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The Whos „A Quick One“: Die Zeit, in der alles erlaubt war

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The Who

Keith Moon, seines Zeichens ausgesprochener Pyrotechnik-Sympathisant der britischen Mod-Szene, war vor allem für sein wildes, exzentrisches Trommeln und – zum Leidwesen von Crew, Equipment und dem Gehörgang von Roger Daltrey – wortwörtlich explosiven Showeinlagen bekannt. Dass er auch Songs schreiben konnte, stand nie so wirklich ganz oben auf seinem Lebenslauf. Und dennoch: Da gab es doch mal ein Album von The Who, für das nicht nur Pete Townshend die Schecks für Urheberrechts-Tantiemen erhält. Oder in weniger juristischen Worten: Ein Album, für das jedes The-Who-Mitglied Songs beisteuern sollte. Also auch unser beliebter Knallfrosch hinter dem Drumkit.

Hier könnt ihr A Quick One hören:

Heraus kam ein Album, das unsere leicht verklemmten Freunde aus dem Land von Uncle Sam natürlich wieder umbenennen mussten. Aber dazu kommen wir später. A Quick One, das zweite Studio-Album der Brit-Invaders war alles andere als eine „schnelle Nummer“, sondern nicht weniger als ein charmantes Paradebeispiel, wie eine Band ihr Mod-Image abschüttelte und mit einem rohen, kraftvollen Sound eine der wichtigsten Inspirationsquellen für die frühe Punk-Bewegungen wurde.

The Who Live

Wen kümmert da schon der in Granit gemeißelte dritte Platz hinter den Beatles und den Stones (wer von den beiden den ersten und zweiten Platz belegt, sei an dieser Stelle mal dem Urteilsvermögen der Leser*innen überlassen) in der britischen Rock- und Pop-Mania der 60er und 70er? Uns jedenfalls nicht! Wir finden, A Quick One ist ein faszinierender Blick in eine Zeit, als Pop-Bands die Freiheit hatten, wirklich alles auszuprobieren – und um zu sehen was passt.

Nicht auf Nummer sicher

Wenn man mal die Natur des zweiten Albums der Radau-Combo aus London unter die Lupe nimmt, war das schon eine mutige Sache. Denn My Generation war ja gar nicht mal so unerfolgreich, und was machen die meisten Musiker, die nach einem ersten Erfolg die neu gewonnenen Fans nicht gleich auf die harte Probe stellen wollen? Richtig: Man hält sich an das Rezept des ersten erfolgreichen Albums und haut im Grunde den gleichen Spaß nochmals mit neuem Namen und Cover-Design raus. Soweit, so gut. Aber The Who waren nicht nur mit ihrer Musik und in den Bühnenshows ziemlich grade heraus, sondern auch im Umgang mit ihren Produzenten und Managern. Das fand Mitte der 60er auch Shel Talmy heraus, der die Band zwar erstmalig unter Vertrag nahm und auch nicht ganz unbeteiligt am Erfolg von My Generation war, aber dennoch kurzerhand abgesägt wurde.

Das war damals mehr als nur ein einfacher Personalwechsel, sondern eher ein zentraler Wendepunkt für The Who: Freie Entfaltung, Vielseitigkeit, unbegrenzte Kreativität und Authentizität sind wahrscheinlich die programmatischsten Bezeichnungen für A Quick One. Und das ganz ohne einen durchschlagenden Single-Erfolg.

Wie gesagt, diesmal steuerte jedes der vier The-Who-Mitglieder mindestens einen Song bei. Unser explosiver Trommler zum Beispiel, lässt mit I Need You seine Surfer-Einflüsse durchblicken und versucht sich sogar am Gesang. Verrückte Idee, oder? Die Drums sitzen ganz vorne im Mix und geben dem Song über Gitarren und Bass hinweg einen pumpenden Drive.

Im Kontrast dazu stehen Tracks wie See My Way, mit dem Roger Daltrey seinen Tribut an Buddy Holly zollt oder John Entwistles leicht schräge Nummer über eine Spinne: Boris The Spider. Manchmal möchte man auch gar nicht so genau wissen, woher Musiker ihre Inspiration für so manche Songs nehmen…

Ach ja, da war noch die Sache mit den verklemmten Amis, die mal wieder ihre altbekannten Probleme mit ein wenig Schlafzimmer-Humor haben. Der Albumtitel A Quick One ist angelehnt an den Song A Quick One While He’s Away – ein neunminütiges, ja man kann schon fast sagen: Epos über eine Frau, die es mit dem Eheversprechen nicht ganz so genau nimmt. Eine regelrechte Rock-Oper in sechs Akten auf die Untreue! Und gleichzeitig der Vorläufer dessen, was drei Jahre später unter dem Namen Tommy als wahre Rock-Oper in die heiligen Tafeln der Musik-Geschichte gemeißelt werden sollte.

Dennoch läuteten da in den Staaten alle Alarmglocken. So etwas kann man doch nicht als Albumtitel vermarkten! Nun gut, also wurde das ganze Release nach dem Song benannt, der als einziger einen nennenswerten Chart-Einstieg schaffte: Happy Jack! Der Energie des Albums konnte das glücklicherweise nichts anhaben. Und so ist A Quick One seit inzwischen 55 Jahren ein Meilenstein der Rock- und Pop-Geschichte.

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