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Popkultur

Aerosmith: Alle Alben im ultimativen Ranking

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Aerosmith
Foto: Jeff Kravitz/FilmMagic/Getty Images

Ist Get A Grip wirklich so schlecht wie alle denken? Und wie gut ist eigentlich Toys In The Attic? Hier kommt unsere Einschätzung aller 15 Platten der bösen Jungs aus Boston.

von Björn Springorum

2023 feiern wir 50 Jahre Aerosmith. Und auch wenn ihre Bühnenkarriere langsam den Ende entgegen geht, ist das noch lange kein Grund, huldvoll vor ihrem Gemächt-, äh, Vermächtnis zu knien. 15 Platten haben Steven Tyler, Joe Perry, Tom Hamilton, Joey Kramer und Brad Whitford zwischen 1973 und 2012 veröffentlicht, über 150 Millionen Tonträger haben sie weltweit verkauft. Wie viel Gold und Platin es dafür gab, wissen wahrscheinlich nicht mal Aerosmith selbst. Konzentrieren wir uns also lieber auf diese Frage: Welches ist denn eigentlich die beste Platte? Welches die mieseste? Welche ist unterschätzt, welche gar überschätzt? Vorhang auf für unser ultimatives Ranking.


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Aerosmith - Diverse Alben
Aerosmith
Diverse Alben
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15. Nine Lives (1997)

1993 veröffentlichen Aerosmith mit Get A Grip ihr erfolgreichstes, wenn auch wenig geliebtes Album. Der Nachfolger Nine Lives fühlt sich vier Jahre später wie das lieblose Sequel zu einem Blockbuster an, nach dem eigentlich niemand gefragt hat. Die Produktion verläuft katastrophal, die Band klingt viel zu bemüht hip und angesagt. Cool ist hier die Nummer The Farm mit ein wenig Britpop-Charme (echt). Der Rest ist leider Meterware.

14. Just Push Play (2001)

Der Nachfolger ist ähnlich schlimm, bemüht, verkrampft: Zwar versuchen Aerosmith hier wieder mehr, sich auf ihre Kernkompetenz zwischen Blues und Sleaze zu berufen; doch Songs wie dieser Fremdscham-Versuch Jaded, mit dem sie in den Alternative Rock vordringen wollen, gehen dann aber deutlich nach hinten los. Auch der Versuch, bei Outta Your Head ihre Walk-This-Way-Geister wieder heraufzubeschwören, wird zum sehr peinlichen Rap-Rock-Flop. Joe Perry sieht 2010 ein: „Dieses Album hat mir gezeigt, wie man ein Aerosmith-Album nicht macht.“ Stimmt.

13. Music From Another Dimension (2012)

Es ist wohl schon das größte Kompliment, dass die nach wie vor aktuelle Aerosmith-Platte Music From Another Dimension nicht auf dem letzten Rang gelandet ist. Liegt nicht daran, dass sie besonders gut ist; vielmehr überwiegt die Freude, dass elf Jahre nach Just Push Play zumindest noch ein Album in der Vita steht, das ein versöhnlicheres Ende bedeuten würde – Joe Perry sei Dank.

12. Rock In A Hard Place (1982)

Ist ein Aerosmith-Album ohne Joe Perry eine gute Idee? Hört man ja: nee. Die einzige Veröffentlichung der Bostoner ohne ihren essentiellen Gitarristen klingt lauwarm, will nicht recht in die Gänge kommen und stürzt Aerosmith in eine ernste Krise. Nicht, dass Perry-Substitut Jimmy Crespo eine schlechte Figur macht; Rock In A Hard Place klingt nur irgendwie so, als würde eine Cover-Band unveröffentlichte Aerosmith-Songs spielen.

11. Done With Mirrors (1985) 

1985 ist Joe Perry zurück, die Band zumindest etappenweise aus Bergen von Koks aufgetaucht, alles soll wieder so werden wie früher. Die Energie ist durchaus zurück, Lust am Experimentieren auch. Das einzige, was fehlt, sind eben Hits. Dennoch befindet sich manch kleines Juwel auf der Scheibe – der Swagger von Gypsy Boots zündet zumindest noch heute.

10. Honkin’ On Bobo (2004)

Zwölf Jahre vor Blue & Lonesome von den Rolling Stones arbeiten sich Areosmith auf Honkin’ On Bobo an ihren Blues-Vorbildern ab. Nach allem, was die Band davor abgeliefert hat, ist das höchst willkommen, ein unschuldiger, heißblütiger Streifzug durch Bo Diddley, Willie Dixon oder Fleetwood Mac (Stop Messin’ Around). Kein ganz großer Geniestreich, aber zur damaligen Zeit äußerst heilsam.

9. Draw The Line (1977)

1977 zeigen sich bei Aerosmith so langsam erste Abnutzungserscheinungen. Überarbeitet, ständig high, nur unterwegs… die Jahre seit Toys In The Attic fordern ihren Tribut. Da hilft es auch nicht, dass man sich in einem leerstehenden Kloster in New York City einquartiert und die Mandolinen und Banjos hervorholt. Killer (Draw The Line) und Filler (Critical Mass) halten sich hier die Waage, doch was vor allem hängenbleibt, ist der Mut der Band, nicht einfach das Rezept des erfolgreichen Vorgängers zu wiederholen.

 8. Night In The Ruts (1979)

Ein Beweis für die Größe dieser Band ist Night In The Ruts: Während alles implodiert, während Joe Perry hinwirft und die Berge an Koks immer größer werden, schaffen es Aerosmith irgendwie dennoch, ein kerniges, rohes, grobkörniges Rock-Album rauszuhauen. Steven Tyler liebt die Platte bis heute: „Eine verdammte Sonnenfinsternis“, nannte er sie mal. Recht hat er: Dramatische Songs wie Remember (Walking In The Sand) sind von einer fiebrigen, ahnungsvollen Aura durchdrungen.

7. Get A Grip (1993)

In aller Fairness: Das Album ist bei weitem nicht so schlecht wie alle sagen! Klar sind vielleicht ein bisschen viel Balladen drauf, aber hey, das sind die frühen Neunziger und MTV braucht Futter. Außerdem sind Crazy, Cryin’ und Amazing schlichtweg saugute Songs. Da sollte man mal nicht so hart sein.

6. Permanent Vacation (1987) 

Für die Band mag Done With Mirrors zwei Jahre zuvor schon das Comeback gewesen sein. Für den Rest der Welt gelingt das erst mit diesem Album. Permanent Vacation klingt heute vielleicht ein klein wenig in die Jahre gekommen, doch die Platte macht einfach immer noch Bock – vom explosiven Opener Heart’s Done Time über das lässige Rag Doll bis zum albernen Mötley-Crüe-Diss Dude (Looks Like A Lady).

5. Get Your Wings (1974) 

Im Grunde macht die Band hier alles wie auf ihrem Debüt Aerosmith. Nur ein kleines bisschen besser. Konzentrierter, dichter, selbstbewusster. Ein zweites Dream On ist zwar nicht drauf, dafür Perlen wie Lord Of The Thighs (was ein Titel) und das jenseitige Seasons Of Wither. Hier spielt eine Band, die sich bereit macht für den großen Sprung.

4. Aerosmith (1973)

Vielleicht ist alles noch ein wenig naiv und unausgereift auf Aerosmiths Debüt. Das macht aber den Charme der Platte aus – ein großes Hard-Rock-Werk aus den frühen Siebzigern, gekrönt von Dream On, einem der legendärsten Rock-Songs überhaupt. Interessiert damals nur keinen – weil ein gewisser Bruce Springsteen am selben Tag ebenfalls seine erste Platte veröffentlicht. Na, der Ärger wird mittlerweile verflogen sein.

 3. Pump (1989) 

Und so klingt es dann, wenn eine Band nach einem erst wackeligen und dann starken Comeback wieder fest im Sattel sitzt und nur so strotzt vor Selbstbewusstsein: Pump beendet die Achtziger mit einem standesgemäß überlebensgroßen Sound, mit großen Gesten, breitbeiniger Haltung, anzüglichen Hits wie Love In A Elevator, kontroversen Songs wie Janie’s Got A Gun und dem grandiosen Blues-Ausklang What It Takes.

2. Rocks (1976)

An der Spitze wird es eng: Eigentlich hätten Rocks und Toys In The Attic beide den ersten Platz verdient. Wir weisen Rocks nur deswegen Rang zwei zu, weil hier alles vielleicht ein bisschen zu sehr klingt wie auf dem Vorgänger, der Aerosmith den großen Durchbruch beschert. Ist ja aber auch irgendwie klar: Die Platte erscheint nur ein Jahr später. Back In The Saddle ist bis heute unübertroffen, Lick And Promise steht im Aerosmith-Kanon auch ganz oben. Die Produktion packt zu, die Band spielt entfesselt… Mitte der Siebziger können die Bostoner gar nichts falsch machen.

1. Toys In The Attic (1975)

Unsere Nummer eins steht auch deswegen ganz oben, weil der Sprung von Get Your Wings zu Toys In The Attic ein großer ist: 1975 schält sich eine neue Megaband aus dem Kokon, eine wilde, gefährliche, zügellose Truppe, die alle Versprechen ihrer ersten beiden Platten einlöst. Die Grooves sitzen, die Riffs sind schwer und hart (Round And Round geht als Metal durch), sogar dem Fifties-Blues huldigen sie überzeugend (Big Ten Inch Record). Ein Manifest des Siebziger-Rock, eine Ikone, das Abum, das Aerosmith zu Aerosmith macht. Das verdient nichts anderes als die Pole Position.

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10 Aerosmith-Songs, die man kennen muss

Popkultur

Zeitsprung: Am 30.9.1978 veröffentlicht Gary Moore „Back On The Streets“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 30.9.1978.

von Christof Leim und Tom Küppers

Als Gary Moore am 30. September 1978 Back On The Streets veröffentlicht, hat er schon einige Bands hinter sich. Die Platte erscheint unter eigenen Namen, doch er kann auf helfende Freunde zählen. Insbesondere die Herren Lynott und Downey, zwei alte Bekannte aus Dublin, mischen mit.


Hört hier in Back On The Streets rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

Dass bei Gary Moore etwas mit Musik gehen würde, zeichnet sich schon früh ab: Mit zehn bekommt er seine erste Gitarre in die Finger, schon im Alter von 16 Jahren wird er 1968 von der Dubliner Band Skid Row rekrutiert (nicht verwandt oder verschwägert mit den gleichnamigen Hardrockern aus New Jersey). Nach dem Ende dieser Truppe gründet er die kurzlebige Gary Moore Band und veröffentlicht 1973 das Quasi-Soloalbum Grinding Stone. 1974 hilft er kurzfristig auf der Bühne und im Studio bei Thin Lizzy aus und betätigt sich parallel bei den Jazzrockern Colosseum II. Als Lizzy Anfang 1977 vor einer gemeinsamen US-Tour mit Queen ohne Gitarrist dastehen, springt Gary wieder ein.



Insbesondere mit Lizzy-Frontmann Phil Lynott versteht sich Moore auf künstlerischer und persönlicher Ebene hervorragend. Doch das Angebot fest bei der seinerzeit populärsten irischen Band einzusteigen, lehnt der Gitarrist noch ab. Zum einen will er seine Colosseum II-Kollegen trotz kommerziellen Misserfolgs nicht im Regen stehen lassen, zum anderen steckt er zu diesem Zeitpunkt schon in den Vorbereitungen für sein erstes „richtiges“ Soloalbum.



Back On The Streets wird im Frühjahr 1978 unter der Aufsicht des legendären Hardrock-Produzenten Chris Tsangarides eingespielt. Neben Studiogrößen wie dem späteren Toto-Schlagzeuger Simon Phillips gastiert mit Phil Lynott und Trommler Brian Downey die Rhythmussektion von Thin Lizzy gleich auf mehreren Stücken. Und auch kompositorisch hinterlässt Lynott deutliche Spuren: Abgesehen von einer gelungenen Neueinspielung des Lizzy-Hits Don’t Believe A Word in balladesker Form profitiert Moore zwei weitere Male von den schöpferischen Fähigkeiten seines Freundes.



Fanatical Fascists zeigt sich von der wuchtigen Simplizität des aufkeimenden UK-Punk inspiriert, für den Lynott große Sympathien hegt. Für die größere Überraschung sorgt Parisienne Walkways: Der gemeinsam von Lynott und Moore geschriebene Schmachtfetzen entpuppt sich als Hit, der im vereinigten Königreich bis auf Position acht der Single-Charts vordringt. Bis heute fesselt die Nummer durch ihre wunderbaren Gitarrenlinien, 2014 trägt sie den japanischen Eiskunstläufer Yuzuru Hanyu gar zum Punkte-Weltrekord im Kurzprogramm. Und selbstverständlich profitiert auch das am 30. September 1978 veröffentlichte Back On The Streets-Album in Sachen Verkaufszahlen von diesem kommerziellen Überraschungserfolg.

Eine weitere denkwürdige (weil einzigartige) Performance gibt es im Januar 1979 im Rahmen der BBC-Sendung The Old Grey Whistle Test zu bestaunen. Für diesen Anlass rekrutiert Moore mit Lynott, Lizzy-Klampfer Scott Gorham, Keyboarder Don Airey und Trommel-Gott Cozy Powell eine All-Star-Truppe ersten Kalibers. Die Interpretationen des Titelsongs von Back On The Street und Don’t Believe A Word sind absolut mitreißend, bei letzterem lässt sich Gary selbst von einer gerissenen Saite nicht aufhalten.



Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Gitarrist allerdings bereits wieder mit Thin Lizzy im Studio, um als festes Bandmitglied deren Album Black Rose: A Rock Legend (1979) einzuspielen. Jedoch verlässt er die von Drogenproblemen geplagte Band im Sommer während einer laufenden US-Tournee wieder. Von dem Moment an widmet er sich fast ausschließlich seinen musikalischen Alleingängen, mit denen er in den kommenden Jahrzehnten so wohl im Hard Rock als auch im Blues epochale Gitarrengeschichte schreiben wird.

Zeitsprung: Am 30.5.1980 landet Gary Moores G-Force auf dem Rockplaneten.

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Popkultur

„Monsters Of California“: Alles über den UFO-Film von Blink-182-Sänger Tom DeLonge

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Tom DeLonge HEADER
Foto: Christopher Polk/Getty Images

Blink-182-Fans wissen: Frontmann Tom DeLonge hat nicht nur ein Faible für Rock, sondern auch für Roswell. Schon seit vielen Jahren interessiert er sich für UFOs, außerirdische Lebensformen und alles, was damit zu tun hat. Mit Monsters Of California bringt er bald seinen ersten Film raus. Und darin geht es natürlich um …

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Nine von Blink-182 anhören:

… genau. In Monsters Of California hängt der Teenager Dallas Edwards am liebsten mit seinen verpeilten Freund*innen herum. Eines Tages findet die südkalifornische Clique zufällig einige Unterlagen von Dallas’ Vater, die darauf schließen lassen, dass er beruflich mit mysteriösen und paranormalen Ereignissen zu tun hat. Die Jugendlichen verknüpfen ihre Erkenntnisse miteinander, stellen Theorien auf — und werden auf einmal von uniformierten Männern mit Maschinengewehren umstellt. Spätestens jetzt wissen sie, dass etwas Großem auf der Spur sind. Doch sie haben natürlich noch keine Ahnung, wie groß ihre Entdeckung wirklich ist …

Tom DeLonge: Pop-Punk-Ikone und UFO-Fan

Die meisten kennen Tom DeLonge als Sänger und Gitarrist der erfolgreichen Pop-Punks Blink-182. Doch der Kalifornier ist auch ein ausgewiesener Alien-Fan, der sich in seiner Freizeit ausgiebig mit UFO-Sichtungen, Area-51-Theorien, außerirdischen Lebensformen und paranormalen Aktivitäten beschäftigt. (Mit dem Song Aliens Exist vom Blink-182-Album Enema Of The State brachte er DeLonge beiden Leidenschaften 1999 unter einen Hut — und genau diese Nummer ist natürlich auch im Trailer von Monsters Of California zu hören.) Immer wieder hinterfragt und forscht er im Namen der Wissenschaft nach Aliens und sucht Erklärungen für diverse Verschwörungstheorien. Schräg, oder?

DeLonges Engagement geht so weit, dass er am 18. Februar 2017 zum Beispiel den „UFO Researcher of the Year Award“ von OpenMindTV verliehen bekam. 2015 erzählte er in einem Interview von einer mutmaßlichen Begegnung mit Außerirdischen — während eines Camping-Trips nahe der sagenumwobenen Area 51. „Mein ganzer Körper hat sich angefühlt, als sei er statisch aufgeladen gewesen“, versicherte der Sänger. Auch Freunde von ihm könnten über Begegnungen mit Aliens berichten. Außerdem verfüge er über Regierungsquellen und auch sein Telefon sei aufgrund seiner Forschungen schon abgehört worden. Wenn er meint …

Monsters Of California: Wann startet der erste Film von Tom DeLonge?

In den USA läuft Monsters Of California am 6. Oktober 2023 an, doch wann der Streifen in Deutschland erscheinen soll, ist bisher nicht klar. So oder so: Der Trailer verspricht mindestens einen unterhaltsamen Kinobesuch — nicht nur für Blink-182-Fans.

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blink-182: Alle Studioalben im Ranking

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Popkultur

Zeitsprung: Am 29.9.1986 trumpfen Iron Maiden erneut auf mit „Somewhere In Time“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.9.1986.

von Christof Leim

In den Achtzigern stürmen Iron Maiden von einem Triumph zum nächsten. Dabei reiben sie sich fast bis zur Überlastung auf, halten aber konsequent Kurs und Niveau und entdecken neue Sounds. Am 29. September 1986 erscheint Somewhere In Time – und Eddie wird zum Cyborg.

Hier könnt ihr das Album hören:

Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Kann nach einer Welteroberung schon mal passieren: 1984 hatten die fünf Briten auf der World Slavery Tour elf Monate lang in 28 Ländern auf vier Kontinenten gespielt – und zwar satte 193 Shows vor geschätzten 3,5 Millionen Fans. Der Preis: Bruce Dickinson (Gesang), Steve Harris (Bass), Dave Murray (Gitarre), Adrian Smith (Gitarre) und Nicko McBrain (Schlagzeug) sind fix und fertig. Deshalb fordern die Musiker sechs Monate Pause. Daraus werden zwar nur vier, doch zum allerersten Mal seit Jahren steht die Maiden-Maschine ein Weilchen still. 

Neues Spielzeug

Die Konsequenzen hört man: Harris, Smith und Murray experimentieren mit Gitarrensynthesizern, mit denen sich Keyboardsounds über die Gitarre und den Bass erzeugen lassen. Dickinson indes zweifelt an seiner Motivation und will musikalisch in eine andere Richtung. Er komponiert vor allem akustisches (also stromloses, ruhiges) Material, das von den Kollegen und dem Produzenten aber abgelehnt wird. Der Sänger zeigt sich verletzt, freut sich aber darüber, für eine Weile „nur“  singen zu müssen. Für ihn springt Adrian Smith in die Bresche und liefert im Alleingang mehrere fertige Tracks, die auf einhellige Begeisterung stoßen und Somewhere In Time maßgeblich prägen sollten.

Futuristische Fahrzeuge, klassische Patronengurte: Iron Maiden auf dem Pressefoto für „Somewhere In Time“ – Foto: Aaron Rapoport/Promo

Erst im Januar 1986 geht es zurück ins Studio, genauer: in mehrere Studios. Drums und Bass nehmen Iron Maiden in den Compass Point Studios auf den Bahamas auf, in dem auch AC/DC Back In Black eingespielt hatten. Gitarren und Gesänge bringen die Musiker in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum auf Band, abgemischt wird schließlich in den Electric Lady Studios in New York. Damit wird Somewhere In Time nicht nur zum teuersten Album der bisherigen Bandkarriere, sondern auch zum technisch ambitioniertesten. Wie für die Beständigkeit in der Maiden-Welt der Achtziger typisch, ändert sich an der sonstigen Formel wenig. Die Produktion übernimmt ein weiteres Mal Stammproduzent Martin Birch.

Fünf Minuten mindestens

Somewhere In Time erscheint am 29. September 1986 und steigt in Großbritannien auf Platz drei ein. In den USA schafft die Band mit Platz elf ihre bis dato beste Platzierung. Auf dem Cover prangt natürlich das unvergleichliche Iron Maiden-Monster Eddie in einem aufwändigen Science-Fiction-Gemälde. Schon im Intro der ersten Nummer, dem vom Film Blade Runner inspirierten Quasi-Titelstück Caught Somewhere In Time aus der Feder von Steve Harris, hören die Fans die besagten Gitarren-Synthesizer. Doch am grundsätzlichen Stil von Iron Maiden hat sich nichts geändert. Es galoppiert der Bass, wie es sich gehört, die Gitarren riffen, und Dickinson lässt seine Sirenenstimme aufheulen. Wo Iron Maiden drauf steht, ist Heavy Metal drin, vermutlich bis ans Ende aller Tage. Allerdings klingt Somewhere In Time insgesamt weniger rau, sondern bei gleichem Energieniveau erwachsener, vielschichtiger und, wenn mal so will, futuristischer.

Von den acht Songs fällt keiner kürzer aus als fünf Minuten aus, das Gros stammt von Steve Harris, drei Beiträge kommen von Adrian Smith. Dazu gehört die erste Single Wasted Years, in der Maiden so eingängig klingen wie es nur geht, ohne ihren eigenen Sound zu verlieren. Der Text erzählt von Heimatlosigkeit und Entfremdung – ein klarer Kommentar zur endlosen World Slavery Tour. Als Wasted Years drei Wochen vor dem Album als Single ausgekoppelt wird, sieht man auf dem Cover das Cockpit einer Zeitmaschine, in deren Armaturenbrett sich der Kopf von Eddie spiegelt. Der Grund: Sein neues Aussehen sollte nicht vor Erscheinen des Albums verraten werden, schließlich hat das Maskottchen mittlerweile Kultstatus erreicht.

Auf der Vorabsingle durfte Eddie sich noch nicht ganz zeigen…

Filme und Bücher als Inspiration

Das folgende Sea Of Madness, ein dramatischer Uptempo-Banger, stammt ebenfalls von Smith, setzt aber keine besonderen Akzente. Für Heaven Can Wait, einen Harris-Song über eine Nahtoderfahrung, rekrutieren Maiden die Gäste einer Kneipe, um die „Oh-Oh“ -Fußballchöre im Mittelteil einsingen zu lassen.

Das ebenso harte wie vertrackte The Loneliness Of The Long Distance Runner basiert nicht nur im Titel auf einer Kurzgeschichte des britischen Autoren Alan Sillitoe. Stranger In A Strange Land hingegen geht direkt ins Ohr und wird deshalb als zweite Single ausgekoppelt. Inspiriert wurde Adrian Smith hierfür durch ein Gespräch mit einem Arktisforscher, der einen gefrorenen Körper im Eis gefunden hatte. Vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Robert A. Heinlein hingegen leiht sich Smith lediglich den Titel. 

Egal, wo und wann: Eddie ist immer cool

Die Credits für Deja-Vu teilt sich Harris mit Dave Murray, der im Schnitt für jedes zweite Album einen Song beisteuert. Alexander The Great stammt vom Bassisten alleine und reiht sich mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten in den Reigen der großen Maiden-Epen ein, diesmal mit explizit historischem Bezug.

Ein Cover wie ein Bildband

Ein sicherer Hit ist zweifelsfrei das Artwork der Platte: Hier steht Eddie als Weltraum-Terminator mit Cyborg-Auge und Laserpistolen in einer futuristischen Stadt, die vor Details nur so überquillt. Der Künstler Derek Riggs, der Künstler hinter diesem Werk, erinnert sich an den Arbeitsauftrag: „Wir haben uns eigens in Amsterdam getroffen und drei Tage lang über das Cover gesprochen. Sie wollten eine Kulisse wie in Blade Runner, eine Science-Fiction-Stadt.“ Um das zu erreichen, erschafft Riggs eine Skyline mit Werbeslogans und Firmennamen, die er größtenteils erfindet, um Copyright-Probleme zu vermeiden. Dabei dreht er richtig auf und auch ein wenig durch. 

Immense Detailfülle und jede Menge versteckte Späßchen: Das Artwork aus der Feder von Derek Riggs

Wer genau hinguckt, kann unter anderem erkennen: den Sensenmann und die Katze mit Heiligenschein von Live After Death, den abstürzenden Himmelsstürmer aus Flight Of Icarus, ein Flugzeug über der „Aces High Bar“ , das „Ancient Mariner Seafood Restaurant“, ein Straßenschild zur „Acacia Avenue“ , ein Konzertposter mit dem Ur-Eddie, die Dame aus Charlotte The Harlot, die Tardis aus Doctor Who, Batman, eine Uhr, die zwei Minuten vor Mitternacht anzeigt, das „Phantom Opera House“ , den Ruskin Arms Pub (eine der ersten Spielstätten der Band) sowie die exakt gleiche Straßenlaterne wie auf dem Cover des Debüts. Irgendwo steht sogar auf Japanisch „Pickelcreme“ , auf Russisch „Joghurt“  und in Spiegelschrift „Dies ist ein sehr langweiliges Gemälde“. Drei Monate sitzt Derek Riggs an dem Werk, mitgezählt eine mehrwöchige Zwangspause, weil er irgendwann Halluzinationen bekommt und aussetzen muss. Kurzum: Das Cover ist Wahnsinn. Und absolut großartig.

…und die Rückseite ist genauso bombastisch.

Auf die Straße. Natürlich.

Natürlich geht es für die fünf Musiker umgehend auf Konzertreise: Der Somewhere On Tour getaufte Trek zieht von September 1986 bis Mai 1987 um die Welt, mit dabei ein überdimensionaler Cyborg-Eddie, der über die Bühne spaziert, zwei riesige Podeste rechts und links in Form von Monsterkrallen, eine aufwändige, sehr helle Lightshow sowie ein pulsierendes Leuchtherz als Teil von Bruces Bühnenoutfit. 

Somewhere On Tour: Dave Murray schreddert, Eddie guckt kritisch – Foto: Ebet Roberts/Redferns/Getty Images

So stressig und geradezu selbstmörderisch wie zwei Jahre zuvor auf der World Slavery Tour sollte es jedoch nicht mehr werden, auch die Zeiten, in denen Iron Maiden jedes Jahr ein Album und eine Welttour hinlegen, sind mit Somewhere In Time vorbei. Doch die Metal-Weltherrschaft der Achtziger haben Iron Maiden da längst inne.

Zeitsprung: Am 28.4.1988 starten Iron Maiden ihre Welttournee in einem Kölner Club.

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