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Popkultur

Interview mit David Crosby: „Crosby, Stills & Nash waren ein einziger Konkurrenzkampf“

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David Crosby
Foto: Axelle/Bauer-Griffin/FilmMagic/Getty Images

Kurz vor seinem 80. Geburtstag veröffentlichte David Crosby am 23. Juli sein siebtes, herrlich entspanntes Soloalbum For Free. Benannt wurde es nach einem Joni-Mitchell-Song, geschrieben mit seinem Sohn. Ein Gespräch über seine Muse, die Wiedervereinigung mit seinem Sohn und diese eine Sache mit Phoebe Bridgers.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr For Free hören:

Beginnen wir in den Siebzigern, als du auf deinem Segelboot Mayan vor San Franciso lebtest. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Im Grunde führte ich ein ganz normales Leben, zumindest nach meinen Vorstellungen. (grinst) Ich lebte eben nur nicht in einem Haus, sondern auf einem Boot in der Bucht von San Francisco. Viel mehr hat mich allerdings das Segeln geprägt. Ich segle seit über 60 Jahren und sehe die Welt mit komplett anderen Augen. Als Segler kommst du der Natur auf eine einzigartige Weise nah. Das verlässt dich nie wieder. Der Ozean hat es nicht auf dich abgesehen. Aber wenn du ihn nicht respektierst, dann verputzt er dich zum Frühstück. So viel Freude und Glück mit der Ozean gegeben hat, so viel harte Arbeit musste ich auch investieren, um jedes Mal wieder an Land zu kommen. Das sorgt nach tausenden gesegelten Meilen für eine gewisse Demut.

„Joni ist für mich die beste Singer/Songwriterin ihrer Zeit.“

Und für gute Songs: Die Mayan soll Patin gestanden haben für Klassiker wie Wooden Ships.

Das Wasser inspiriert dich auf eine vollkommen andere Weise als das Land. Ich wünsche mir oft, ich hätte das Boot nicht verkauft.

Höre ich da Bedauern?

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Mir geht’s ja gut. Ich meine, ich bin fast 80 und mache immer noch Musik.

Dein neues Album For Free ist nach einem ganz wunderbaren Joni-Mitchell-Song benannt, den du auf der Platte nicht zum ersten Mal coverst. Wieso hat es dir ausgerechnet dieser Song so angetan?

Ich habe dieses Lied bisher dreimal gecovert. Und der Grund ist ebenso offensichtlich wie gut: Ich liebe dieses Lied. Ich liebe, wofür es steht, ich liebe einfach alles daran. Joni ist für mich die beste Singer/Songwriterin ihrer Zeit.

Hast du ihr diese neue Version schon gezeigt?

Nein, keine Ahnung, ob sie sie schon gehört hat. Ich frage sie bei nächster Gelegenheit mal. Wir sehen uns nicht allzu häufig, aber vor einiger Zeit hat sie mich mal zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Wir sind nicht mehr so eng, wie wir es mal waren, aber es macht mich traurig zu sehen, wie schlecht es ihr geht. Seit ihrem Aneurysma muss sie alles neu lernen. Ich denke nicht, dass sie jemals wieder Gitarre oder Piano spielen wird. Aber ich wünsche ihr das Beste und denke oft an sie.

„Es hat mich damals auch gestört, als The Who ihre Gitarren zertrümmert haben.“

Auf deinem neuen Album singt die texanische Künstlerin Sarah Jarosz den Song mit dir im Duett. Sie war noch gar nicht auf der Welt, als Joni Mitchell den Song schrieb. Ist das nicht ein schöner Gedanke?

Wem sagst du das. Sie ist der Grund, weswegen der Song überhaupt auf dem Album ist und weswegen das Album diesen Namen trägt. Sie ist eine fantastische Sängerin, eine fantastische Songwriterin und eine fantastische Musikerin. Als ich hörte, was sie mit Jonis Arrangements machte, konnte ich nicht widerstehen.

Viele hätten nach der Geschichte mit Phoebe Bridgers und deiner Kritik an der auf der Bühne zerschmetterten Gitarre gedacht, du hältst nichts von jüngeren Musikerinnen.

So ein Quatsch! Ich stehe dazu: Ein Instrument zu zerstören, ist einfach dämlich, ganz egal, wer es tut. Ich kenne Phoebe Bridgers ja nicht mal und habe nicht sie persönlich angegriffen. Es hat mich damals auch gestört, als The Who ihre Gitarren zertrümmert haben oder als Hendrix seine angezündet hat. Das hat doch alles nichts mit der Musik zu tun.

Seit einiger Zeit spielst du gemeinsam mit deinem Sohn James Raymond, den du 1962 zur Adoption freigegeben und erst als erwachsenen Mann kennengelernt hast. Hat das deine Herangehensweise an die Musik verändert?

Immens sogar. For Free zeigt, wie sehr James gewachsen ist. Ich meine, er hat I Won’t Stay For Long geschrieben, den mit Abstand besten Song des Albums. Ich kann gar nicht sagen, wie stolz mich das macht – zumal ich genau so streng mit ihm ins Gericht gehe wie mit mir. Und das ist sehr streng. For Free ist ebenso sein Album wie es meines ist. Ein wunderbares Gefühl.

„Wenn du alt wirst, geht dir als Songwriter für gewöhnlich die Luft aus.“

Wie funktioniert ihr gemeinsam?

Na ja, ich liebe ihn, das ist doch schon mal ein Anfang. (lacht) Wir haben eine ganz besondere Chemie, die die Kommunikation mühelos gestaltet. Also, einerseits verstehe ich durchaus, wieso wir so gut funktionieren, andererseits haut es mich immer noch um, wenn ich merke, wie gut es ist.

Wie leicht fällt dir nach 60 Jahren als Songwriter eigentlich ein Song?

Sehr leicht. Das liegt aber auch daran, dass ich mit anderen Menschen schreibe. Wenn du alt wirst, geht dir als Songwriter für gewöhnlich die Luft aus. Du hast keine Ideen mehr, keine Impulse, und bist froh, wenn du noch einen anständigen Song im Jahr hinbekommst.

Meinst du da jemanden Bestimmtes?

Nein, da nenne ich jetzt keine Namen. Ich jedenfalls habe schon früh gemerkt, dass es sehr beflügelnd sein kann, wenn man mit anderen Menschen schreibt. Was die Auswahl angeht, bin ich zwar unfassbar wählerisch, aber die wenigen Menschen, denen ich mich mein Songwriting anvertraue, bereichern mich. Sie helfen mir dabei, auch mit fast 80 Jahren noch Lust auf neue Musik zu haben.

„Alles, was ich heute mache, ist von einem Geist der Zusammenarbeit und Freundschaft geprägt.“

Lässt sich deine Muse von deiner Umgebung beeinflussen?

Ein Stück weit sicherlich, aber ich bin eher anfällig für Menschen und Begegnungen. Natürlich wirkt sich meine Umgebung auf meine schöpferische Kraft aus, weil die Natur um einen herum immer auch die Stimmung verändert. Aber der menschliche Faktor ist unübertroffen.

Obwohl es bei Crosby, Stills & Nash irgendwann ja nicht mehr so gut geklappt hat.

Aber als es geklappt hat, war es unübertroffen.

Kann man denn überhaupt mit anderen Musiker*innen befreundet sein? Oder geht es am Ende des Tages doch nur um den Konkurrenzkampf?

Crosby, Stills & Nash waren ein einziger Konkurrenzkampf. Jeder wollte der Größte, der Beste sein. Jede einzelne Minute jedes einzelnen Tages. Natürlich ging das nicht gut, aber das heißt nicht, dass es generell ausgeschlossen ist. Im Gegenteil: Alles, was ich heute mache, ist von einem Geist der Zusammenarbeit und Freundschaft geprägt.

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