des Pop-Punk, haben das Genre aber maßgeblich mitgeprägt. Vor allem ab 1997 geht es bei den Kaliforniern rund. Doch der Erfolg bringt auch Probleme mit sich: Es kommt zum Streit und schließlich zu einem entscheidenden Besetzungswechsel am Schlagzeug. Am 1. Juni 1999 veröffentlicht die Gruppe dann ihr drittes Album Enema Of The State — und schafft den Durchbruch.


Hört hier in Enema Of The State:


Den Grundstein für ihren raketenartigen Aufstieg legen Blink-182 bereits zwei Jahre vorher. Mit der Veröffentlichung ihrer zweiten Platte Dude Ranch kann die Gruppe wichtige Türen öffnen, zum Beispiel im Live-Geschäft. So reisen die Punkrocker 1997 im Rahmen der legendären Warped Tour durch Nordamerika und erspielen sich innerhalb kürzester Zeit ein Vielfaches ihres bisherigen Publikums. Mit dem Ruhm wachsen allerdings auch die Probleme.



Der Terminkalender der Kalifornier füllt sich rasend, vor allem Frontmann Tom DeLonge leidet darunter. „Vor dem längsten Teil der Tour hatte ich gerade meine Verlobte kennengelernt“, erzählt er 2001. „Wir waren erst frisch zusammengekommen und verliebt. Und dann musste ich gehen und sagen: ‘Hey, ich sehe dich in neun Monaten.’ Das war echt hart.“



Die internen Spannungen steigen, TV-Termine und Interviews werden aus Zeitmangel oft abgesagt. Die Musiker sind schlicht überarbeitet und können nicht mehr. Schlagzeuger Scott Raynor möchte zudem seinen High-School-Abschluss nachholen und nimmt sogar das entsprechende Lernmaterial mit auf Tour. Im Februar 1998 kocht der Streit beim SnoCore Festival in den Staaten hoch, Raynor steigt wutentbrannt aus — und räumt den Drumhocker für einen Trommler, dem mit Blink-182 wirklich alles gelingen soll.

Vor der ersten Show hat Travis Barker der Sage nach gerade einmal 45 Minuten Zeit, um 20 Songs der Gruppe zu lernen, doch er meistert die Situation. Auch auf der Bühne stimmt die Chemie. Während einer anschließenden Tour durch Kalifornien kehrt allerdings Raynor zur Band zurück und spielt mit Blink-1982 im Palladium in Hollywood. Davon hatten die Musiker seit Jahren geträumt, doch über der Show hängen dunkle Wolken: Der Gründungsschlagzeuger leidet an einem Alkoholproblem. Seine Kollegen stellen ihn vor die Wahl: Er solle aufhören zu trinken oder sich in eine Reha begeben. Raynor stimmt beidem zu, wird dann aber trotzdem entlassen. Jahre später bezeichnet er selbst das als eine gute Entscheidung seiner Mitmusiker.

Heben den Pop-Punk im Juni 1999 auf eine neue Ebene: Mark Hoppus, Tom DeLonge und Travis Barker

Die Arbeiten an ihrem neuen Album nehmen Blink-182 also mit ihrem neuen Trommler Travis Barker auf, der fortan zu einem Aushängeschild der Band werden wird. Die Gruppe erhält erstmals einen dicken Vorschuss von ihrer Plattenfirma, im Oktober 1998 geht es los. Ein bisschen Angst vor der neuen Scheibe verspüren die Musiker schon, seit zwei Jahren haben sie kein Studio von innen gesehen. Unbegründet, wie sich herausstellt: Nach gerade einmal zwei Wochen sind alle Songs geschrieben. Dabei hat auch Barker geholfen, obwohl er aus vertraglichen Gründen nicht als Songwriter genannt wird. So oder so: Die Aufnahmen können beginnen.

Mit ihren Demos im Gepäck fliegen die Musiker nach Kalifornien, wo sie Jerry Finn treffen, der zum Beispiel Dookie von Green Day produziert hat. Der Profi nimmt die Jungspunde kräftig in die Mangel, immer wieder verlangt er eine noch bessere Spur. Trotzdem kommt der Spaß nicht zu kurz, wie Hoppus berichtet: „Aufnehmen kann ziemlich langweilig sein, aber mit Jerry konnten wir wenigstens lachen. Normalerweise sah unser Tag so aus, dass wir mehrere Takes eingespielt haben – und dann nackig auf ihn draufgesprungen sind.“



Apropos nackt: Für das Cover stellt sich Pornodarstellerin Janine Lindemulder als Krankenschwester vor die Kamera; auch im Musikvideo zu What’s My Age Again? sieht man sie kurz. Dass die Dame sonst eher nicht jugendfreie Filmchen dreht, wollen die Musiker bei der Auswahl des Fotos nicht gewusst haben. Erst Produzent Finn habe sie darüber informiert. Der bestätigt die Äußerung: „Es ist schon lustig, dass die Band aufgrund des Artworks mit Musikern wie Kid Rock oder Limp Bizkit in einen Topf geworfen wurde, also Leuten, die tatsächlich eine Art Pimp-Image pflegen. Denn dafür stehen Blink so gar nicht.“



Am 1. Juni 1999 erscheint das Album und katapultiert die Kalifornier durch die Decke. Mit What’s My Age Again?, All The Small Things und Adam’s Song enthält die Platte drei große Hits und sorgt innerhalb kürzester Zeit für den internationalen Durchbruch. Mutt landet sogar im Soundtrack der erfolgreichen Teenagerkomödie American Pie, die weltweit mehr als 200 Millionen US-Dollar einspielt. Kein Wunder, denn inhaltlich beschäftigt sich das Album mehrheitlich mit genau den Themen, die einen Teenager nun mal beschäftigen: Liebeskummer, das Erwachsenwerden, Freundschaft und Sex. Für Aufruhr unter manchen Fans sorgt allerdings die Produktion von Finn — ein Schicksal, das vorher auch Green Day ereilt hat. So wirft man Blink-182 vor, die neue Platte sei zu weichgespült. Einige alte Anhänger wenden sich ab.



Dafür kommen genug neue dazu: Enema Of The State erreicht Platz neun der Billboard-Charts, mehr als 100.000 Exemplare gehen schon in der ersten Woche über die Ladentheken. Als die Verkaufszahlen bekannt werden, touren Blink-182 gerade mit Lagwagon durch Europa. Deren Sänger Joey Cape erinnert sich: „Ich habe ihnen zu gesagt: ‘Was macht ihr noch hier? Fliegt nach Hause! Warum möchtet ihr in dieser Situation mit Lagwagon touren?’” Tatsächlich wirkt es zu jener Zeit befremdlich, dass Blink-182 im Vorprogramm einer Gruppe spielen, die sie gerade mit Karacho überholt haben. Den ultimativen Ritterschlag erhalten die Nachwuchspunks kurze Zeit später von Offspring-Gitarrist Noodles, wie sich Tom DeLonge erinnert: „Er sah mir direkt in die Augen und sagte: ‘Ihr seid die Nächsten.’” Er sollte Recht behalten.

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