------------

Popkultur

60 Jahre „Apache“: Wie der Welthit der Shadows sogar den Hip-Hop prägte

Published on

Foto: David Redfern/Redferns/Getty Images

Vor dem Durchbruch der Beatles gibt eine andere Band in Großbritannien den Ton an: Zunächst als Backing Band für Cliff Richard unterwegs, schwingen sich The Shadows vor genau 60 Jahren auch ganz ohne Unterstützung zu Englands ersten Beat-Königen auf. Zu verdanken ist das einem einzigen Lied. Es trägt den Namen Apache.

von Björn Springorum

John Lennon sagte einmal, The Shadows seien die einzige britische Band gewesen, die es vor den Beatles zu hören gelohnt hätte. Bescheiden mag das nicht gerade klingen. Vor allem aber zeigt es, welchen Einfluss diese Londoner Musiker auf die damals gerade aufkeimende Beat- und Skiffle-Bewegung haben. Dass sie überhaupt als eigenständige Band goutiert werden, ist am Anfang der Karriere noch nicht klar: Gegründet werden The Shadows unter dem Namen The Drifters, um Englands erster nennenswerter Rock‘n‘Roll-Entdeckung Cliff Richard mit einer anständigen Backing Band Rückendeckung zu geben.

Der Schatten von Cliff Richard

The Drifters, das sind damals Ken Pavey, Terry Smart, Norman Mitham und Ian Samwell. 1958 nehmen sie mit Richard Move It auf, den ersten richtigen Rock‘n‘Roll-Song der englischen Geschichte. Ausgerechnet Hank Marvin und Bruce Welch, die prägendsten Figuren der Shadows-Geschichte sind damals noch nicht dabei. Wie viele andere vor und nach ihnen, werden beide in der 2i’s Coffee Bar in Soho entdeckt, der Geburtsstätte des britischen Rock‘n‘Roll. Dort, zwischen Espressomaschine, Saftpresse und Sandwiches, wurden zuvor schon Cliff Richard und Tony Sheridan, aber auch Stars wie Adam Faith oder Ritchie Blackmore aufgespürt. Nachdem es mit einer US-amerikanischen Band namens The Drifters Stress wegen der Namensrechte gibt, nennt man sich kurzerhand The Shadows. Es wird nicht mehr lange dauern, ehe man mit diesem neuen Namen aus dem Schatten von Cliff Richard heraustreten wird.

Ein folgenschwerer Tag in der Abbey Road

Mitte 1960 sind The Shadows als Support für Jerry Lordan auf Tour. Der schrieb vor einigen Monaten einen Song namens Apache, war aber unzufrieden mit der Aufnahme von Bert Weedon. Auf der gemeinsamen Konzertreise bemerkt Lordan, wie gut diese Nummer zu den Shadows passen würde und lässt sie sie kurzerhand aufnehmen. Eine mehr als gängige Praxis damals: Die Beatles überlassen den herumkrebsenden Stones 1963 freigiebig I Wanna Be Your Man und sorgen für den ersten Hit ihrer ewigen Rivalen. Bei Lordan und den Shadows steckt mehr dahinter: Ja, die Nummer ist eine Fremdkomposition; das Einzigartige des Songs liegt aber in der Art und Weise der Aufnahmen: Eingespielt am 17. Juni 1960 in den Londoner Abbey Road Studios (die damals noch EMI Studios heißen), wird das Instrumental durch die folgenschwere Kombination einer Fender Stratocaster mit einer Echokammer zum einflussreichsten britischen Rock-Song der prä-Beatles-Ära. Selbst Cliff Richard ist auf der vom 1954-er Western Apache beeinflusste Nummer zu hören: Er spielt die Chinese Drum am Anfang und am Ende, um, so dachte man zumindest, originäres Indianer-Feeling aufkommen zu lassen.

Ein Cover überflügelt das Original

Das Stück mit dem Western-Galopp macht die Shadows als erste Backing Band überhaupt zu Stars in ihrem eigenen Recht. Viele weitere Hits folgen. Der Beat, die nach Hawaii klingende Gitarre, das Feeling von Apache bleiben unerreicht. Und bringt Generationen von Musiker*innen dazu, sich der Nummer anzunehmen: Noch im selben Jahr veröffentlicht der dänische Jazz-Gitarrist Jørgen Ingmann eine Cover-Version des Song. Ironie des Schicksals: Der Erfolg in den USA, der den Shadows mit der Nummer verwehrt bleibt, ist Ingmann im großen Stil vergönnt.

Nationalhymne des Hip-Hop

Doch damit steht diese unschuldige kleine Instrumental-Nummer mit dem Western-Feeling und der Hawaii-Gitarre erst am Anfang ihrer langen Reise: 1973 widmen sich Michael Viner und die Funk-Band The Incredible Bongo Band dem Geschehen. Sie fügen eine Bongo-Trommel am Anfang hinzu und schrauben den Percussion-Anteil allgemein hoch. Allein das ikonische Drum-Break wird zum Blueprint unzähliger Rap-Platten. Apache in dieser Version wird gerne auch als „Nationalhymne des Hip-Hop“ bezeichnet. „Alle Straßen“, so heißt es in einem Essay, „führen zu Apache zurück.“  In der Folge samplen Afrika Bambaataa, The Sugarhill Gang, L.L. Cool J, The Roots, Nas, Grandmaster Flash, MC Hammer, Vanilla Ice, die Beastie Boys und sogar Jay-Z und Kanye West Teile der Nummer und machen Apache zu einem Grundpfeiler des Hip-Hop-Samplings. Nicht unbedingt übel für eine Band in Anzügen, deren Sänger eine Buddy-Holly-Brille trägt.

Der Einfluss von Apache ist bis heute spürbar. Moby und Rage Against The Machine, Madonna und  Amy Winehouse, ja sogar Deutschlands Top-Trasher Scooter bedienen sich früher oder später an Teilen des Songs und machen ihn zu einem der einflussreichsten Stücke Musik in der Geschichte des Rock‘n‘Roll. 60 Jahre Apache ist deswegen auch eines: Ein Beweis für die anhaltende Kraft eines einziges Stücks Musik in zwei Minuten und 54 Sekunden.

Wie das The Beatles Album ‘Sgt Pepper’s Lonely Hearts Club Band’ die Musikwelt veränderte

Don't Miss