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Popkultur

25 Jahre „Reasonable Doubt“: Der Grundstein für Jay-Zs Empire

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Jay-Z
Foto: Al Pereira/Michael Ochs Archives/Getty Images

Er ist der erste Rap-Milliardär und seit diesem Jahr Mitglied der Rock And Roll Hall Of Fame. Doch ohne sein Debüt Reasonable Doubt wäre Jay-Z nie dorthin gekommen. Würdigung eines ungeschminkten Hip-Hop-Meilensteins aus den dreckigen Straßen von New York.

von Björn Springorum

Vom Tellerwäscher zum Milliardär: Wenn man sich Jay-Z heute so ansieht, hat man Schwierigkeiten, in ihm noch den Crack dealenden Jungen auf den dampfenden Straßen von Brooklyn zu sehen. 1,5 Milliarden US-Dollar schwer, seit 2008 verheiratet mit Königin Beyoncé, Chef bei Def Jam und dem Streaming-Dienst Tidal, 23 Grammys im Regal und mit mehr als 50 Millionen verkauften Platten einer der erfolgreichsten Rapper der Geschichte: ein Empire, erschaffen aus leeren Händen und kühnen Träumen.

Jay-Z, der Jäger der Möglichkeiten

Vor 25 Jahren sieht das noch ganz anders aus. 1996 versucht Jay-Z schon seit einigen Jahren, als Rapper groß rauszukommen, hängt mit Kollegen wie Notorious B.I.G. oder Big Daddy Kane rum. Er dealt Crack, um Geld zu verdienen, wird in Schießereien verwickelt, macht Musik, lebt praktisch auf der Straße. Perspektive: null. Also muss es mit der Mucke klappen. Er ist talentiert, das merkt er. Er nimmt Tracks auf und verkauft sie aus dem Kofferraum seines Wagens wie gefälschte Rolex-Uhren. 1994 kommt seine erste offizielle Single In My Lifetime, sogar bei einem richtigen Label, wie Jay-Z sich das immer vorgestellt hat.

Doch es passt ihm nicht, wie wenig man dort für ihn und seine Musik tut. Kurzerhand gründet er sein eigenes Label Roc-A-Fella Records. Was man halt so macht als mittelloser Rapper, der schon mehr als einmal in Konflikt mit dem Gesetz kam und streng genommen keinerlei Erfahrung mit dem Business hat. „Ich habe nie darauf gewartet, dass man mir etwas gibt. Ich wusste, dass ich auf mich allein gestellt war. Mich ereilten keine Möglichkeiten. Ich musste sie jagen“, sagte er mal in einem Interview.

Von der Straße ins Rap-Pantheon

Heute wissen wir natürlich: Junge, das hat sich gelohnt! Damals, in einem echt miesen Teil von New York City, wo sich Roc-A-Fella Records ein kleines, schmutziges Büro mit Kakerlaken teilen, sieht das noch anders aus. Aber Jay-Z ist entweder ein blauäugiger Träumer oder ein junger Rapper mit einer überlebensgroßen Portion Selbstbewusstsein: Schon damals, in der heruntergekommenen John Street mit ihren vernagelten Fenstern, Hot-Dog-Karren und desillusionierten Bewohner*innen, hat er Manhattan im Blick – ein erster Vorgeschmack auf Empire State Of Mind vielleicht?

Die Millionen, die Autos und der Einfluss sind damals noch unerreichbar weit entfernt. Dafür beginnt der 26-Jährige mit den Arbeiten an einem Album, das heute als eines der ganz großen Referenzwerke seinen Platz im Rap-Pantheon eingenommen hat: Reasonable Doubt. Aufgenommen in den D&D Studios und in Florida, erzählt Jay-Zs Erste die Geschichte eines Jungen von der Straße, der bei allem Bling-Bling auch um die Schattenseiten dieser Existenz weiß. Wo andere nur prahlen, sich in Kokain, Hinterteilen, Schampus, Zigarren und dicken Karren suhlen, macht Jay-Z keinen Hehl aus den Abgründen. Reasonable Doubt ist ein packendes Rap-Narrativ, ein direktes, unverblümtes, schmutziges Hip-Hop-Meisterwerk, das hinterfragt, was ein solcher Lebenswandel mit der Seele macht. Mit der Menschlichkeit.

Von einem Leben ins nächste

Der Jay-Z, der uns hier begegnet, ist jung, ungestüm und wild, rappt wie ein junger Gott und textet so ziemlich alles an die Wand, was es damals gibt. Mit dem Jay-Z der späteren Jahre, der gern auch mal mit dem Pop flirtet und mit Justin Timberlake arbeitet, hat das hier nichts zu tun. So stark die Songs und so prägnant die Beats, so aufwühlend sind auch die Inhalte. Der junge Rapper fasst seinen exzessiven Lifestyle in punktgenaue und poetische Reime, helfen lässt er sich dabei von Mary J. Blige oder seinem alten Schulfreund Notorious B.I.G. „Dieses Album ist der Übergang von meinem früheren Leben in das nächste“, so fasste er es mal zusammen.

Heute ist Reasonable Doubt ein Wahrzeichen des Hip-Hop, der Goldstandard dieser Musik und für viele (den Schöpfer eingeschlossen) das beste Jay-Z-Werk überhaupt. Und das coolste auch. Schwer vorstellbar, wie man als Rapper lässiger und cooler rüberkommen kann. Ein Album von der Straße für die Straße – und für Jay-Z die Initialzündung vom Crack-Baron der Nebenstraßen zum Rap-Royal. Bei allem Kritiker*innenlob muss er auf den monetären Erfolg warten: Reasonable Doubt verkauft sich anfangs nur okay, kann aber zehn Jahre nach seinem Erscheinen Platin abstauben.

Die Dinge laufen für Jay-Z. Und werden am 9. März 1997 von einer Tragödie überschattet: Sein Kumpel und Mentor Notorious B.I.G. wird in den frühen Morgenstunden in Los Angeles erschossen. Das folgende Album In My Lifetime, Vol. 1 entsteht in der Zeit der Trauer und thematisiert seine schwere Kindheit und seine frühen Exkursionen in die Halbwelt von New York City. Der Erfolg, er ist von diesem Punkt nicht mehr aufzuhalten. Und wäre ohne die ungeschminkte Härte und die fast schon arrogant-juvenile Attitüde des bemerkenswerten Debüts niemals möglich gewesen. Aber wer Beyoncé von sich überzeugen kann, dem gehört eh die Welt.

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