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Popkultur

40 Jahre „Tug Of War“: Paul McCartney findet zu sich selbst

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PAUL MCCARTNEY
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Sein Weg nach dem Ende der Beatles ist holprig, steinig, nicht ohne Schlaglöcher. Mit Tug Of War, dem ersten Album nach Auflösung der Wings, schwimmt sich Paul McCartney 1982 aber endgültig frei. Und setzt seinem alten Freund John Lennon ein tränenreiches Denkmal.

 von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Tug Of War anhören:

Als John Lennon ermordet wird, ist sein entfremdeter Freund Paul McCartney gerade im Studio. Er hat sich mit dem alten Beatles-Produzenten George Martin zusammengetan, um in dessen Tontempel auf der karibischen Insel Monsterrat den einen oder anderen neuen Song aufzunehmen. Es ist der 8. Dezember 1980, und eigentlich möchte Sir Paul noch ein weiteres Album mit den Wings machen. Als er am nächsten Morgen aufwacht, erfährt er vom Mord seines ehemals engsten Vertrauten. Und bricht alles ab.

Paul und Ringo spielen wieder

Er kehrt nach England zurück, kann erst mal nicht an Musik denken. Es geht ihm nah, dass er sich nie endgültig mit Lennon versöhnen konnte. Am 24. April 1976 begegnen sie sich zum letzten Mal in New York City, gute vier Jahre später ist Lennon tot. Als McCartney im Februar 1981 nach Montserrat zurückkehrt, ist er ein anderer. Seite an Seite mit Stanley Clarke, Carl Perkins, Stevie Wonder und – erstmals seit dem Ende der Beatles – Ringo Starr entsteht ein Album, das nach dem Ende der Wings im April 1981 einfach zu Maccas dritter Soloplatte wird.

McCartney hat viel vor. Vielleicht sogar noch mehr, seit er weiß, dass es unter seinem Namen erscheinen wird. George Martin und er polieren die Songs den Rest des Jahres 1981 auf, nach Ansicht mancher sogar zu sehr: Hin und wieder erinnert Tug Of War an die Phil-Spector-Produktionen mit seinem berühmten Wall Of Sound, die beiden übertreiben es ein klein wenig mit Orchester-Pomp, Marschtrommeln und raumfüllenden Arrangements.

Maccas beste Soloplatte

Dennoch: McCartneys Dritte ist seine mit Abstand beste Soloplatte. Viele Songs könnte man sich locker als Macca-Beiträge späterer Beatles-Platten denken, er hat seine humorvolle Lockerheit, seine kindliche Naivität wiedergefunden. Der Titeltrack trägt gleich ordentlich dick auf mit Fanfaren, die Geräusche im Intro werden in der Turnhalle neben dem Studio aufgenommen, in dem zufällig gerade wirklich ein Tauziehen stattfindet. Typisches Macca-Glück. Inhaltlich wird der Song auf die Kämpfe zwischen McCartney und Lennon bezogen – so oft, bis Macca so langsam selbst glaubt, dass es so gemeint sein könnte.

Abschiedsbrief an John

Eindeutiger Höhepunkt der Platte: Here Today, Paul McCartneys Abschiedsbrief an seinen Freund John, geschrieben als Dialog zwischen den beiden, den sie nie wieder haben können. Der Song trägt das Flair von Blackbird in sich, im Text erinnert sich McCartney auf nostalgische Weise an einen gemeinsamen Abend, den die Band 1964 während ihrer ersten US-Tournee in Key West verbringt, sich gemeinsam betrinkt und sich weinend in den Armen liegt, ewige Kameradschaft schwörend. I love you, singt McCartney. Eine Versöhnung über das Leben hinaus.

Die schwelgerische Stimmung und die barocken Streicher erinnern übrigens nicht nur an Yesterday, es sind faktisch dieselben Streicher – auch wenn McCartney und Martin lange überlegen müssen, ob sie wieder dieses Motiv verwenden. Typisch Macca ist auch der Songtitel, der natürlich die Antithese zu seinem größten Erfolg Yesterday ist.

Schwarze und weiße Tasten

Größter Erfolg der Scheibe ist natürlich Ebony And Ivory, eines der beiden Duette mit Stevie Wonder. Der Song wird einer der größten Hits des Jahres 1982 – einer zeit, wohlgemerkt, die immer noch geprägt ist von der Apartheid. Die schwarzen und weißen Tasten eines Klaviers als Allegorie für die Harmonie zwischen allen Menschen und Kulturen – ein einfaches, aber eindringliches Bild.

Die Entstehungsphase von Tug Of War ist so kreativ, dass einige der Songs gleich für den Nachfolger Pipes Of Peace verwendet werden. Das soll, ebenso wie alle Werke bis Flowers In The Dirt (1989), aber weitaus weniger wohlwollend aufgenommen werden. Zeigt aber eigentlich nur, wie gut, wie emotional, wie typisch Macca dieses Tug Of War ist.

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