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Iggy Pop: Von Pre-Punk-Exzessen zu „Post Pop Depression“

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„Post Pop Depression“ nennt sich das neuste Werk von Iggy Pop – und ist ab 18. März über Loma Vista Recordings in den realen und virtuellen Plattenläden dieser Welt erhältlich. Was unter dem Banner von Pops 17. Soloalbum läuft, ist tiefergehend eine groß angelegte Rock-Kollaboration mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age, der als Produzent sowie als Musiker auf „Post Pop Depression“ zu hören ist. Ins Studio holten sich der mittlerweile 68-jährige Pop und der 42-jährige Homme weiterhin Dean Fertita von den Queens of the Stone Age und Matt Helders von den Arctic Monkeys. Und wenn der vielfach verdrogte Pop eins schon immer konnte, dann waren es konkrete Platten mit konkreten Ansagen. „Post Pop Depression“ lässt bereits beim Titel genauso wenige Fragen offen wie 1977 „Lust for Life“, 1986 „Blah Blah Blah“ oder auch das 1996er Kompilationsalbum „Nude & Rude: The Best of Iggy Pop“.


Dabei war Pop nicht von Anfang an so nackt und unverschämt wie er sich seit Mitte der Sechziger auf seinen Konzerten gibt. Am 21. April 1947 mit dem bürgerlichen Namen James „Jim“ Newell Osterberg, Jr. in Muskegon im US-Bundesstaat Michigan geboren, verbrachte er einen Großteil seiner Jugend mit seinen Eltern Louella und James Newell Osterberg, Sr. im „Coachville Garden Mobile Home Court“, einem Trailerpark in der 20.000-Einwohner-Stadt Ypsilanti, ebenfalls in Michigan. Pops Eltern entsprachen allerdings nicht den typischen Trailer-Park-Bewohnern. James Senior war studierter Englischlehrer, seine Frau Sekretärin. Um in den unsicheren Zeiten nach der Weltwirtschaftskrise Geld anzusparen, hatten sie sich für das Leben im Wohnmobil entschieden. In einem Interview mit dem ZEITMagazin 2016 sagt Pop über die Gemeinsamkeiten mit seinem Vater: „Mein Vater war ein unsicherer Mann und konnte mit dem geregelten bürgerlichen Leben nur wenig anfangen. Dieser ganze Mist mit Familienhund und Grillen mit den Nachbarn kotzte ihn an. Er verabscheute die amerikanische Idylle.“

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In den Sechzigern bemühte sich der junge Akademikersohn Jim Osterberg dennoch einmal brav darum, Klassensprecher zu werden. Und in einem Interview mit dem Rolling Stone 2007 zeichnet er von seiner Schulzeit ein etwas zwiegespalteneres Bild: „Seit ich zum ersten Mal die High School betrat und sah wie die andere Hälfte lebte, wollte ich nichts mehr, als so zu sein wie sie. Aber ich habe es nie richtig hingekriegt. Ich sparte Geld und kaufte Loafers. Aber sie waren rot und von der Marke Hush Puppies. Meine Socken hatten die falsche Farbe. Nichts hat für mich so richtig funktioniert – bis ich in einer Talent Show Schlagzeug spielte. Seitdem haben mich die Leute anders behandelt.“

Tatsächlich begann Pops musikalische Karriere bereits in den 1960er Jahren als Schlagzeuger für verschiedene High-School-Bands, darunter auch die „Iguanas“, von denen sich sein Künstlername „Iggy“ ableitete. 1966 stieg er bei der Blues-Band „The Prime Movers“ ein, zog aber noch im gleichen Jahr weiter nach Chicago, Illinois, um dort den Style der lokalen Bluesbands zu studieren. Vom Chicagoer Blues und Musikern wie „MC5“, „Bob Dylan“ „The Doors“ oder auch den Stones inspiriert, gründete Pop 1967 zusammen mit Ron Asheton (Gitarre), Scott Asheton (Schlagzeug) und Dave Alexander (Bassgitarre) „The Psychedelic Stooges“, deren Name an die derzeit populäre Comedyserie „The Three Stooges“ angelehnt war und, Überraschung, auf einem kollektivem LSD-Trip beschlossen wurde. Er selbst trat als Sänger meist mit nacktem Oberkörper und elektrisch verstärkter Ukulele auf. Ihre erste Show spielten „The Stooges“, wie sich die Band ab 1968 nannte, auf einer Halloween Uniparty in Detroit.

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Vermittelt durch Wayne Kramer von „MC5“ erhielt die psychedelische Garage-Rock-Truppe einen Vertrag mit Elektra Records, zu deren größten Acts derzeit „The Doors“ zählten. 1969 erschien ihr Debütalbum „Stooges“, das John Cale von „The Velvet Underground“ produziert hatte. Es folgte eine Platte namens „Fun House“ (1970). Beide Alben begeisterten zwar ein Minderheitenpublikum und werden im Nachhinein oft als Proto-Punk-Vorläufer der weltweiten Punk-Bewegung in den Achtzigern zitiert, verkauften sich damals aber ingesamt schlecht. Die Band flog aus ihrem Plattenvertrag – ein einschneidendes Erlebnis für Pop, denn es sollte nicht seine einzige Labelkündigung bleiben – und pausierte eine Zeit lang. Nicht zuletzt war dies auch der starken Heroinabhängigkeit von Pop und den Drogenproblemen anderer Bandmitglieder zuzuschreiben.

Immer wieder kam die Band allerdings für kleinere Konzerte zusammen. Bei einem dieser Konzerte in New York wurde David Bowie auf Pop aufmerksam und entschied sich, die Stooges für die Produktion eines dritten Albums zu reinkarnieren. „Raw Power“ erschien 1973 – und es war nicht das letzte Jahr, in dem David Bowie eine entscheidende Rolle für Iggy Pops Leben spielen würde. Dessen anhaltende Drogenabhängigkeit führte 1974 jedoch vorerst zur kompletten Auflösung der Stooges. Fun Fact: Kurt Cobain nannte „Raw Power“ wiederholt an erster Stelle in der “Favourite Albums” Liste seiner Tagebücher.

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1976 packte Bowie Pop spontan für seine „Station to Station“ Tour ein und päppelte ihn unterwegs wieder auf. Pop fasst seine Drogenkarriere im Interview so zusammen: „Nach 1975 war ich mit Heroin […] ziemlich durch für den Rest meines Lebens. Nachdem ich von Heroin runter war, bin ich auch noch oft abgestürzt, aber nie mehr so schlimm. Eher mit Pillen und irgendwelchen Pulvern. Und natürlich habe ich gesoffen. Dazu Kettenrauchen, Thai-Sticks, Valium, Kokain und so weiter. 1980 war mit dem meisten davon dann Feierabend. Danach rauchte ich zehn Jahre lang Dope. Seit 1990 habe ich eigentlich von allen diesen Dingen die Finger gelassen“ (ZEITMagazin, 2016).

Nach der gemeinsamen Tour zog das Avantgarde-Dream-Team zusammen nach West-Berlin, Schöneberg, wo Bowie Pop 1977 einen neuen Plattenvertrag mit RCA vermittelte und mit ihm zusammen die Alben „The Idiot“ und „Lust for Life“ produzierte. Spätestens letzteres bedeutete Pops Comeback als seriöser Künstler, auf ihm erschien unter anderem „The Passenger“, einer seiner erfolgreichsten Songs – die Single „Lust for Life“ wird Jahre später auch im Soundtrack von Danny Boyles Drogen-Kultfilm „Trainspotting“ geehrt. Fun Fact; Pop hat, ganz nebenbei, das Stagediving ins 70er-Jahre Berlin importiert. Über Arista Records folgten wenig später seine Alben „New Values“ (1979), „Soldier“ (1980) und „Party“ (1981), die sich alle nicht genug verkauften, sodass auch Arista Pop wieder fallen ließ. Selbst „Zombie Birdhouse“ (1982), das der hippe Chris Stein von „Blondie“ produzierte und über sein Laben Animal veröffentlichte, war nicht besonders populär. Erst mit dem new wave rasierten „Blah Blah Blah“ und der zugehörigen Cover-Single „Real Wild Child“, 1986 wieder einmal von Bowie produziert und über A&M Records veröffentlicht, erlebte Pop den nächsten größeren Erfolgsrausch. In den Billboard Top 200 Albums erreichte „Blah Blah Blah“ Platz 75 – die höchste Chartlandung seit „The Idiot“.

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Nach der eher wieder am Stooges-Sound orientierten Folgeplatte, „Instinct“ (1988), verabschiedete sich auch A&M Records wieder von Pop. Zwei Jahre später wurde „Brick by Brick“ unter Mitwirkung von „Guns N’ Roses“-Musikern über Virgin Records released. Es folgten über das gleiche Label „American Cesar“ (1993), „Naughty Little Doggy“ (1996), „Avenue B“ (1999), Pops erstes selbst produziertes Album „Beat Em Up“ (2001) und 2003 die Kollaborationsplatte „Skull Ring“ – unter anderem mit den Stooges, die ein Jahr zuvor mal wieder offiziell zusammengefunden hatten, „Green Day“, „Sum 41“ und „Peaches“. Etwas anders klingt das 2009 veröffentlichte, ruhigere und jazzigere Album „Préliminaires“, das Pop von Michel Houellebecqs Roman „La Possibilité d’une île“ („Die Möglichkeit einer Insel“) inspiriert schrieb. Ähnlich gehalten ist „Aprés“ (2012), ein Coveralbum mit größtenteils französischen Songs. Pop lebt mittlerweile seit 18 Jahren in Miami und engagiert sich neben der Musik auch anderweitig in Radio- und Film-Projekten. Die Tourdaten zu „Post Punk Depression“ gibt’s hier.

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