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55 Jahre „Revolver“: Von Steuern, LSD und Unsterblichkeit

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The Beatles
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Sich als Superstar öffentlich über die Höhe der zu zahlenden Steuern zu beklagen, gilt nicht gerade als cool. Dennoch eröffneten die Beatles ihr außergewöhnliches Revolver-Album aus dem Jahr 1966 mit einer beleidigten Ode an den Taxman, den Steuerbeamten. Der tritt in Taxman dann auch gleich persönlich auf: „Let me tell you how it will be / There’s one for you, nineteen for me / Should five per cent appear too small? / Be thankful I don’t take it all“. Dem Autor Ian McDonald zufolge zahlten die vier Musiker in der Labour-Ära von Harold Wilson und Edward Heath bis zu 95 Prozent Einkommenssteuer. Das ist verdammt viel, selbst für den glühendsten Sozialdemokraten.

Hier könnt ihr Revolver hören:

Zu dieser Sorte gehörten die Beatles allerdings sowieso nicht, viel eher war ihnen dieser ganze britische Wahlzirkus fremd, das sei “a lot of rubbish“, bemerkte John Lennon einmal. So zahlten die Superstars knirschend ihre Steuern und arbeiteten unterdessen an der musikalischen Revolution. Dazu darf das Revolver-Album in jedem Fall gezählt werden. Drei Monate lagen im Januar 1966 vor den Beatles, in denen sie keine Verpflichtungen zu erfüllen hatten, keine Touren, keine Talkshow-Auftritte, keine Besuche im Buckingham Palace. Das reichte den vier Ausnahmetalenten, um sich im EMI Studio in London mit allerlei neuen technischen Spielereien zu beschäftigen und einen neuen Beatles-Sound zu kreieren. Alle außer Paul McCartney suchten und fanden ihre Inspiration dafür auch in regelmäßigen LSD-Trips, was nicht nur den Lyrics anzumerken ist, sondern auch den Melodien.

Die chemische Erleuchtung

Überhaupt zieht sich eine horizontale Grenze durch das Album: Auf der einen Seite bleiben die einigermaßen klassischen Popsongs, die von McCartney gesungen werden, auf der anderen Seite ist der schier endlose Einfallsreichtum der chemisch erleuchteten Wunderkinder zu bewundern. Doch George Harrison, John Lennon und später auch Ringo Starr wollten nicht nur high wie ein Kitedrache fliegen, sie waren auf der Suche nach Inspiration: Harrison wird in fernöstlicher Philosophie fündig und musikalisch ist das an Kreativität kaum zu überbieten, zu hören in den Songs Love You To oder Tomorrow Never Knows. Der zurückhaltende Gitarrist der Band führte die Beatles-Fans zwar schon auf dem Vorgängeralbum Rubber Soul mit Norwegian Wood in sein Sitarspiel ein, auf Revolver jedoch wird seine Beschäftigung mit indischer Musik endgültig zum Statement für die ganze Band und öffnet ihr den Weg in subkulturelle Gefilde.

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Was die alteingesessenen Beatlemaniacs angeht: Viele Engländer*innen und Amerikaner*innen hatten zuvor noch nie indische Musik gehört und so können Harrisons fernöstliche Unternehmungen für die Bedeutung der Rockmusik gar nicht überschätzt werden. Der von Harrison für seine Frau Patty Boyd geschriebene Song Love You To kommt fast ohne die anderen Beatles aus, stattdessen wird er von dem Tabla-Spieler Anil Bhagwar und anderen indischen Musikern begleitet. Die Sitar spielt er selbst, nach den Aufnahmen für das Album wird er beim Sitar-Großmeister Ravi Shankar in die Lehre gehen. Die strukturtreuen Songs aus der Feder Paul McCartneys bieten für Revolver ein wichtiges Fundament, ohne sie würde das Album irgendwo im All herumfliegen, mit McCartneys Mitarbeit wird es – um im Bild zu bleiben – ein organisierter Weltraumspaziergang.

Technologische Vorreiter

Die vier Musiker inspirierten mit diesem siebten Studioalbum Generationen kommender Musiker*innen, setzten Maßstäbe für rivalisierende Bands und katapultierten sich an die Spitze einer Poprevolution. Besonders von dem sogenannten double-tracking sind die Beatles begeistert. Die Technologie, bei der eine beliebige Tonspur parallel zwei Mal aufgenommen wird, war erst einige Monate zuvor entwickelt worden. Des Weiteren experimentierten die Musiker wie schon auf den Vorgängeralben mit Fieldrecording, ungewöhnlichen Instrumenten wie der Tanpura, der Sitar oder auch einem Klavichord. Dazu kamen Streichinstrumente und das Herumspielen mit der Geschwindigkeit der Aufnahmen.

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Die Beatles seien nun „bigger than Jesus“, hatte Lennon einige Monate zuvor in einem Interview zum Besten gegeben. Was er damit gemeint hatte, war, dass Religion in der westlichen Welt immer mehr an Einfluss verliert, die Musik dagegen immer wichtiger und Musiker*innen immer einflussreicher werden. Natürlich war es als Affront verstanden worden. Bei den Aufnahmen zu Revolver jedenfalls konnten die Beatles mit der willigen Unterstützung von Produzent George Martin im Studio Gott spielen. Und das klang verdammt gut.

Ein Klassiker für 40 Pfund

Ein Album wie Revolver brauchte natürlich auch eine ikonographische Verpackung. Ob die Beatles ahnten, dass auch diese unsterblich werden würde? Jedenfalls ließen sie den deutschen Künstler und Manfred-Mann-Bassisten Klaus Voormann, mit dem Starr und Harrison in London zusammen in einer WG gewohnt hatten, ein Cover designen. Voormann’s Arbeit wurde mit 40 Pfund und 1966 mit einem Grammy für das beste Albumcover belohnt und zeigt neben vier Zeichnungen der Beatles eine Collage mit vielen kleinen Bildchen der vier Musiker. Ein bisschen sieht es aus wie das gebastelte Fanposter eines Teenies.

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Mit fünf Mal Platin in den USA und zwei Mal Platin in Großbritannien sowie wochenlanger Nummer-eins-Platzierung in amerikanischen, britischen und deutschen Charts hat den Superstars der Blick auf den Steuerbescheid nach der Veröffentlichung von Revolver bestimmt wieder wehgetan. Naja, Unsterblichkeit hat halt ihren Preis.

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