Popkultur
„Springsteen hat alles richtig gemacht“: Wolfgang Niedecken im Interview über 45 Jahre „Born To Run“
Am 25. August 1975 veröffentlichte Bruce Springsteen sein drittes Album Born To Run – und schuf damit ein Meisterwerk, das ihn an an die Speerspitze des Rock’n’Roll katapultierte.
von Markus Brandstetter
Auf Born To Run ging es um alles: Die endlosen, amerikanischen Straßen und ihre ewigen Versprechen, Working-Class-Charaktere und ihre Träume vom Ausbruch in eine andere Stadt und in ein anderes, besseres Leben – und natürlich (siehe Tenth Avenue Freeze Out) die wahre Geschichte von Scooter (Springsteen) und dem Big Man (der 2011 verstorbene E-Street-Band Saxophonist Clarence Clemons), die sich trafen, um die Stadt mit ihrer Freundschaft und ihrer Musik umzukrempeln. „Ich habe die Zukunft des Rock’n’Roll gesehen und ihr Name ist Bruce Springsteen“, hatte Springsteens Manager Jon Landau 1974 gesagt. Nur ein Jahr später stellte sich diese Prognose als gänzlich wahr heraus.
Hier könnt ihr Born To Run hören:
Born To Run gilt als absoluter Klassiker, als eines der besten Rock’n’Roll-Alben aller Zeiten. Einer, der das genauso sieht, ist Wolfgang Niedecken. Den Sänger, Gitarristen und Songschreiber – der mit seiner legendären Band Niedeckens BAP demnächst sein neues Album Alles fließt veröffentlicht – verbindet mit Springsteen eine langjährige Freundschaft. Wenn ein Außerirdischer von ihm wissen wollen würde, was Rock’n’Roll bedeute, erklärte Niedecken einmal, dann würde er ihm ein Exemplar von Born To Run geben.
Wir baten Wolfgang Niedecken anlässlich des 45. Jubiläums von Born To Run zum Interview. Im Gespräch erzählte er, was für ihn die Zeitlosigkeit und den Reiz des Albums ausmacht, wie die Freundschaft zu Springsteen entstand und welche Rolle der US-amerikanische Songwriter in der Rockwelt immer noch inne hat. Niedecken sprach außerdem auch über sein aktuelles Album Alles fließt, das am 18. September 2020 erscheint.
Herr Niedecken, als Born To Run erschien, waren Sie 24 Jahre alt – im Jahr darauf gründeten Sie BAP. Wie haben Sie das Album damals wahrgenommen?
Ich hatte Born To Run nicht unmittelbar mitbekommen, es ist ein wenig später zu mir durchgedrungen. Zu jener Zeit studierte ich Malerei und hörte hauptsächlich Dylan, Stones, Kinks und Gallagher. Mich störte anfangs dieser blöde Ruf, Springsteen wäre der neue Dylan. Ich habe mir die ersten beiden Alben angehört und dachte: „Noch ein paar von diesen Alben brauche ich nicht.“
Wann ich das Album mitbekommen habe, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Aber als ich es mitbekommen habe, war meine Begeisterung ganz, ganz groß. Born To Run war ein unglaublicher Schritt. Ein Quantensprung, das muss man schon sagen. Ich habe in der Folge auch später immer wieder gesagt: Wenn mich ein Marsmensch fragen würde, was denn Rock’n’Roll ist, würde ich ihm dieses Album geben. Es ist die beste Definition davon, die Essenz. Born To Run ist genau genommen nicht zu toppen.
Was macht Born To Run Ihrer Meinung nach denn zum prototypischen Rock’n’Roll-Album?
Es wird nie langweilig. Es ist musikalisch unglaublich dringlich. Es besitzt eine Dringlichkeit, die andere Alben oft vermissen lassen. Und es ist natürlich auch sehr amerikanisch. Wenn man es ein bisschen vereinfachen will, dann ist Born To Run eine Mischung aus einem Roadmovie und West Side Story. Da steckt so viel Amerikanisches drin: Es sind die Fotos von Robert Frank enthalten, es steckt Motown drin, die ganzen klassischen Blues-Geschichten, Folk … Alles ist in diesem Album konzentriert.
Alleine der Eröffnungssong Thunder Road ist ja beinahe schon ein „Play within a play“.
Ganz genau. Ich habe mich anfangs gewundert, warum das Album nicht mit dem Titelsong losgeht. Aber Thunder Road ist eine wunderbare Einstimmung, auf die Straße, auf die man sich jetzt begibt. Und dann gibt es da natürlich diese wunderbaren Zeilen „Mary’s dress waves“ – oder „Roy Orbison singing for the lonely“. Das sind schon Sätze, die man nicht so schnell vergisst. Ehrlich gesagt: Erst nachdem ich dieses Lied gehört habe, habe ich mich ernsthaft mit Roy Orbison befasst. Vorher stand er für mich überhaupt nicht zur Debatte.
Wenn Sie der Produzent – oder Springsteen – gewesen wären: An welche Stelle hätten Sie Thunder Road gesetzt?
Nein, nein, das war keine Kritik, Springsteen hat alles richtig gemacht. Thunder Road ist der richtige Opener. So etwas passiert manchmal: Beim Album, das BAP gerade veröffentlichen, hat es auch etwas gedauert, bis wir drauf gekommen sind, welcher Song die ideale Einführung für das Album ist. Es ist oft so, dass man einen Song schreibt und sich denkt, man habe den perfekten Album-Opener geschaffen. Irgendwann hat man dann aber 14, 15 Songs beisammen und merkt, dass es ein anderes Stück gibt, welches das Album viel eleganter eröffnen könnte. Das muss man dann eben zulassen. Keine Ahnung, wann Springsteen entschieden hat, dass das der Opener für das Album sein sollte. Ich nehme an, das war eine spätere Entscheidung. Bei unserem jetzigen Album wussten wir, mit welchem Song wir anfangen würden – und wir haben die Songs sogar schon in der richtigen Reihenfolge aufgenommen.
Würden Sie sagen, die Reihenfolge der Songs kann das Narrativ deutlich ändern?
Nun, man geht ja ähnlich vor, wenn man ein Buch schreibt. Die Chronologie kann sich schon mal ändern. Man denkt sich, dass es vielleicht spannender wäre, mit etwas anderem weiter zu machen und an diese Stelle etwas anderes setzt. Den Text, ich übertreibe mal etwas, auseinanderzuschneiden und neu zusammenzusetzen, kann eine ganz andere Spannung erzeugen. Das ist mir übrigens oft passiert: Ich hatte einen Songtext schon fertig, habe dann aber die Strophen-Reihenfolge geändert – und damit plötzlich die Spannung gesteigert.
Born To Run hatte ja auch biographisch diese Dringlichkeit. Es war keine einfache Produktion, Springsteen musste alles auf eine Karte setzen. Das Album musste klappen. Hatten Sie in Ihrer Karriere einen ähnlichen Punkt?
Bei uns hat sich ja eher immer eines aus dem anderen entwickelt. Ich glaube, Bruce hatte sich mit diesem Album erst richtig freigeschwommen. Bei den beiden Alben davor war noch vieles, bei dem man merkte, wo er es her hatte. Mehreren Texten hat man angemerkt, dass sie mit dem Reimlexikon erarbeitet wurden. Ehrlich gesagt, ein Reimlexikon ist nie gut. Man muss sich selbst die Freiheit nehmen, frei zu assoziieren, zu suchen – und hoffentlich auch zu finden –, was zu dem Song passt. Man macht sich viele Notizen, notiert sich Formulierungen.
Ich glaube, bei Born To Run hat dann alles funktioniert. Die ersten beiden Alben waren Fingerübungen. Dann hatte er eine längere Zeit, wo er durch blöde Verträge zum Nichtstun verurteilt war. Es kann schon sein, dass da dieser Druck dahinter verantwortlich war – aber es hat großartig geklappt, auch bei den nächsten beiden Alben. Bis dann Nebraska kam und er eine Möglichkeit hatte, von diesem Berg auch einmal zurückzutreten. Zu sagen: „Moment, ich kann nicht immer so weiter machen.“ Zuerst Born To Run, dann Darkness On The Edge Of Town und dann The River: Das war schon monumental. Da richtig zurückzutreten, noch einmal ganz klein zu werden: Das war ein großartiger Move.
Sie haben sich später mit Springsteen ja angefreundet. Haben Sie mal spezifisch über das Album Born To Run mit ihm gesprochen?
Nein, das haben wir nicht. Wir haben uns über Meeting Across The River unterhalten, das ich unglaublich gerne mag. Ich habe ihn gefragt, warum er das nie spielt – und er meinte: „Stimmt, eigentlich müsste ich das mal tun.“ Meeting Across The River ist ein unglaubliches Juwel dieser Platte. Das ist so eine herzerweichende Story, die so viel Konkretes bietet, aber auch so unglaublich viel offen lässt. Eigentlich wird das erzählt, was nicht erzählt wird. Diese zwei Jungs, die sich denken, dass sie jetzt diesen Tunnel von Hoboken nach New York nehmen und dann den Durchbruch schaffen. Aber womit? Mit einem Banküberfall? Das Stück sollte ja ursprünglich The Heist, also der Banküberfall heißen – aber der Titel Meeting Across The River ist natürlich viel besser. Auch das Trompeten-Intro von Randy Brecker ist großartig. Wir haben mit BAP eine Hommage an das Stück gemacht – mit einem ähnlichen Trompetensolo. Der Song hieß Diss Naach ess alles drinn [enthalten auf der BAP-LP Zwesche Salzjebäck un Bier aus dem Jahr 1984 – Anm.]. Aber da kannte ich Bruce noch gar nicht persönlich. Kennengelernt haben wir uns Mitte der 1990er-Jahre.
Im Zuge des Videodrehs von Hungry Heart – oder schon zuvor?
Schon zuvor, der Videodreh kam drei Wochen später. Der damalige Sony-Chef Jochen Leuschner rief mich an und fragte, ob ich Zeit und Lust hätte, nach New York zu fliegen und Springsteen für die ARD zu interviewen. Damals feierte die E Street Band gerade ihre Reunion. Sie probten in einem Studio in Chelsea und spielten ein Konzert vor kleinem Publikum, am nächsten Tag gab es einen Interviewtag. Ich war als letzter dran – und dachte nur: „Oh Gott, er wird mich hassen.“ Ich weiß wie das ist, wenn man bei Interviews als letzter dran ist. Dann ist der Künstler leergelabert und kann nichts mehr erzählen – ich weiß das aus eigener Erfahrung.
Ich wurde Bruce als Musiker vorgestellt und er war sehr entgegenkommend. Er wäre aber ohnehin freundlich gewesen, denn Bruce ist ein unglaublich nahbarer Zeitgenosse. Er ist offen zu jedem, ein äußerst positiver Mensch. Wir haben uns nach dem Interview noch länger unterhalten. Weil es das letzte Interview an diesem Tag war, kamen dann auch noch Patti [Scialfa, Springsteens Ehefrau und E-Street-Band-Kollegin, Anm.] und die Kinder dazu. Es war alles sehr, sehr nett. Zwei oder drei Wochen später kam dann die Anfrage, ob wir nicht die Band in seinem Video zu Hungry Heart sein wollten, das in Berlin aufgenommen wurde. Wir guckten im Tourplan nach, ob das gehen würde. Ich war damals mit der Leopardefell-Band unterwegs, mit der wir all die eingekölschten Dylan-Songs gespielt haben. Es ging – und so waren die Leoparden dann die Band von Hungry Heart, nicht BAP.
Es war unglaublich. Am Vorabend kam noch ein Anruf, dass das doch nicht ginge, dass wir das Publikum als Statisten missbrauchen und dort bloß Playback-Mucke machen würden – immer nur das gleiche Stück. Wir sollten doch mal überlegen, welche Stücke man ungeprobt spielen könnte, in den Umbaupausen, wenn die Kameras nicht laufen. Wir haben dann mal nachgeschaut, welche Stücke da gingen – Honky Tonk Women, Jumpin Jack Flash, Knockin’ On Heaven’s Door, ein paar Chuck-Berry-Nummern und so weiter. Wir haben jeweils dreimal Hungry Heart gespielt – und während des Kameraumbaus dann Coverversionen, und wieder Hungry Heart aus einer anderen Perspektive aufgenommen.
Das Café, in dem wir drehten, hieß damals Eckstein, heute heißt das Butter. In der Pappelallee in Prenzlauer Berg. Der Verkehr brach draußen zusammen, Menschen ohne Ende – und wir haben reingehauen. Wir haben uns dann auch nicht mehr an das Playback von Hungry Heart gehalten, haben lauter gespielt als das Playback. Wir mussten nur das Timing halten, damit man schneiden konnte. Es war eine unglaubliche Energie auf der Bühne. Irgendwann denkst du dir: „Das ist alles nur ein Traum, gleich klingelt der Wecker und du musst den Müll runtertragen.“
Sie meinten einmal, Springsteen wäre ein glücklicher Sisyphos – eine Anspielung auf Camus. Würden Sie sagen, seine Rolle ist heute noch die gleiche? Bob Dylan wurde ja immer mehr zum Archivar und Konservator eines Amerikas, das es so nicht mehr gibt. Wie sehen Sie das bei Springsteen?
Bruce war ja immer mehr Working Class. Er hat sich das stets bewahrt. Er bemühte sich nie, intellektuell zu wirken. Er ist Working Class – und das mit einer unglaublichen Herzensbildung. Er weiß viel, er liest viel. Er hat sich sehr mit Dylan beschäftigt. Wenn Bruce und ich uns treffen, ist das erste Gesprächsthema die Familie – und dann kommt: „Hast du das neue Album vom Meister gehört?“ Und er hat natürlich auch die wichtigen Bücher gelesen. Bruce kennt seinen Steinbeck, seinen Faulkner und er kennt auch das American Songbook. Aber er benutzt es anders als Dylan. Dylan hat mehr von Rimbaud und den Beat-Poeten übernommen. Ich glaube, die Beat-Poeten interessieren Springsteen nicht – oder nur peripher. Ich glaube schon, dass er On The Road von Kerouac gelesen hat, aber ich glaube nicht, dass Romane wie The Subterraneans eine Bedeutung für ihn haben. Die sind ihm wahrscheinlich zu bekifft, zu abgehoben. Da ist Bruce bodenständiger, Dylan ist Mitte der 60er durch solche Phasen gegangen.
Aber was bei Springsteen durchaus eine Parallele zu Kerouac ist: Diese besungenen, uramerikanischen, endlosen Straßen existieren in dieser Form ja nicht mehr.
Ja, aber die Straßen bei Springsteen sind deutlich konkreter.
Ist sozial engagierter Rock’n’Roll nicht immer Sisyphos-Arbeit? Würden sie sich in gewisser Weise nicht auch selbst als glücklichen Sisyphos bezeichnen?
In gewisser Weise ja. Was ich von Springsteen gelernt habe: Wie man politische Stücke schreiben kann, die auch politisch verstanden werden, ohne dabei in den Polit-Rock zu verfallen. Die Texte von Springsteen bleiben immer nah am Menschen, an Schicksalen – mit ganz viel Verständnis und ganz viel Empathie. Polit-Rock macht etwas anderes. Polit-Rock vertont Parteitage und bevormundet. Alles, was bevormundet, hat in der Musik überhaupt nichts suchen. Musik handelt von Gefühlen. Man darf sie auch nicht missbrauchen. Es ist etwas ganz Heiliges, etwas ganz Zartes. Polit-Rock ist Bevormundung – deshalb kann ich damit auch überhaupt nichts anfangen.
Im Mai 2020 haben Sie das Stück Ruhe vor’m Sturm veröffentlicht – 28 Jahre nach Kristallnaach.
Es ist tatsächlich aus der fünften Strophe von Kristallnaach entstanden. Es war das erste Stück, das ich fürs neue Album geschrieben habe. Ich sage oft, dass ich mich beim Psychiater Niedecken auf die Couch lege und alles rauslasse. Da Ruhe vor’m Sturm das erste Stück war, war das eine Sturzgeburt. Alles, was ich an Ängsten hatte – spätestens seit der Trump-Wahl – floss in dieses Stück. Die Angst vor all diesen Wahnsinnigen, den Bolsonaro-Typen, all das, was sich an Populisten mittlerweile an die Macht gebracht hat. Das kam alles raus. Es war wie ein nicht enden wollender Fluss. Das habe ich selten so erlebt wie bei diesem Stück – es war wie ein Ausbruch.
Und wieder sind wir beim Camus-Vergleich: Sie haben den Stein wieder auf den Hügel rollen müssen.
Ehrlich gesagt: Ich habe keine große Sehnsucht nach weiteren Felsen. Diese Angst, die ich bei Ruhe vor’m Sturm beschrieben habe, ist ganz konkret.
Zuletzt wandten Sie sich auf ihren Social-Media-Kanälen ja an Verschwörungstheoretiker und „Aluhutträger“.
Der Begriff Aluhutträger kommt ja aus Science-Fiction-Filmen der 1920er-Jahre. Da trugen Leute Aluhüte, um sich gegen manipulierende Strahlen aus dem Weltall zu schützen. Vielleicht ist das kein fairer Begriff, das mag schon sein. Du hast Leute bei den Corona-Leugnern, die es vielleicht gut meinen – aber auch Leute, die auf Verschwörungstheorien abfahren. Wenn du einmal in solchen Kreisen drin bist, wird es schwer, wieder rauszukommen. Ich habe nichts anderes getan, als vehement gefordert, dass sie auf unserer Facebook-Seite keine Fremd-Postings verlinken sollen. Das gehört sich einfach nicht. Und ich will so einen Müll nicht auf unserer Seite haben. Das ist unverschämt. Ich habe sie einfach darum gebeten, dass das aufhört – und dass sie sich überlegen, mit welchen Leuten sie gemeinsame Sache machen. Wenn ich in Berlin Regenbogenfahnen sehe und im Abstand von fünf Metern laufen Leute mit Reichsflaggen und Nazi-T-Shirts rum – dann darf ich doch wohl fragen: „Leute habt ihr überlegt, mit wem er ihr da gemein macht?“ Ich habe nicht die Aluhüte Nazis genannt, sondern die Leute, mit denen sie sich gemein machen. Aber manche Leute sind zu ignorant, das überhaupt zu begreifen. Aber es gibt deutlich mehr vernünftige, kooperative Menschen, die alles tun, damit der Spuk vorbeigeht.
Sie veröffentlichen bald Ihr neues Album Alles fließt. Darin singen Sie, dass 70 eher das Alter für Golf und Parkbank ist, Sie aber lieber in der Tradition von „Ronnie, Keith und Bob“ leben wollen. Kann man die nächsten 15 Jahren also mit Tourneen von Niedeckens BAP rechnen?
Ja, ich hoffe, dass wir bald wieder spielen können. Aber auch wir müssen vernünftig sein. Das Livespielen ist für eine Rock’n’Roll-Band das A und O. Alben nimmt man auf, um das Repertoire zu erweitern. Ich freue mich, dass diese ersten vier Songs, die wir vor-ausgekoppelt haben, gut aufgenommen werden, dass die Leute sie mögen. Wir müssen eben Geduld haben, flexibel sein und gucken, wann man wieder spielen kann. Wenn wir eine gute Idee haben, wie man spielen kann, werden wir es tun. Es muss Hand und Fuß haben. Wir scharren natürlich in den Startlöchern.
Haben Sie auch so ein Riesen-Repertoire wie die E Street Band? Könnten Sie Ihren Kolleg*innen sagen: „Diesen und jenen Song aus 1986 in C-Dur“ und sie können ihn sofort spielen?
Nein, das nicht. Aber wir haben mit der aktuellen Besetzung ein ordentliches Repertoire, was live spielbar ist. Wir wechseln ab und zu je nach Tour-Phase was aus. Wir spielen ja nie unter drei Stunden, da musst du schon eine gute Dramaturgie haben. Wenn dieser Bogen einmal gefunden ist – und der ist in der Regel nach ungefähr zehn Konzerten gefunden – dann musst du schon einen sehr guten Grund haben, diesen Bogen zu unterbrechen. Wir haben schon eine reichliche Reserve an Songs. Aber dass wir alle Stücke von zwanzig Studioalben abrufbar hätten, das ist leider nicht so. Wäre aber schön.
Eine letzte Frage: Sind Sie eigentlich noch in Kontakt mit Springsteen?
In letzter Zeit hatten wir leider keinen Kontakt – denn immer, wenn er gerade in Deutschland war, waren wir selber auf Tour. Blöderweise habe ich zu spät mitgekriegt, dass er diese Solo-Shows auf dem Broadway gespielt hat. Da wäre ich schon hingeflogen und wir hätten uns getroffen. Den Mitschnitt auf CD finde ich übrigens großartig: Das war eine sehr schöne Art und Weise, anhand der Songs sein Leben zu erzählen. Hat er genial hingekriegt.
Springsteen für Fortgeschrittene: Der Boss und seine namentlich genannten Charaktere in Songs

Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis zum Fyre Festival: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
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Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
Popkultur
45 Jahre „The Cars“: Wie eine Bostoner Band die Zukunft der Rockmusik erfand
Das selbstbetitelte The-Cars-Debüt klingt ein bisschen so wie David Bowie und Queen auf einem Roadtrip durch die USA. Auch 45 Jahre nach der Veröffentlichung hat das visionäre The Cars nichts von seinem melodischen Zauber verloren.
von Björn Springorum
Die späten Siebziger sind für die klassische Rockmusik keine einfache Zeit. Links wird sie von räudigem, schnoddrigen Punk überholt, rechts scheren schon die Synthesizer aus, um Wave und Synth-Pop in Position zu bringen. Mittendrin: The Cars aus Boston, die mit ihrem wegweisenden Debüt The Cars den Verlauf der Musik ändern sollen.
Aller Anfang ist schwer
Die Bandgründer Ric Ocasek und Benjamin Orr sind damals alles andere als Greenhorns. Beide über 30, beide schon in diversen Bands in Ohio oder Michigan gewesen. Auf die synthetische Zukunft der Rockmusik haben sie aber erst mal keinen Bock: Sie spielen in der Folk-Band Milkwood, die nach Crosby, Stills And Nash duftet und 1972das Album How’s The Weather hervorbringt. Die Musikwelt interessiert sich damals dafür nicht – und das eigentlich zu Unrecht, wie man hier hören kann:
Mit Folk wird es anscheinend nichts, also versuchen sie es erst mit der Band Richard And The Rabbits und dann mit dem Akustikduo Ocasek And Orr. Man kann also auch sagen, dass sie einfach so lang alle Genres abgrasen, bis mal irgendwas auf offene Ohren stößt. Nächste Station: Cap’n Swing, ebenfalls eine weitgehend vergessene Band, in der aber immerhin auch der spätere The-Cars-Gitarrist Elliot Easton spielt. Irgendwann hat Ocasek genug vom ganzen Misserfolg und den ganzen vergeblichen Anstrengungen. Kostet ja auch Zeit und Kraft. Also holt er sich den Keyboarder Greg Hawkes in die Band und entwickelt ein neues Konzept.
Mit Rockabilly und Punk in die Zukunft
Unter den Namen The Cars gründet sich 1976 eine Band, die aus dem Rockabilly der Fünfziger, dem Minimalismus des Punk und den ungeahnten Möglichkeiten der neuen Synthesizer einen neuen Sound macht. The Cars klingen in ihren frühen Tagen stark nach David Bowie oder Queen, aber eben hinter dem Steuer eines US-amerikanischen Cabrios auf einem Roadtrip durch die Harmonien des Great American Songbook. Hier entsteht Musik, die so klingt wie die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik.-
Und irgendwie funktioniert alles plötzlich ganz schnell. Am Silvesterabend 1976 spielen sie ihre erste Show auf einer Air Force Base, bei einer ausgedehnten Frühjahrstour 1977 durch New England entwickeln sie im Pink-Floyd-Stil die Songs ihres Debüts. Und die erzeugen schnell einen ordentlichen Buzz um diese neue Band: Ein Demotape wird von Bostoner Radiosendern praktisch im Loop gespielt, schnell ist auch das Interesse großer Plattenfirmen da. Hier war etwas Neues im Busch, da will niemand zu spät auf den Zug aufspringen. Aus Businesssicht sind The Cars damals schon recht clever: Sie entscheiden sich für einen Deal mit Elektra Records (damals auch die Heimat der übermächtigen Eagles), weil das Label im Vergleich zum Mitbewerber Arista Records keine New-Wave-Acts unter Vertrag hat. Man würde, so schlussfolgert die Band, folglich mehr herausstechen.
Aufgenommen wird in London
Und der Plan geht so was von auf: Nach den Aufnahmen in London mit Queen-Hitmaker Roy Thomas Baker erscheint am 6. Juni 1978 The Cars und kann bis auf Rang 18 der erbittert umkämpften US-Charts klettern. Alle Singles charten ebenfalls, aus Radios im ganzen Land dröhnen sehr bald Good Times Roll oder Just What I Needed. Aber warum eigentlich? Warum verkauft sich The Cars über sechs Millionen Mal und bekommt sechsfach Platin? Weil die Rockmusik im Wandel ist. Und The Cars als einer der Zukunftsboten auf den Plan treten.
Das Album erscheint in einer Übergangsphase, in einer Zäsur. Zwar haben AC/DC gerade erst Powerage veröffentlicht, aber zur selben Zeit kommen eben auch Kraftwerk mit ihrem Maschinenmanifest Die Mensch-Maschine und die Rolling Stones mit dem wavigen Some Girls um die Ecke. Es passiert was in der Rockmusik, das klassische Line-Up aus Gitarre, Bass, Drums wird zunehmend weniger nachgefragt. Da passen The Cars mit ihrem eklektischen Sound perfekt.
Jeder Song sitzt
Die Harmonien des Pop, die Melodien des Radio-Rock, die Extravaganz des New Wave und der Simplizismus des Punk erschaffen einen originellen, frischen, eingängigen Sound, der der Band endlich die erhoffte Aufmerksamkeit bringt. Auch nicht unwichtig: Die Songs sind allesamt grandios geschrieben und arrangiert. Und funktionieren bis heute. „Wir scherzten früher, dass wir unser erstes Album eigentlich The Cars Greatest Hits nennen sollen, so meinte Gitarrist Elliot Easton mal.
Das Spannende ist aber auch, wie brückenbauend The Cars damals sind: Die übliche Kluft zwischen Rockern und Poppern wird von ihnen mühelos überbrückt. Für Rocker ist The Cars gerade noch hart und gitarrenlastig genug, für New-Waver sind die Songs in Sachen rockiger Härte gerade noch erträglich.
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