------------

Popkultur

50 Jahre „Graham Nash David Crosby“: Zwei Superstars ehren Joni Mitchell

Published on

Header
Foto: Andrew Putler/Getty Images

In den frühen Siebzigern wird alles, was die Akteure von Crosby, Stills, Nash & Young anfassen, zu Gold. Auch die erstmalige, Joni Mitchell gewidmete Zusammenarbeit von Graham Nash und David Crosby: Bis heute zählt sie zum Besten, das die beiden Songpoeten je hervorgebracht haben.

von Björn Springorum

Im Sommer 1970 ist der Zauber verflogen. Crosby, Stills, Nash & Young implodieren, die vier aufgeblähten Egos wogen schwer wie zehnfache Gravitation auf das Bandgefüge. Jeder einzelne Akteur hat zu dieser Zeit jedoch so viel Musik, so viel Muse, so viel Schöpfungslust in sich, dass er in den nächsten Monaten einen glorreichen Alleingang hinlegt. Neil Young legt schon im September 1970 mit After The Gold Rush mächtig vor, Stills zieht im November mit Stephen Stills nach, David Crosby begeistert im Februar 1971 mit If Only I Could Remember My Name und Graham Nash schließlich bildet im Mai mit den wunderbaren Songs For Beginners das Schlusslicht.

Ich kann’s auch allein!

Alle wollten zeigen: Ich brauche euch nicht, ich bin als Solitär viel besser dran. Nicht, dass sich alle vier Mitglieder unversöhnlich zerstritten hätten; es ist einzig und allein die Kombination dieser vier, die Sprengkraft besitzt. Das zeigt auch die gemeinsame Tournee, die Graham Nash und David Crosby im Herbst 1971 unternehmen. Sie reisen ohne Backing-Band durch Theater und spielen weitgehend unplugged Material von ihren beiden Soloplatten, aber auch bereits den einen oder anderen neuen Song. Wie gut sich das angehört hat, kann man hier wenigstens ansatzweise nachempfinden:

Die Tour läuft gut, die intimen Konzerte der Superstars werden angemessen bejubelt. Doch es ist etwas anderes, das Nash und Crosby mit nach Hause nehmen: Die Erkenntnis, dass sie auch zu zweit hervorragend funktionieren. Aber dieser Basis machen sie sich an die Arbeit zu ihrem ersten gemeinsamen Album, das am 5. April 2022 seinen 50. Geburtstag feiert und eine ebenso zeitlose Schönheit besitzt wie die größten Momente des CSNY-Katalogs.

Schönster West-Coast-Rock

Die beiden nehmen Songs wie Southbound Train oder Immigration Man, die sie schon bei den Konzerten ausprobiert haben, mit ins Wally Heider Studio III in Los Angeles, um dort Anfang 1972 Graham Nash David Crosby aufzunehmen. Klar, dass sich reichlich Rock-Prominenz die Klinke in die Hand gibt, wenn zwei der größten Stars der Siebziger gemeinsam eine Platte aufnehmen. Dave Mason von Traffic, Jerry Garcia nebst einigen weiteren Figuren aus dem Dunstkreis von The Grateful Dead und die damals höchst angesagte Backing-Band The Section bannen Seite an Seite mit Nash und Crosby pure Magie auf Band.

Von Nash kommen die geradlinigen Pop-Songs: Der Opener Southbound Train etwa, der bittersüße Opener mit Neil-Young-Gedächtnismundharmonika und Fernweh im Blut; oder das ikonische Immigration Man, ein sonnendurchtränktes Stück West-Coast-Rock, inspiriert von einer unschönen Einreiseerfahrung, die Graham Nash (damals noch Brite) in den USA hatte. Randnotiz: 1978 wurde Graham Nash auch US-amerikanischer Staatsbürger. Vielleicht ja auch inspiriert durch das unschöne Gefühl, einfach bei der Einreise aufgehalten zu werden, weil man woanders herkommt. „Wenn man die Erde aus dem All betrachtet, sieht man keine Grenzen“, sagte Nash mal. „Das zu begreifen könnte unsere Rettung bedeuten.“ Worte, die heute wieder tragisch aktuell sind.

David Crosby ist eher für die nachdenklichen, introspektiven Momente zuständig. Das getragene, ahnungsvolle Whole Cloth darf da sicherlich als einer seiner feinsten Momente zählen; das psychedelisch duftende The Wall Song eh. Bestäubt wie von Puderzucker wird das Album natürlich mit den Gesangsharmonien der beiden. Von denen kann man auch ein halbes Jahrhundert später nicht genug bekommen.

Gewidmet „Miss Mitchell“

Symbolisch ist auch: Sie widmen das Album „Miss Mitchell“. Dass damit Joni Mitchell gemeint ist, kein Geheimnis. David Crosby war Ende der Sechziger vorübergehend mit ihr zusammen (bis sie in einem Song mit ihm Schluss machte), auch Graham Nash und Mitchell führen eine heftige, stürmische, alles verzehrende Beziehung, in der sie ihm schon mal Cornflakes mit Milch über den Kopf schüttet und er sie sich übers Knie legt – das war dann allerdings lange nach dem häuslichen Frieden, den er in Immigration Man beschreibt.

Während Mitchell viel von diesen turbulenten, ungesunden Romanzen vor allem auf ihrem Album Blue verarbeitet, entscheiden sich Nash und Crosby also nur dazu, ihr dieses wunderschöne Album zu widmen. Ob es ironisch gemeint oder eher als Versöhnungsangebot gedacht ist? Wer weiß, was die beiden sich gedacht haben. Es muss aber etwas zu bedeuten haben, wenn sie einige ihrer besten Songs jener Dame widmen, die beide nachhaltig und unwiederbringlich geprägt hat.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Interview mit David Crosby: „Crosby, Stills & Nash waren ein einziger Konkurrenzkampf“

Don't Miss