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Marvin Gaye und Kim Weston: Zu zweit ist alles schöner

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Es scheint, dass mit dem langsamen Rückgang der romantischen Zweierbeziehung auch die Tradition musikalischer Duett-Alben in Vergessenheit geraten ist. Geht man davon aus, dass Musik  und Liebesbeziehungen immer auch ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse sind, dann müsste demnächst eine neue Kelly Family ihren großen Durchbruch feiern oder aber ein neuer einsamer Narziss am DJ-Pult. Einerseits leben nämlich immer mehr Menschen auch mit Kindern weiter in Wohn- und Hausgemeinschaften zusammen oder führen gleich polyamore Beziehungen. Andererseits schreitet die Individualisierung weiter fort, manchmal bis zur vollständigen Vereinsamung, und immer mehr Menschen ziehen sich auf sich selbst zurück. Man datet einander zwar noch, mag sich aber nicht mehr festlegen. Sich zu entscheiden fällt zunehmend schwer und überhaupt: Wieso muss man das denn immerzu? An dieser Stelle der Debatte angelangt, ruft meist ein Gesprächspartner mit zu viel Rotwein intus etwas von Herrschaftskritik und dem Privaten, das politisch sei. In vino veritas.


 

Wer sich aber nach jener Epoche zurücksehnt, in dem sich (lediglich zwei) Menschen in Ermangelung jeglicher Ablenkung durch Smartphones noch lange und tief in die Augen blickten, dem sei das Duett-Album Take Two von Marvin Gaye und Kim Weston empfohlen. Titel und Cover des Albums sind ein lustiges Wortspiel mit der großen Single, It Takes Two. Gaye und Weston sitzen auf dem Foto auf zwei Regiestühlen, wie man sie von Filmsets kennt, auf der Rückseite der Stühle stehen ihre Namen. Eingerahmt wird das Foto von einer Filmklappe, auf der Take Two steht.

Marvin Gaye war nicht nur ein außergewöhnlicher Soloartist, sondern sang auch so viele Duette mit namhaften Sängerinnen wie Diana Ross oder Tammi Terell, dass man ihn spöttelnd den “Prince of Motown” und “Prince of Soul” taufte. Das muss ihm gefallen haben. Leider verließen ihn seine Duett-Partnerinnen andauernd wieder. Sowohl Mary Wells, mit der Gaye das Album Together aufnahm, als auch Kim Weston blieben nur für ein Album seine Partnerin. Dann paarte Motown Gaye mit Tammi Terell und die beiden wurden ab 1967 zum Superduett mit insgesamt sieben Top 40 Hits. Nur drei Jahre später starb Terell mit 24 an einem Hirntumor und Gaye stand wieder ohne Partnerin da.


Take Two


“Take Two” mit Kim Weston ist trotz der kurzen Zusammenarbeit ein besonderes Album, denn es ist hörbar eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Anders als zum Beispiel Mary Wells ist Weston eine selbstbewusste Sängerin mit einer vollmundigen Soulstimme, der man ihre Wurzeln in der Gospelkirche anhört. Während Wells sich noch vornehm zurückhielt und damit Gaye zum Strahlen brachte, fordert Weston ihren Partner heraus, so dass sich manche Songs anhören, als hätten Gaye und Weston gewettet, wer das bessere Lungenvolumen hat. Gaye tut die Herausforderung hörbar gut, seine Stimme wird noch souliger als zuvor schon. Diese fruchtvolle gegenseitige Herausforderung ist wunderbar zu hören zum Beispiel bei Baby I Need Your Loving oder It’s Got To Be A Miracle (This Thing Called Love). Und natürlich beim großen Hit des Albums, It Takes Two, produziert und teils geschrieben von Westons damaligem Ehemann William “Mickey” Stevenson.



 

One can have a dream, baby

Two can make that dream so real

One can talk about bein’ in love

Two can say how it really feels

One can wish upon a star

Two can make that wish come true, yeah

Bottom line: Zu zweit ist einfach alles schöner.

Gerade mal 27 Jahre alt waren beide Künstler, als sich mit Take Two ihr bis dato größter Erfolg einstellte. Die Single It Takes Two erreichte Platz 14 der Billboard Pop Charts und Platz 4 der Soul Singles. Zum ersten Mal entdeckten auch die Briten Gaye und Weston, auf der Insel schaffte der Song es immerhin auf Platz 16 der Single Charts.


It-Takes-Two


Dass die Chemie zwischen den beiden Motown-Künstlern passte, zeigt auch ein weiterer Song, in dem die beiden sich aktiv ansprechen, so als würden sie sich eine Geschichte erzählen. In Love Fell on Me gehen die Lyrics so:

[MG] Listen, Kim: it didn’t hit me like a ton of bricks

But I felt it just the same

[KW:] Marvin, love came creepin’ right into my heart

When you whispered my name

So sweet & tender, I had to surrender

I knew I had really been hit

[BOTH:] So tenderly, that’s how love fell on me

So tenderly, that’s how love fell on me

Whohoo, wenn es hier mal nicht knistert! Vielleicht erklärt das die Tatsache, dass Westons Ehemann seine Kim direkt nach Veröffentlichung des Albums hinfort zog und beide wenig später bei MGM Records unterkamen. Oder es waren wirklich nur Streitigkeiten um die Rechte an verschiedenen Songs. Weston und Stevenson jedenfalls profitierten nicht mehr vom großen Erfolg von Take Two. Und Marvin Gaye stand mal wieder ohne Partnerin da.


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