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„Stop Fucking With The Kids!“: The 1975 veröffentlichen ihr neues Album „Notes On A Conditional Form“

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The 1975

Es gibt nicht mehr viele neue Bands, die den Anspruch haben, etwas wirklich Großes zu schaffen. Zum Beispiel den Sound ihrer Zeit zu prägen. Genau daran arbeiten The 1975 aus Manchester, seit sie im Jahr 2013 ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlichten.

von Michael Döringer

Am Puls der Zeit

Man kann auch sagen, dass die Zeit selbst für die Briten gearbeitet hat: Ihr Verständnis von modernem Rock, der immer in alle Richtungen neugierig und offen ist, es sich nie selbstgenügsam hinter den Mauern von Genrekonventionen bequem macht und vor allem den Mut hat, Themen jenseits der Musik in die Songs einzubeziehen, war die perfekte Begleitung für die 2010er-Jahre. Jetzt erscheint mit Notes On A Conditional Form das bereits vierte Album der Band um Frontmann Matthew Healy – ohne Zweifel ihr bisher stärkstes Werk, ausnahmsweise entspricht diese Floskel mal der Wahrheit. Und erneut ist ihnen ein Album gelungen, dass den Puls der Zeit atmet und die Kraft hat, etwas zu verändern: musikalisch und darüber hinaus.

Klima-Punk für Greta

Viele Single-Releases haben über die letzten Monate schon angekündigt, was man auf diesem mit 22 Songs und 81 Minuten Laufzeit recht ausufernden Album erwarten kann: Die heftige Punk-Attacke von People macht sofort die politischen Ambitionen dieser Band klar, die dank ihrer Mainstream-Stellung so großen Einfluss ausüben kann. Es ist der zweite Song des Albums und schließt direkt an The 1975 an – den Opener, der auf jedem Album der Band in abgewandelter Form die Platte einläutet. Im aktuellen Fall wagen The 1975 einen bold move, indem sie eine berühmte Rede von Greta Thunberg vertonen. Man steht zu 100 Prozent hinter der Klimaaktivistin und ihren Parolen der Vernunft. Gretas „Please wake up“ wird in People energisch sekundiert: „Stop fucking with the kids!“, schreit Healy da irgendwann und stellt sich schützend vor die junge Generation.

Manifest des modernen Musikhörens

If You’re Too Shy (Let Me Know) klingt fantastisch nach Tears For Fears und wäre damit ein krasser Stilbruch im Vergleich zu People. Doch wenn The 1975 etwas können, dann verschiedene musikalische Stränge miteinander zu verknüpfen. Diese Technik folgt einem ganz bestimmten Prinzip: „Jedes Mal, wenn wir an einem neuen Album arbeiten, dann gehe ich in meinem Kopf meine Musiksammlung durch… wie einen mentalen Karteikasten“, berichtet Matthew Healy. „Und ich glaube, dass Notes ein besonders interessantes Album ist, weil es einerseits unsere aggressivsten Momente vereint – und andererseits auch die ruhigsten Sachen, die wir je gemacht haben. Wir stellen diese Extreme einfach nebeneinander. Ich habe ja auch keine Playlist, auf der nur eine Art von Musik zu finden ist; ich höre anders Musik, und wenn mich etwas inspiriert, dann passiert das nie zwei Mal hintereinander in demselben Genre.“ Mit diesem zu einem Album gewordenen Playlist-Prinzip reagieren The 1975 ideal auf das moderne Musikhören. Ein weiterer Grund, wieso sie zu den bestimmenden Künstler*innen unserer Zeit gehören.


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The 1975 - Notes On A Conditional Form
The 1975
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Alltäglichkeiten und globale Krisen

Doch zurück zu den Inhalten von Notes: Geplant war ein Werk, das zu 100 Prozent den Status quo und die Lage in der Welt reflektiert, wobei die Perspektive der Band und ihre persönlichen Erfahrungen im Zentrum stehen. Das fertige Album befasst sich sowohl mit Alltäglichkeiten, wie sie jeder kennt, als auch mit schwerwiegenden Problemen wie der drohenden Klimakatastrophe. Die ganz großen Fragen, die Healy schon auf A Brief Inquiry Into Online Relationships angerissen hatte, beleuchtet er nun noch ausführlicher, indem er sie eigentlich schon fast zu persönlichen Themen macht, wie etwa in Jesus Christ 2005 God Bless America: Hier horcht er tief in sich selbst hinein und versucht zu klären, wie es wirklich um das Thema Religion und die Suche nach Gott steht.

Immer wieder wurde von Healy angedeutet, dass die Zeit von The 1975 bald vorbei sein könnte. Alles liegt in seiner Hand und der seinen Bandkollegen. Doch wenn man einen Song wie Guys hört, den letzten auf der neuen Platte, diese Hymne auf die lange Freundschaft der vier Jungs, dann kann man sich einen Abschluss dieser Saga nur schwer vorstellen. Und falls es doch passiert? Dann mit einem totalen musikalischen Feuerwerk, darauf kann man sich wohl verlassen. The 1975 gehört die Gegenwart, und von uns aus können sie auch gerne noch einen großen Teil der Zukunft übernehmen.

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