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Popkultur

„Blur“ von Blur: Wie die Britpopper ein bisschen amerikanischer wurden

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Blur
Titelfoto: John Ferguson/Mirrorpix/Getty Images

Mit ihrem fünften Album beginnt für die Britpopper Blur eine neue Ära: Frischer Sound, mehr Emotionen und endlich ein Platz in den US-amerikanischen Top 100. Manche finden den Neustart der Engländer gelungen, andere meckern rum. Gegen den Mega-Hit der Platte kommt allerdings wirklich niemand an …

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Blur anhören:

Mitte der Neunziger in der Welt der Krachmusik: Während der Grunge in den USA das Zepter an den Nu Metal weiterreicht, feiern die Engländer mit dem Britpop ihr Britischsein. Ganz oben auf der Welle surfen nicht nur Oasis, sondern auch Blur, denen mit ihrem dritten Album Parklife (1994) ein Mega-Erfolg gelingt. Auch der Nachfolger The Great Escape (1995) stürmt die Spitze der UK-Charts. Nachdem sie den britischen Rockolymp erklommen haben, möchten Blur die USA erobern, genau wie ihre Konkurrenten Oasis. Dafür setzen Blur auf ein sehr einfaches Rezept: Sie klingen amerikanischer. Doch zunächst müssen sich die Musiker zusammenraufen …

Von Held auf Null: Das Interesse an Blur schwindet

Blur haben es aber auch nicht leicht. Da veröffentlichen die Britpopper um Mastermind Damon Albarn zwei überlebensgroße Alben und trotzdem laufen ihnen ihre großen Konkurrenten Oasis mit (What’s The Story) Morning Glory? (1995) den Rang ab. Während Blur nämlich vor allem in der englischen Heimat riesige Erfolge feiern, verkaufen Oasis auch jenseits des Atlantiks Millionen von Platten. Das Ganze geht so weit, dass Blur und vor allem Frontmann Albarn zuhause als Verlierer wahrgenommen werden, wie Bassist Alex James in einem Interview verrät: „Zuerst war er der große Held und dann war er für kurze Zeit der große Arsch … Im Grunde war er ein Loser und zwar sehr öffentlich.“

Blur möchten die Leute wieder erschrecken

Die schlechte Stimmung außerhalb der Band sorgt auch innerhalb der Gruppe für miese Laune. Gitarrist Graham Coxon leidet unter dem Zustand der Band, trinkt zu viel und flüchtet sich in eine musikalische Welt, die mit dem soften Britpop nicht viel zu tun hat: laute Alternative-Bands aus den USA. „Sie haben spannende Sachen mit ihren Gitarren angestellt“, verrät er in einem Interview. „Und ich brauchte etwas, von dem ich zehren konnte.“ Also hört sich Coxon lauter kleinere Bands aus den Staaten an.

Frontmann Albarn kann mit Coxons neuem Interessengebiet zunächst nicht viel Anfangen, sieht das Ganze dann aber als Chance, Blur weiterzuentwickeln: „Ich kann den ganzen Tag am Klavier sitzen und tolle beobachtende Popsongs schreiben, aber es muss weitergehen“, stellt er in einem Interview fest. Um Albarn endgültig davon zu überzeugen, das Blur von den amerikanischen Einflüssen profitieren können, schreibt Coxon ihm einen Brief und äußert darin den Wunsch, „die Leute wieder zu erschrecken“. Und mit genau diesem Gedanken im Hinterkopf nehmen Blur die Arbeit an ihrem fünften Album auf.

Die Herangehensweise verändert sich

Bis dato hatte vor allem Damon Albarn für Blur komponiert, doch diesmal entscheiden sich die Briten dazu, ihrem Gitarristen Coxon freiere Hand zu lassen. (Für You’re So Great stellt er sich sogar zum ersten Mal ans Mikro.) Das Ergebnis: Blur klingen erwachsener und doch verspielter, öffnen dem amerikanischen Alternative Rock die Tür und wagen sich in psychedelischere Gefilde vor. Die Aufnahmen gehen in London und der isländischen Hauptstadt Reykjavík über die Bühne. Zum ersten Mal halten sich die Briten nicht an einen strikten Plan, sondern legen im Studio auch mal eine Jam-Session ein.

Lauter, rauer, emotionaler: Das fünfte Blur-Album Blur

„Früher war es, als hätten wir weiße Kittel getragen, und die Musik aufgenommen, als wären wir in einem Labor“, berichtet Coxon in einem Interview. Auch Schlagzeuger Dave Rowntree freut sich über die neue Herangehensweise, wie er im November 1996 offenbart: „Das Album ist auf vielen Ebenen viel aggressiver und emotionaler. Ich glaube, dass die Musik, die wir jetzt machen, die Musik ist, die wir immer machen wollten, von der wir aber irgendwie abgelenkt wurden.“ 14 Songs landen schließlich auf Blur — doch einer sticht bis heute heraus.

Song 2: Ein Hit für die Ewigkeit

„Woo-hoo!“ Wenn dieser Ausruf ertönt, wissen Rock-Fans: Gleich wird es laut. Song 2 heißt die legendäre Nummer und eigentlich wollten Blur mit dem Stück bloß ihrer Plattenfirma eins auswischen. Sänger Damon Albarn schreibt das Lied auf der Akustikgitarre; Gitarrist Coxon erhöht den Rock-Anteil, spielt aber bewusst amateurhaft. Als Song 2 in den Startlöchern steht, schlagen Blur ihrer Plattenfirma das Stück mit dem Arbeitstitel als Single vor — aus Spaß. Doch die Labelvertreter*innen mögen den Song und stimmen zu. Ob die Band wisse, wie kommerziell das Lied sei, möchten die Geschäftsleute wissen. Coxons Antwort: „Wir dachten, das sei viel zu extrem.“ Falsch gedacht: Mit dem Song 2 gelingt Blur in gleich mehreren Ländern der Sprung in die Top 5. Doch da kommt noch mehr …

Als Blur am 7. April 1997 erscheint, dringen die Briten damit weiter in ihre Zielgefilde vor. Platz eins in Großbritannien? Check. Platin? Check. Doch wie sieht es mit dem Plan aus, einen Hit in den USA zu landen? Blur kommen dem Vorhaben näher: Gelang mit dem Vorgänger The Great Escape „nur“ Platz 150 in den Staaten, reicht es mit Blur sogar für Platz 61. Knapp 700.000 Mal geht das Album jenseits des großen Teichs über die Ladentheke. Mit den US-Erfolgen von Oasis hat das leider immer noch nicht viel zu tun. Aber es ist ja auch so: Wonderwall können wir heute alle nicht mehr hören. Song 2 läuft aber immer noch auf jeder Rockparty.

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Zeitsprung: Am 28.8.2009 steigt Noel Gallagher endgültig aus & Oasis lösen sich auf.

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