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Popkultur

Beggars Banquet: Was diesen Stones-Klassiker zum ultimativen Hörerlebnis macht

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The Rolling Stones sind nach wie vor stolz auf Beggars Banquet, jenes Album aus dem Jahr 1968, mit dem sie nach den eher psychedelischen Experimenten des Vorgängers Their Satanic Majesties Request zu ihrem klassischen Sound zurückkehren sollten – und das zu Recht.

von Martin Chilton

Die Band selbst kommentierte später, dass die Veröffentlichung von Beggars Banquet „alles verändern sollte für The Rolling Stones“. Auch auf ihrer offiziellen Website bezeichnen sie den Longplayer als dasjenige Album, mit dem sie „als Musiker erst wirklich erwachsen geworden“ seien.


Die anlässlich des 50. Jubiläums erscheinende limitierte Vinyl-Neuauflage von Beggars Banquet ist hier erhältlich.


Der legendäre Eröffnungstitel Sympathy For The Devil entstand in einer Phase, als Mick Jagger eine Reihe von Büchern über das Okkulte gelesen hatte. An ihrer Gemeinschaftskomposition feilten er und Keith Richards – neun der insgesamt 10 Songs von Beggars Banquet schrieben sie zusammen – zunächst unter dem weniger schockierenden Arbeitstitel „The Devil Is My Name“. Im Text des Songs ließen die Stones den Teufel an mehreren kritischen Punkten der Weltgeschichte auftauchen; u.a. spielen sie auf die Kreuzigung Jesu, die Russische Revolution, den Zweiten Weltkrieg und das Attentat auf JFK an. Musikalisch sticht dabei besonders das Klavierspiel des legendären Studiomusikers Nicky Hopkins hervor.


Hört hier in die Platte rein:

Für das ganze Album klickt auf das Spotify-Logo.


Dazu gibt es auf dem Album eine ganze Reihe von brillanten Gitarrensolos zu hören, für die Keith Richards verantwortlich war; er selbst machte dafür u.a. seine Entdeckung der „offenen G-Stimmung“ verantwortlich. Diese besondere Art, das Instrument zu stimmen, habe seine Spielweise während der Aufnahmesessions, die zwischen März und Juli 1968 in London (Olympic Sound Studios) und Los Angeles (Sunset Sound) stattfanden, auf ein ganz neues Level gebracht. „Ja, diese Gitarrenstimmung hat mir vollkommen neue Energie gegeben, mein ganzes Leben war wie umgekrempelt dadurch. Davor nämlich hatte ich mich in eine Art Sackgasse manövriert. Ich hatte echt das Gefühl gehabt, mit gewöhnlicher Konzertstimmung nicht mehr weiterzukommen.“ Seine Neuentdeckung sollte später auch auf weiteren Stones-Hits wie z.B. Jumpin’ Jack Flash oder Start Me Up zum Einsatz kommen.

Zudem holte die Band für die Arbeit an Beggars Banquet etliche interessante Studiomusiker an ihre Seite: So arbeiteten Jagger, Richards, Bassist Bill Wyman, Schlagzeuger Charlie Watts und Gitarrist Brian Jones z.B. auch mit Dave Mason von der Band Traffic, der auf dem Song Street Fighting Man die Shehnai, ein indisches Holzblasinstrument, beisteuert. Auch ein damals noch junger, aufstrebender Gitarrist namens Ry Cooder war dabei: Er war im Fall von Factory Girl für die Mandoline verantwortlich (auch wenn das damals nicht in den Credits erwähnt wurde).



Klanglich lassen The Rolling Stones auf Beggars Banquet immer wieder klassischen Blues durchschimmern – das gilt für den von Robert Johnson inspirierten Song No Expectations genauso wie für das nur zwei Minuten lange, recht verwegen klingende Parachute Woman, das mit einem Kassettenrecorder aufgenommen und dann, um den Effekt noch zu verstärken, ein zweites Mal drübergelegt wurde. Die mürrisch klingende Mundharmonika steuerte übrigens Mick Jagger höchstpersönlich bei. Der zwielichtige Stray Cat Blues, bei dem Rocky Dijon die Kongas beisteuert, trägt hingegen ganz klar die dynamische Handschrift ihres Produzenten (und einstigen Schlagzeugers) Jimmy Miller.

Der einzige Albumtitel, der nicht aus der Feder von Jagger und Richards stammte, war „Prodigal Son“ – den nämlich hatte der Mississippi-Bluessänger Reverend Robert Wilkins schon im Jahr 1929 komponiert. Der damals 72-jährige Wilkins freute sich nicht nur über die späte Ehre, sondern auch über die überraschenden Tantiemen, die er bestens gebrauchen konnte für seine Arbeit in der Gemeinde.

Auch visuell war Beggars Banquet ein Meilenstein: Die an Gemälde von Ikonen wie Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel erinnernden Porträtaufnahmen, die im Gatefold-Artwork zu sehen waren, hatten die Stones persönlich beim Fotografen Michael Joseph in Auftrag gegeben. In ihren ausgefallenen Klamotten wirkten die Bandmitglieder wie eine Mischung aus dem London der Swinging Sixties und einem Halunkenpack à la Charles Dickens. Kein Wunder also, das die Stones in der Rezension des Time Magazine nach der Veröffentlichung am 6. Dezember 1968 bei Decca Records als „Englands subversivste Querulanten seit Fagins Bande aus Oliver Twist“ bezeichnet wurden…



Schließlich erinnert dieses Album auch an einen traurigen Aspekt ihrer Geschichte: Obwohl mit der Veröffentlichung eine bahnbrechende Kreativphase für die Band beginnen sollte, war Beggars Banquet zugleich das letzte Album von The Rolling Stones, bei dessen Entstehung auch Gründungsmitglied Brian Jones (Leadgitarre) mitwirken sollte. Sieben Monate nach dem Release ertrank Jones im Alter von nur 27 Jahren.

Doch ganz gleich, ob man Beggars Banquet als letztes musikalisches Statement von Brian Jones oder als kreativen Meilenstein der Stones einstuft: Es ist und bleibt vor allem ein Album, das 50 Jahre später als eine der größten Bluesrock-Aufnahmen aller Zeiten gilt.

Die anlässlich des 50. Jubiläums erscheinende limitierte Vinyl-Neuauflage von Beggars Banquet, die u.a. auch eine ursprünglich nur der japanischen Originalauflage beiliegende Flexidisc beinhaltet, auf der sich Mick Jagger in einem Exklusiv-Interview zu dem Album äußert, ist bereits erschienen und kann hier erworben werden.


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