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Popkultur

Formatverwandlungen & immer neue Coverstars: So wandelte sich das Album-Packaging in den letzten 60 Jahren

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Album Packaging

Auf die Frage, wie ein Album visuell und haptisch auszusehen hat, wurden in den letzten sechs Jahrzehnten immer neue Antworten gefunden. Offiziell von der Recording Academy in Betracht gezogen wird das Thema seit 1959, als der erste Grammy in der Kategorie „Best Recording Package“ verliehen wurde – an Frank Sinatra.

von Martin Chilton

Angeblich soll er selbst die Rolle des Art Directors für sein Album Frank Sinatra Sings For Only The Lonely übernommen haben, auf dem ein Porträt von Nicholas Volpe zu sehen war: Mr. Ol’ Blue Eyes als trübselige Harlekinfigur, mit Clowns-Make-up und viel Schatten drum herum. Die Stimmung war ziemlich passend gewählt, wo Sinatra doch gerade erst die Trennung von Ava Gardner hinter sich hatte.

Die Innovationen der Sechziger

Das erste prämierte Artwork war zwar durchaus gut gemacht, aber die eigentliche Verpackung der Musik – das Album-Packaging und die Art der Designelemente – war recht gewöhnlich. Doch in den Sechzigern sollte sich auch in diesem Bereich vieles tun, wobei die Beatles ganz klar wegweisend waren: Unvergessen ist das Design von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band aus dem Jahr 1967. Die Rückseite ganz in Rot gehalten, dazu nur ein kleines Foto der Fab Four, quasi als Fußnote, wobei die Songtexte über die gesamte Rückseite, also auch über das Foto liefen. Lyrics auf einem (Back-)Cover hatte es davor noch nie gegeben! Und es waren die Beatles selbst, die darauf bestanden, obwohl ihre Publishing-Firma arge Bedenken hatte, dass sich die Bonus-Bleiwüste schlecht auf die Verkaufszahlen auswirken könnte, vor allem auf die der Notenverkäufe. (Für das kürzlich veröffentlichte Super Deluxe Boxset wurde das Frontcover sogar in 3D als Lenticular-Artwork erweitert.)

Im Jahr drauf erregten die Beatles sogar noch mehr Aufsehen mit der Aufmachung ihrer Hits: Dieses Mal war der Entwurf dermaßen radikal, dass das Design dem dazugehörigen, ursprünglich gleichnamigen Album sogar einen bis heute gebräuchlichen Alternativ- und Spitznamen bescheren sollte: The White Album. Das Cover der 2LP im Gatefold-Sleeve hatte Richard Hamilton so gestaltet, dass die Vorderseite einfach nur glänzend weiß war, dazu war ihr Bandname in den Karton geprägt. Außerdem gab’s einen Stempel mit einer Seriennummer – wobei Ringo Starr sich die Nummer 0000001 sicherte, die im Jahr 2015 für 790.000 US-Dollar versteigert werden sollte.

Überhaupt waren die Beatles ihrer Zeit in Sachen Promotion und Marketing meilenweit voraus: Zwischen 1963 und 1969 veröffentlichten sie jedes Jahr eine exklusive Weihnachtsaufnahme auf Flexi-Disc – jene biegsamen, billigeren Vinyl-Varianten, die später oft Zeitschriften beigelegt wurden –, die sie an die Mitglieder ihrer Fanclubs verschickten. Die Idee, solche Vinyl-Giveaways auch Publikationen beizulegen, kam zuerst in Japan auf, und manchmal nutzten Bands das Format, um so seltene Tracks zu veröffentlichen: Elvis Costellos 23 Minutes Over Brussels beispielsweise, oder auch Adam Ants Version von YMCA (woraus hier ANTS wurde) erschienen als Flexi-Discs. Obwohl dieses Format inzwischen weitestgehend verschwunden ist, gibt es hin und wieder doch noch Promo-Kampagnen auf biegsamem Vinyl – Freedom At 21 zum Beispiel, ein Stück von Jack Whites Blunderbuss-Album, erschien im Jahr 2012 in diesem Format.

Kreative Innovationsschübe

Da inzwischen immer mehr Verlage, Labels und Musiker*innen neue Wege gingen und sich kreativ zeigten, wuchs auch die Zahl der Verpackungsformate immer weiter: Stereotomy von The Alan Parsons Project kam im durchsichtigen Plastik-Sleeve, und das Artwork fürs Second Album von Curved Air hatte gleich fünf Schichten in verschiedenen Farben. Eine Sache war dabei immer wieder ein Thema: 3D-Cover. Vorreiter waren hier The Rolling Stones mit Their Satanic Majesties Request. Das Frontcover des Gatefold-Sleeves zierte ein 3D-Bild, wobei es auf der Innenseite richtig schön psychedelisch wurde (siehe auch das Deluxe Boxset zum 50. Jubiläum). Noch weiter gingen die Stones für Sticky Fingers: Hier hatte das Sleeve einen echten Reißverschluss, unter dem eine Unterhose (aus Stoff) verborgen war – und die Worte „THIS PHOTOGRAPH MAY NOT BE – ETC“ zusammen mit dem Verweis auf den Schöpfer: Andy Warhol.

Es gab auch Fälle, in denen das Werk und die gesellschaftlichen Umstände ein neues Design nahelegten: Unfinished Music No.1: Two Virgins von John Lennon und Yoko Ono war dermaßen umstritten, dass es in einer braunen Papiertüte verkauft werden musste – die beiden waren einfach zu unbekleidet.

Auch das Originalvinyl von Jefferson Airplanes Bark (1971) kam im braunen Papiertüten-Look daher: Neben dem „JA“-Logo (was an die Supermarkt-Kette A&P angelehnt war) war das Bild eines Fischkopfs mit menschlichen Zähnen zu sehen, schön eingewickelt und verschnürt. Das beigelegte Lyric-Sheet war rosa und sah aus wie ein Bestellzettel vom Schlachter.

Fast schon religiös verehrt wurden die Arbeiten von Larry Shaw, der sich bei Stax Records um Packaging und Artwork kümmerte. Von ihm stammt beispielsweise das ikonische Cover von Isaac Hayes’ Black-Moses-Album (1971), das seit rund fünf Jahrzehnten zu den größten Coverdesigns der Musikgeschichte gezählt wird. Während Hayes hier die Moses-Rolle übernehmen durfte, ließ sich das Sleeve der 2LP so ausfalten, dass man ein riesiges Kreuz von 1,20m Höhe und 90cm Breite erhielt.

Design-Ikonen

Manchmal reicht ein* brillante*r Designer*in, um ganz neue Impulse zu setzen und größere Veränderungen ins Rollen zu bringen. Der Fotograf Dennis Morris, der in den Jahren davor ikonische Bilder von den Sex Pistols und Bob Marley gemacht hatte, wurde 1979 von Public Image Ltd. als Album-Designer beauftragt. Als er dann sagte, er wolle statt des regulären Albumformats drei 45rpm-Singles in eine Metallbox packen – daher auch der Titel Metal Box –, war man beim Label zunächst sehr skeptisch, weil die Kosten einfach zu hoch schienen. Morris jedoch machte in London eine Firma ausfindig, die Filmdosen produzierte, und die Größte passte perfekt zum Vinylformat: „Also haben wir einfach einen Restposten aufgekauft“, erinnerte sich Dennis später, „und haben dann das PiL-Logo aufgeprägt. War dadurch hinterher viel billiger als erwartet.“

Die Produktionskosten waren natürlich immer wieder ein wichtiger Faktor: Das Album Ogdens’ Nut Gone Flake von Small Faces erschien 1968 zunächst in einer ganz besonderen Verpackung – nämlich als überdimensionierte Tabakdose. Allerdings war das dann doch etwas zu luxuriös, zu teuer, und nicht nur das: Die Dosen rollten auch regelmäßig aus den Regalen der Plattenläden und fielen auf den Boden. Also gab’s danach nur noch die eckige Variante im Gatefold-Sleeve.

Jahre später entpuppte sich Mark Farrows Arbeit für die Rockband Spiritualized als bahnbrechend: Das Design zu Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space bescherte ihm 1997 eine ganze Reihe von Preisen. Sein Entwurf basierte auf einem Satz, den Sänger Jason Pierce gleich im ersten Design-Meeting gesagt hatte: Musik sei letztlich „Medizin für die Seele“, so Pierce. Also erschien das Album apothekenkonform in einer so genannten Blisterverpackung, wie sonst Tabletten also, und für die Linernotes war natürlich reichlich Platz auf dem Beipackzettel, wo sonst die Nebenwirkungen aufgelistet sind.

Auch Design-Bruchlandungen gab’s gelegentlich: Craig Brauns Entwurf für Alice Coopers School’s Out, bei dem sich das Sleeve so ausklappen ließ, dass es wie ein Schultisch aussah, beinhaltete neben dem Vinyl auch ein paar Shorts. Viel Aufwand – was besonders ärgerlich war, als sich herausstellte, dass die Produktion vorzeitig eingestellt werden musste, weil die Verpackung zu leicht brennbar war.

Die Ära der Deluxe-Boxsets

Schon vor ein paar Jahren hat schließlich die Ära der Deluxe-Editionen und Boxsets begonnen, und den Sammler*innen wurden da immer neue Specials und Innovationen präsentiert – zusammen mit viel Bonusmaterial: Badmotorfinger beispielsweise, der Soundgarden-Klassiker von 1991, kam 25 Jahre später mit gleich sieben Discs daher – und das Logo war beweglich und batteriebetrieben.

2018 waren es Guns N’ Roses, deren „Locked N’ Loaded“-Edition von Appetite For Destruction noch sehr viel weiter ging: Das 12-Zoll-Format wurde hier zum dreidimensionalen Holzwürfel erweitert, dazu gab’s ein aufwendiges Design aus Lederimitat und diverse Specials von Kopftuch und Ring bis hin zu Lithografien für jeden Song, Münzen, Ticketnachdrucke und, und, und. Mehr Bonusmaterial geht eigentlich gar nicht.

Während manche Boxsets eher das Konzeptionelle unterstreichen (z.B. die „End Of The World“-Edition von Ryan Adams’ Prisoner), setzen andere eher auf Effekte: The Complete Early Years von Motörhead kam beispielsweise im Schädeldesign mit rot leuchtenden Augen.

Neue Wege, neue Formate

In den letzten Jahren hat kaum eine Band so viel mit neuen Formaten und Medien herumexperimentiert wie The Flaming Lips. So erschien eine EP im Jahr 2011 auf einem USB-Stick, der wiederum in einem essbarem Fruchtgummischädel steckte – wobei man erst 3,5 Kilo Gummizeug verzehren musste, um die Songs zu entpacken. Da die Edition sofort ausverkauft war, setzten sie noch einen drauf: Drei weitere Songs kamen als nächste EP, wieder auf USB, aber nun in einem Fruchtgummifötus verborgen. 2014 veröffentlichte Julian Casablancas (The Strokes) sein Soloalbum Tyranny auch auf einem USB-Stick, nur war dieses Modell zugleich ein Feuerzeug.

Auf der Jagd nach Originalität war jedoch keiner so radikal und wortgetreu wie der Wu-Tang Clan – denn es gab wirklich nur eine einzige Kopie von The Wu: Once Upon A Time In Shaolin, das 2014, nun ja, nicht wirklich für die Allgemeinheit erscheinen sollte. 31 Tracks, verpackt in einer Silber-Nickel-Schatulle des Künstlers Yahya. Für rund 5 Millionen US-Dollar ging das gute Stück an einen dubiosen Freund von Mr. Trump, der wenig später zu mehreren Jahren Haft verklagt werden sollte.

In den kommenden Jahrzehnten erwarten uns viele digitale Innovationen, die auch in den Bereich Design und Packaging überschwappen werden – man denke etwa an Motion Graphics. Wie innovativ man bis heute mit Papier und Karton sein kann, bewies dabei erst kürzlich der Designer Jonathan Barnbrook, der für David Bowies letztes Album Blackstar den Grammy in der Kategorie „Best Packaging“ abräumte: Weil sich im ausgeschnittenen Stern auf dem Albumcover nach Sonnenbelichtung tatsächlich ein Sternenhimmel abzeichnete.

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