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Popkultur

Zeitsprung: Am 4.3.1983 erscheint das letzte Thin-Lizzy-Studiowerk „Thunder And Lightning“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.3.1983.

von Christof Leim

Mit dem Beginn der Achtziger läuft es bei Thin Lizzy nicht mehr ganz so rund: Im Line-up rumort es, die Verkäufe sinken, der Drogenkonsum läuft aus dem Ruder. Eine Platte soll es aber noch geben. Und die erweist sich als beinharter Klassiker: Thunder And Lightning.

Hört euch das Album hier an und lest weiter:

Bevor Thin Lizzy sich an die Aufnahmen zu Thunder And Lightning machen können, muss Bandchef Phil Lynott erstmal einen neuen Gitarristen finden. Snowy White hat seinen Hut genommen, deshalb werben die irischen Rocker John Sykes von der Band Tygers Of Pan Tang ab. Damit sind keinesfalls alle Probleme gelöst: Lynott verzettelt sich in Soloprojekten, sein langjähriger Partner, Gitarrist Scott Gorham, muss wegen drogenbedingter Zusammenbrüche pausieren, und sogar Brian Downey, ewiger Thin Lizzy-Drummer seit Anbeginn der Zeit, setzt ein paar Shows aus. Dass die beiden letzten Alben Chinatown (1980) und Renegade (1981) nur mäßig gelaufen sind, hilft ebensowenig. Als der langjährige Manager Chris O’Donnell damals das Handtuch wirft, kommentiert er: „Eine ehemals brillante Band verwandelte sich vor meinen Augen in Scheiße.“

Energieschub

Immerhin: Die Songideen für das zwölfte Album können sich hören lassen, und der zehn Jahre jüngere John Sykes verpasst der Band einen Energieschub. Zusammen mit Produzent Chris Tsangarides verleihen Thin Lizzy den neun Nummern einen härteren Sound, der mehr nach Metal als nach dem Classic Rock der Siebziger klingt. Damit stehen sie nicht alleine da, schließlich setzt der traditionelle Heavy Metal damals zum Höhenflug an. So konnte zum Beispiel eine kleine Band namens Iron Maiden mit der Single Run To The Hills und ihrem Album The Number Of The Beast im gleichen Jahr Platz eins in Großbritannien erobern. Auch das gleichermaßen martialische wie klischeebeladene Cover von Thunder And Lightning passt bestens in die Zeit.

Thin Lizzy in ihrer letzten Mannschaftsaufstellung: Sykes, Downey (verdeckt), Lynott, Gorham, Wharton. Bild Credits: Harry Potts.

Wie es sich für ein Lizzy-Album gehört, gibt es ordentlich Gitarrenzauber, tolle Melodien und auch die zweistimmigen Harmonien, die zum musikalischen Fingerabdruck der Band geworden waren. Vor allem John Sykes drückt hier richtig ab: Der Mann kann vermutlich selbst „Guten Morgen“ nur in Sechzehnteltriolen sagen. Wie ein aufgedrehter Welpe springt seine Gitarre durch die Soli, so dass der „Klassiker“ Scott Gorham fasst im Windschatten verschwindet.

Der Song des Neuen

Als Sykes zu Lizzy stößt, sind die Kompositionen bereits fertig, doch die Basis für eine Nummer kann der Neue noch beisteuern: Cold Sweat wird im Studio fertiggestellt und sogar als erste Single ausgekoppelt. Zu Recht, denn das Ding knallt – und zeigt, dass manchmal ein einziges Riff, ein paar Läufe und eine dringliche Performance für einen Treffer ausreichen. Die Tatsache, dass in Sachen Sportgitarre ein neues Zeitalter angebrochen ist, zeigt sich auch im hyperaktiven Tapping-Solo, das Sykes hier abfeuert. Cold Sweat hat sich bis heute zu einem Klassiker des Achtziger-Hard Rocks entwickelt, was Coverversionen von Megadeth, Helloween, Sodom und The Sword unterstreichen.

„Dringlich“ klingt auch das rabiate Titelstück, von Lynott atemlos geröhrt und vorherbestimmt, zukünftige Shows mit einem Knall zu eröffnen. Nächste Single und Klassiker Nummer zwei: Check. Angesichts dieser beiden Kraftprotze überrascht The Sun Goes Down, eine atmosphärische Ballade, die auf den obligatorischen lauten Refrain oder Abgehteil am Ende verzichtet – ebenfalls ein Klassiker, ebenfalls eine Single.

Letzte Erfolge

Vom Rest des Materials können vor allem The Holy War und Baby Please Don’t Go überzeugen, insgesamt erweist sich Thunder And Lightning als das qualitativ und stilistisch konsistenteste Werk seit Black Rose: A Rock Legend von 1979. Die Stücke stammen neben Hauptsongwriter Phil Lynott diesmal vor allem von Keyboarder Darren Wharton und Brian Downey. Scott Gorham hingegen kann nur bei zwei Songs aus der hinteren Reihe Ideen unterbringen.

Den amerikanischen Markt, der sie in den Siebzigern bereitwillig in die Arme geschlossen hatte, können Thin Lizzy mit Thunder And Lightning zwar nicht wieder knacken (Platz 159), aber zu Hause in Großbritannien reicht es für einen beachtenswerten Platz 4. Die Tour zur Platte wird nichtsdestotrotz als Abschiedsreise angekündigt. Lynott soll sich zwar angeblich nicht sicher sein, ob dies wirklich das Ende der Band bedeutet hätte, aber Gorham hat genug. Später gibt er oft zu Protokoll, dass er weitere Jahre mit Thin Lizzy nicht überlebt hätte. Heroin kills.

Allerletzte Versuche

Sykes, der aufgeregte junge Gitarrenwelpe, will natürlich weitermachen. Aber das funktioniert alles nicht mehr so recht: Auf einer Japantour kommt der Nachschub an Heroin ins Stocken, die Band stolpert weiter und spielt dabei nicht unbedingt schlechte Shows, aber trotzdem ist nach dem 4. September 1983 und einem Auftritt bei den Monsters Of Rock in Nürnberg Schluss. Am 16. Oktober 1983 erscheint lediglich noch das Live-Doppelalbum Life.

Lynott, Downey und Sykes gehen in der Folge nochmal als The Three Musketeers auf Tour, der Frontmann versucht sich an mehreren neuen Projekten, kann aber keine großen Sprünge machen. Sykes wird schließlich von Whitesnake abgeworben. Schlimm trifft es den großen Phil Lynott, einen der besten Songwriter und Texter der Rock’n’Roll-Historie: Keine drei Jahre nach dem letzten Thin Lizzy-Werk stirbt er am 4. Januar 1986 mit nur 36 Jahren an seinem Drogenkonsum.

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Zeitsprung: Am 4.9.1983 spielt Phil Lynott in Nürnberg zum letzten Mal mit Thin Lizzy.

 

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