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Popkultur

55 Jahre „Surrealistic Pillow“: Psychedelischer Paukenschlag, weiße Hasen und LSD

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Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Im Februar 1967 veröffentlichen Jefferson Airplane den vorgezogenen Soundtrack zum Summer Of Love. Ihr zweites Album Surrealistic Pillow definiert den Psychedelic Rock und setzt ein ganzes Genre unter Drogen.

 von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Surrealistic Pillow von Jefferson Airplane anhören:

Der Summer Of Love passiert nicht über Nacht. Schon viele Monate davor werden Entwicklungen angestoßen, zeichnen sich Dinge ab, wächst die Saat von (freier) Liebe, Frieden und Erleuchtung in den Herzen unzähliger junger Menschen – befeuert von jener neuen Zauberdroge namens LSD. Deren Verbot führt im Januar 1967 zum Human Be-In, der Veranstaltung, die sich schlussendlich als Katalysator für den Summer Of Love erweist.

Auftritt Grace Slick

Mittendrin: Jefferson Airplane. Die veröffentlichen im August 1966, noch mit Signe Anderson hinterm Mikro, ihr Debüt Jefferson Airplane Takes Off. Allein in San Francisco verkauft sich das Album 10.000 Mal. Von lysergischem Wabern und psychedelischen Kaskaden ist noch nichts zu spüren: Das Album ist folkig und bluesig, erhitzt allerdings mit sexuellen Anspielungen das prüde Amerika.

Nachdem Anderson Mutter wird, verlässt sie die Band und wird durch Grace Slick ersetzt – eine Personalie, die sich als wichtigste Weichenstellung auf dem Weg zum Olymp herausstellen wird. Slick ist der Band bekannt, sie war als Zuschauerin beim allerersten Airplane-Gig dabei und bringt von ihrer alten Band zwei Songs mit, die einfach mal so zu den wichtigsten Songs werden, die Jefferson Airplane jemals aufnehmen werden: White Rabbit und Somebody To Love.

Jerry Garcia wird zum spirituellen Führer

Mit ihrer kräftigen Alt-Stimme und ihrer ganzen graziösen Erscheinung rückt sie die Band im Alleingang ins internationale Rampenlicht. Ein Newsweek-Artikel von Dezember 1966 hat sie auf dem Cover und popularisiert die boomende Musikszene San Franciscos, beim Human Be-In im Januar treten sie neben The Grateful Dead auf, Donovan erwähnt die Band in einem Song. Ihr zweites Album Surrealistic Pillow ist da längst im Kasten. Und erscheint mit perfektem Timing im Februar 1967, als Jefferson Airplane so langsam wirklich in aller Munde sind

Aufgenommen mit Produzent Rick Jarrard in nur 13 Tagen in den RCA Studios Hollywood, schießt Surrealistic Pillow die Band in die Stratosphäre – und die lysergische Musikszene San Franciscos gleich mit. Als „spiritueller Führer“ wird Jerry Garcia von The Grateful Dead in den Credits des Albums huldvoll bezeichnet. Bis heute ist seine Rolle bei den Aufnahmen nicht ganz klar: Als Schattenproduzent soll er maßgeblich an den Aufnahmen beteiligt gewesen sein. Rick Jarrard streitet das vehement ab, er habe lediglich hier und da mal ein bisschen Gitarre gespielt. Als sicher gilt, dass Garcia der ikonische Titel zu verdanken ist. Das Album sei „so surrealistisch wie ein Kissen weich ist“.

Alice im Wunderland tanzt Bolero

Und ein Jerry Garcia, der hat nun mal immer Recht. Surrealistic Pillow ist der erste Blockbuster der psychedelischen Blumenkindergeneration, ein Quantensprung mit Sogwirkung, ausgeführt gerade mal sechs Monate nach dem Debüt. Die Harmonien wabern und schlängeln sich umeinander, zergehen wie Rauch und setzen sich neu zusammen. Die Instrumentalisten glänzen, geben alles, ergänzen sich durch ihr konterkarierendes Spiel. Das hier ist Westküsten-Sound durch und durch –  und doch ganz anders als die süßliche Musik der Beach Boys. Der von Bolero inspirierte Trip White Rabbit wird mit seinem verwunschenen Klang und den morbiden Alice im Wunderland-Anspielungen zur Erkennungsmelodie einer ganzen Bewegung, Somebody To Love zur furiosen Abrechnung mit dem amerikanischen Traum, Embryonic Journey ist eine kunstfertige Akustik-Preziose.

Trip und Horrortrip

Das hier ist neu, ist aufregend, geht ganz anders unter die Haut als die Rockmusik bis Ende 1966. Die große Grace Slick thront mit ihrer dunklen Stimme über den entrückten Songs, trägt sie mit ausgebreiteten Armen in die ganze Welt hinaus. Die Stimmung der Songs nimmt gefangen, wirkt rauschhaft, im wahrsten Sinne surreal. Das Album ist eine Reise in die Unterwelt des eigenen Geistes, wo gute und böse Überraschungen hinter jeder Ecke lauern können: Trip und Horrortrip unisono, vereint in 34 Minuten und 48 Sekunden Bewusstseinserweiterung. Unfassbar, unheimlich, unübertroffen.

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