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Popkultur

Zeitsprung: Am 19.3.1919 verlangt ein Axtmörder Live-Jazz in New Orleans.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 19.3.1919.

von Christof Leim

Am 19. März 1919 schallt aus jeder Kneipe und jedem Haus in New Orleans Jazz. Denn ein Serienmörder hatte angedroht, bei zu wenig Musik wieder zuzuschlagen. Eine wahre Geschichte.


Hört hier in New Orleans-Jazz von damals rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

Es herrscht Aufregung in New Orleans in den Jahren 1918 und 1919: Ein Unbekannter dringt nachts in Wohnungen ein und tötet die Bewohner, doch die Polizei tappt im Dunklen. Der Mörder geht dabei immer nach dem gleichen Prinzip vor. Die Opfer sind alle italienischer Abstammung, die Tatwaffe stammt aus dem Haushalt, meistens Äxte, Rasierer oder ähnliches. Gestohlen wird nichts. Und natürlich berichten die Medien von jedem gruseligen Detail.

Richtig abgefahren wird die Geschichte am 13. März 1919, als die Times-Picayune einen Brief veröffentlicht, der von dem Axtmörder stammen soll. Darin bezeichnet er sich als Dämon aus der Hell und droht damit, in der Nacht des 19. März eine Viertelstunde nach Mitternacht all diejenigen umzubringen, aus deren Haus keine Jazzmusik erschallt.

Im originalen Wortlaut hört sich das so an: „Now, to be exact, at 12:15 (earthly time) on next Tuesday night, I am going to pass over New Orleans. In my infinite mercy, I am going to make a little proposition to you people. Here it is: I am very fond of jazz music, and I swear by all the devils in the nether regions that every person shall be spared in whose home a jazz band is in full swing at the time I have just mentioned. If everyone has a jazz band going, well, then, so much the better for you people. One thing is certain and that is that some of your people who do not jazz it out on that specific Tuesday night (if there be any) will get the axe.“ (Den gesamten Brief könnt ihr hier nachlesen.)



Deshalb drängeln sich der Sage nach in dieser Nacht die Menschen in den Tanzlokalen, Musikkneipen und Konzertschuppen, auch aus privaten Wohnungen dringt Jazz. Vor allem der True Crime-Autor Robert Tallant berichtet das in seinem Buch Ready To Hang von 1952. Die Historikerin Miriam C. Davis schränkt das 2018 in ihrem Werk The Axeman of New Orleans: The True Story ein wenig ein, wie sie dem Magazin Vice erzählt: Tatsächlich feiern und musizieren viele, manche schließen sich aber einfach ein, die meisten Leute ignorieren den Brief. So oder so: In der ohnehin lebhaften Stadt gibt es in dieser Nacht mehr Musik – und tatsächlich keine Axtmorde.

In den folgenden Monaten schlägt der Killer allerdings noch mehrere Male zu, erst im Oktober 1919 endet die Serie seiner Bluttaten. Die Polizei nimmt etliche Verdächtige fest, kann aber nie genug Beweise sammeln. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt.



Wer den mysteriösen Brief verfasst hat, bleibt ebenfalls im Dunkeln. Nach einer Theorie von Miriam Davis könnte es ein Jazzmusiker namens John Joseph Dávila gewesen sein, der kurz nach dem Erscheinen des Schreibens ein Stück namens The Mysterious Axeman’s Jazz (Don’t Scare Me Papa) veröffentlicht. 2018 nimmt es die Jazzband Squirrel Nut Zippers neu auf.


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