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Popkultur

Girls Gone Mad – Emanzipation, Frauenbilder und Pop

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Nicki Minaj, Rihanna und Miley Cyrus bilden lediglich die Spitze eines Eisberges an weiblichen Künstlerinnen, die heute das Frauenbild im Hip Hop und RnB prägen. Längst werden die Musikerinnen neben ihren männlichen Kollegen als ernstzunehmende Künstler wahrgenommen, deren bewusste, inszenierte Körperlichkeit dabei essentielle Bestandteile ihres Gesamtkonstrukts darstellen. Die weiblichen Pioniere des Hip Hop ebneten ihnen den Weg, Feminismus und Körperlichkeit in eine Szene einzubringen, in der der weibliche Körper lange Zeit nur als Objekt galt.

 

Grundlage für den Erfolg der Künstlerinnen, die heute durch provokantes und sexualisiertes Auftreten in den Medien gleichermaßen Kritik wie Bewunderung ernten, ist nicht nur Talent und Durchhaltevermögen, sondern auch eine lange Tradition von Feminismus in Rock, Pop und Hip Hop.
Schrien die Spice Girls in den 90ern noch mit schriller Stimme nach Girl Power, bedienten sie dennoch viele Klischees und Identifikationspotentiale, die aus den Kinderzimmerträumen der anhimmelnden Mädchen gewebt wurden. Die besagte Girl Power war dabei kein neues Konzept, sondern ist bereits von Pop-Ikonen wie Madonna oder Cyndi Lauper formuliert worden. Die Kaugummi Blase aus Kommerz, kurzen Röcken und einem Versuch von modernem Feminismus platze 1998, als Ginger Spice Gari Halliwell die Band verließ – nur zwei Jahre nachdem die Debüt-Single „Wannabe“ (If you wanna be my lover, you gotta get with my friends, make it last forever, friendship never ends) sisters before misters proklamierte.

 

 

In den USA heißen erfolgreiche Girlbands aus dieser Zeit TLC oder Destiny‘s Child, die sich nahtlos in die Diskussion um Emanzipation in der Pop- und Rockmusik einreihen konnten. Während Frontfrau Beyoncé Knowles heute ihre geballte Weiblichkeit in exzentrischen Bodysuits offen zur Schau trägt, stehen die soften Liebes-Lyrics oft konträr zum unabhängigen Powerfrau Image, das sie für viele verkörpert. Ebenfalls bauchfrei sexy inszenierten sich schon T-Boz Watkins, Lisa Left Eye Lopes und Chilli Thomas formerly known as TLC – doch ihr selbstbewusstes Auftreten spiegelt sich ebenso in Songs wie „No Scrubs“ (No, I don’t want your number, no, I don’t want to give you mine) oder „Girl Talk“ (Girls talk about the booty too, about the way a brother is hangin’ too).

 

Im Hip Hop liest man im Zusammenhang mit Feminismus und dessen Vorreiterinnen besonders oft die Namen Missy Elliott und Queen Latifah. Beide Damen bewiesen mit ihrem selbstbewussten Auftreten, Humor und Multi-Talent, dass auch Frauen einen Platz in der Rap-Szene haben müssen. Queen Latifah betitelte ihr Debüt 1989 durchaus selbstsicher mit „All Hail The Queen” und das zu Recht, hört man den Song „Ladies First” feat. Monie Love (We are the ones that give birth, to the new generation of prophets, cause it’s ladies first). Im zugehörigen Video, das nicht nur auf rein feministisches Statement zu reduzieren ist, werden Genderprobleme als auch Rassismus durch ironische Brechungen im Visuellen sowie in Latifahs Lyrics thematisiert. Missy Elliott ist dagegen eine der ersten weiblichen Superstars der Rap und Hip Hop Szene, die auch über die Grenzen der USA hinweg Bekanntheit erlangte. In ihren eigenen Songs wie „One Minute Man“ oder „Work It“ weitet sie musikalische wie textliche Grenzen, als Produzentin und Songwriterin übte sie zusätzlich immensen Einfluss auf andere Sängerinnen wie Christina Aguilera, Pink oder Janet Jackson.

 

 

Pendants zu den weiblichen Pionieren der Rap und Hip Hop Szene wie Missy Elliott, M.I.A. oder Queen Latifah, die sich nicht auf ihren Körper reduzieren lassen, dafür allerdings mit musikalischem Talent und ungewohnter Schlagfertigkeit ihren Platz in der Rap Szene erobern, gibt es auch in der Pop- und Rockmusik der 90er. Künstlerinnen, die sich offensiv sexualisiert selbst inszenieren spielen in Bands wie Bikini Kill, Sleater Kinney oder Hole und bezeichnen sich selbst als Riot Grrrls, die in zerrissenen Kleidchen und Springerstiefeln bestimmte Mädchenklischees ihrer Grundlage entheben und den Claim “Girl Power” auf eine völlig neue Ebene hieven. Für eine elektronische Wiederbelebung dieser Riot Grrrl Bewegung Anfang der 00er Jahre sorgten dann beispielsweise Le Tigre und Peaches, die nicht nur betont sexy trashig auftraten, sondern auch ihre feministischen Botschaften in elektronischen Pop kleideten. Fast ein Einhornflüstern zu weit führte jüngst Lady Gaga die Diskussion um Geschlechterrollen und Pop-Feminismus, wenn sie in Latex, Fleisch oder Kermit-Kuscheltiere gehüllt weder Männlein noch Weiblein darstellt und das Identifikationspotential somit ad absurdum führt.

 

 

Als eine Ikone einer neuen Körperlichkeit bricht sie damit Grenzen und Tabus, sodass sie ihre nicht minder exzentrischen Kolleginnen Nicki Minaj und Miley Cyrus wenig subversiv wirken lässt. Doch wie die Ladys auch heißen mögen – Beyoncé, Lady Gaga, M.I.A., Rihanna, Miley Cyrus, MØ oder Grimes – jede Musikszene hat und feiert ihre feministischen Vorreiter und die aktuellen Interpreten dieser Bewegung, die auch heute noch nicht abgeschlossen ist.

 

 

Es passt also alles zusammen: Feminismus und Glamour. Provokation und Schönheit. Hip Hop und Mädchen. Körperlichkeit und Selbstbestimmung. Die Bewunderung und Akzeptanz gegenüber den Künstlerinnen von heute kommt allerdings nicht von ungefähr. Sie fußt auf der Grundlage eines langen und revolutionären Kulturkampfes, bei dem nicht nur Weiblichkeit in der Musikwelt verhandelt, sondern speziell im Hip Hop und RnB kulturelle und soziale Muster überwunden werden mussten.

 

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