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Popkultur

30 Jahre „Innuendo“: Freddies heimlicher Abschied

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Der letzte öffentliche Auftritt von Queen im Jahr 1990. Ein Jahr später erscheint „Innuendo“. Foto: John Rodgers/Redferns/Getty Images

Auf Innuendo tanzt der Tod mit: Queens letztes Album entstand nach der HIV-Diagnose ihres schwer kranken Sängers Freddie Mercury. Die Öffentlichkeit bekam das erst viel später mit.

von Björn Springorum

Freddie ist schon bei den Aufnahmen krank

Als Queen im März 1990 mit den Aufnahmen zu Innuendo beginnen, ist ihnen sehr wahrscheinlich längst klar, dass ihre 14. Studioplatte die letzte mit ihrem Sänger Freddie Mercury sein wird. Ihr Schwanengesang. Spätestens ab April 1987 weiß er von seiner AIDS-Erkrankung, Gerüchte und Spekulationen werden von ihm, der Band und dem gesamten Umfeld kleingeredet, dementiert, weggewischt. Spätestens bei den Brit Awards am 18. Februar 1990, wo Queen für ihre Outstanding Contribution To British Music geehrt werden, ist offenkundig, dass Mercury sehr, sehr krank ist. Er schiebt es auf die langen Tourneen und das stressige Musikerdasein, doch es wird sein letzter öffentlicher Auftritt sein.

Freddie stirbt. Und die Welt weiß es nicht

Die Presse wittert einen Skandal, belagert sein Haus in London und macht die Arbeiten am neuen Album unmöglich. Queen ziehen sich in ihre Mountain Studios in Montreux zurück, Dort arbeitet die Band ein letztes Mal gemeinsam an neuen Songs, immer wieder unterbrochen von Pausen, die auf Mercurys jetzt rapide schwindende Gesundheit zurückzuführen sind. Mit der Gnade des Rückblicks wird alles plötzlich so klar. Werden die versteckten Hinweise zu Fanalen, zu Leuchtfeuern, die man doch eigentlich gar nicht hätte übersehen können. Und wenn man dann noch bedenkt, dass der Titel übersetzt so viel wie Anspielung bedeutet, kann man schon mal eine Gänsehaut bekommen. Freddie stirbt. Und die Welt weiß es nicht.

Das Cover

Stattdessen kauft sie Innuendo – ohne zu wissen, dass es das letzte Queen-Album mit einem lebenden Freddie Mercury ist. Das Album erscheint am 4. Februar 1991, verspätet aufgrund von Mercurys Gesundheitsproblemen. Queen klingen kraftvoller als zuletzt, knüpfen an den hymnischen, bombastischen Sound der Siebziger an. „Seltsamerweise hatten wir beim Komponieren des Albums sehr viel Spaß“, wird Roger Taylor Jahre später sagen. „Wir passten uns Freddie an und konnten so viel mehr an den Songs arbeiten und sie stärker machen.“ Auch Justin Shirley-Smith, der bei den Aufnahmen als Assistent hinter den Reglern sitzt, hat die Sessions in guter Erinnerung. „Das ist schwer zu erklären, aber es war nicht traurig, es war sogar sehr freudig. Freddie war einer der lustigsten Menschen, die mir je begegnet sind. Ich lachte die meiste Zeit mit ihm.“ Mehr als alles andere will Mercury dieses Album fertigstellen. Er weiß: Es ist sein Vermächtnis. Er weiß aber auch, dass es ein Rennen gegen die Zeit ist.

Deutlicher wird die nahende Tragödie in den offiziellen Videoclips der Singles. Sein starkes Make-Up in I‘m Going Slightly Mad mag im Kontext des Songs passend wirken; in Wahrheit war es nötig, um Mercurys tatsächlichen Zustand zu maskieren.

Linker Haken für den Tod

Noch schmerzhafter wird es aus heutiger Sicht bei These Are The Days Of Our Lives, das die kommende Monate auf nahezu prophetische Weise gruselig vorhersagt. Wieder in schwarz/weiß gefilmt, um Mercurys tatsächlichen Zustand abzumildern, endet das Video mit einem geflüsterten I Still Love You von Mercury – ein frühzeitiger Abschied, ein Auseinandersetzen mit dem eigenen Sterben, das selbst David Bowie auf Blackstar nicht eleganter inszeniert hat. Insbesondere die später veröffentlichte Farbversion zeigt Freddie Mercury ausgezehrt und eingefallen.

Übertroffen in seiner ahnungsvollen, jenseitigen Tragweite wird das alles nur vom letzten Song des Albums, The Show Must Go On. Obwohl Mercury wie besessen an Musik arbeitet und, so es seine Gesundheit zulässt, sogar zukünftige Songs einsingt, muss er doch gespürt haben, dass ihm die Zeit ausgeht. Das Finale von Innuendo ist ein Stück, das rückblickend alles zusammenfasst, was der Sänger seit seiner Diagnose durchgemacht hat. Seine Kämpfe, sein kolossaler Kraftaufwand, als schwer kranker Mensch auf Tour zu gehen, für seine Fans zu singen – und vor allem die Fassade aufrecht zu erhalten, hinter der er längst seinen Frieden mit allem gemacht hat. Zugleich ist die Nummer eine Kampfansage an den Tod, ein linker Haken, der sagt: vielleicht kannst du mich holen. Aber meine Musik kriegst du nie.


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Freddies letzter Kampf

Wie Freddie Mercury es fertig gebracht hat, Innuendo in seiner vollen Pracht einzusingen, ist 30 Jahre später ein wundersames Rätsel. Für einen Videodreh ist er schon zu schwach, die Krankheit holt ihn mit großen Schritten ein. Am 14. Oktober 1991 wird The Show Must Go On als Single veröffentlicht. Sechs Wochen später ist Freddie Mercury tot. Sein Partner Jim Hutton sagt 1994 über The Show Must Go On: „Die autobiografischste Linie in diesem Song ist für mich My make-up may be flaking but my smile still stays on. Das war so wahr. Ganz gleich wie Freddie sich fühlte, er fuhr niemanden an und bettelte auch nie um Mitleid. Es war sein Kampf, seiner allein .“

Freddie Mercury weiß schon lange, dass er diesen Kampf verlieren wird. Am 24. November 1991 stirbt er an AIDS, erst einen Tag zuvor veröffentlicht er ein offizielles Statement zu seiner Krankheit. Er wird seine Gründe gehabt haben, die Diagnose über vier Jahre geheimzuhalten. Insbesondere die letzten zwei Jahre glaubt aber sowieso kaum noch einer daran, dass er gesund ist. Kritiker*innen beklagen ganz gern, dass er allein in dieser Zeit wichtige Aufklärungsarbeit in Sachen AIDS hätte leisten können. Das mag sein, doch man muss ganz klar sagen: Jeder sollte selbst entscheiden, wie er/sie mit einer solchen Krankheit umgeht. Für Freddie gab es bis zum Schluss nur die Musik. 30 Jahre nach der Veröffentlichung seiner persönlichen Moritat Innuendo kann man ruhig mal sagen, wie dankbar wir dafür sein können.

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