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Popkultur

Die musikalische DNA von Rammstein

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Die markigen Gitarrenriffs, das kehlig gerollte R, die expliziten Texte und nicht zuletzt die aufwändigen Musikvideos und Bühnenshows: Kaum eine deutsche Band hat in den letzten dreißig Jahren dermaßen polarisiert wie Rammstein – und das als Gesamtpaket. Kein Wunder eigentlich bei dem martialischen Auftreten, der Koketterie mit Tabuthemen und nicht zuletzt dem Sound der Band um Sänger und Rampensau Till Lindemann. Der ist schleppend, mächtig, männlich und irgendwie… deutsch. Dazu kommen wahnwitzige Pyro-Shows und Videos, die vor Gewaltdarstellungen, sexuellen Anspielungen oder sogar nackten Tatsachen nur strotzen. Ganz klar: Rammstein bieten viel Angriffsfläche. Und dennoch werden sie geliebt für das, was sie tun. Und das nicht zu knapp.


Hört euch hier die musikalische DNA von Rammstein in einer Playlist an und lest weiter:


Am sicherlich unschuldigsten ist dabei noch die Musik der 1994 gegründeten Band, die sich aus diversen anderen Gruppierungen aus dem DDR-Underground rekrutierte. „Den Stil haben wir gefunden, indem wir alle genau wussten, was wir nicht wollen“, sagte Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz einst. „Und wir wollten genau nicht amerikanische Funkymusik machen oder Punk eben oder irgend so was, was wir gar nicht können. Wir haben gemerkt, dass wir nur diese Musik können, die wir auch spielen. Und die ist halt mal sehr einfach, stumpf, monoton.“ Heißt auch: Sie geht schnell rein. Was sich aber für vielschichtige Einflüsse hinter dem simplen Sound verstecken, das erfahren wir mit Blick auf die musikalische DNA der „letzten Buhmänner der Rockmusik“, wie sie Journalist Ralf Schlüter einst in der Berliner Zeitung nannte.


1. Nina Hagen – Antiworld

Wer hat’s zuerst gerollt? Dass Till Lindemann das R in Rrrrrammstein dermaßen sonor aus der Kehle kullern lässt, hat allein für genug Diskussionsstoff gesorgt – denken die meisten Menschen bei diesem Klang doch an eine ganz bestimmte historische Person. Lindemann selbst aber wies jede Absicht von sich: „Es kam von selbst, weil du in dieser tiefen Tonlage automatisch so singst. Wir wollten damit um Gottes Willen keine faschistische Attitüde erschaffen“, sagte der Sänger bereits 1997 gegenüber dem Musikexpress. Zumal das theatralisch gerollte R eine Lange musikalische Tradition hat: Zu den Zeiten der Comedian Harmonists war es völlig normal, den Konsonanten überzubetonen. „Why do you speak so funny?“, fragt auch eine Unbekannte auf dem Opener von Nina Hagens erstem Solo-Album NunSexMonkRock. Mit dem Song Antiworld setzte die Ost-Berliner Chaotin aber nicht allein mit ihrer Aussprache klare Akzente, sondern nahm sich alle möglichen künstlerischen Freiheiten. Die wären ihr so in der DDR vermutlich nicht zugekommen, doch übte Hagen auf die dortige Musikszene einen großen Einfluss aus – auch auf die späteren Rammstein-Mitglieder. Als Hagen 2003 der Band gemeinsam mit Apocalyptica das Rammstein-Stück Seemann coverte, zeigte sich sogar der sonst so lakonische Flake überwältigt: „Wenn eine Frau wie Nina ein Lied von uns spielt, ist das wie ein Orden, mehr wert als zehn Echos, Grammys und was die Geschäftswelt so bereithält.“ Rrrrührrrend!


2. Ramones – Pet Sematary


Nina Hagens künstlerisch überhöhter Punk-Entwurf lieferte auch sicherlich einige Inspiration für Rammsteins opulente Selbstinszenierung, musikalisch aber mag es die Band doch schlichter. Weniger exaltiert und angesichts von Rammsteins eigenem Sound erstaunlich poppig sind etwa die Ramones, die trotzdem zum wichtigen Vorbild wurden. Bereits zwei Jahre nach Gründung begleiteten die deutschen Schwermetaller die US-amerikanischen Punkrocker auf ihrer Abschiedstour und nahmen im Jahr 2001 an einer Gedenkveranstaltung für den im April des Jahres verstorbenen Joey Ramone teil. Gemeinsam mit Marky und C.J. Ramone sowie dem Misfits-Sänger Jerry Only sang Flake mit seiner Band den Song Pet Sematary. Der Friedhof der Kuscheltiere, das ist doch schließlich die perfekte Bühne für Rammstein. Neben Lindemann, der sich mit seiner Fun-Punk-Band First Arsch schon eindeutig an den Sound der spindeldürren New Yorker anlehnte, schwärmte vor allem Flake für den Ramoneschen Reduktionismus. “Die haben ihr dreckiges Tuch hinter die Bühne gehängt, mit ihrem Western-Zeichen – ‚hey ho let’s go‘ und dann ging’s los“, erinnerte er sich an die gemeinsame Tour. „Und da hab ich gedacht: So will ich eigentlich Musik machen!“ Wie Rammstein wohl klängen, wenn sie es genauso hielten?

 


3. Pantera – Walk

Zumindest würden Rammstein nicht ohne die messerscharfen und doch tonnenschweren Gitarrenriffs von Paul Landers so klingen, wie sie es heute tun. Der spielte vor Rammstein gemeinsam mit Flake bei der ebenfalls aus dem Punk kommenden Band Feeling B, bei der auch Drummer Christoph „Doom“ Schneider zwischen 1990 und 1993 mitmischte. Schneider zeigte sich stets ehrfürchtig vor dem Gitarristen, der hohe Maßstäbe an die Performance seiner Band anlegte: „Er kann einem schon das ganze Selbstbewusstsein rauben. Er meckert heute noch manchmal mit mir rum“, gab er kleinlaut in einer Feeling B-Biografie zu Papier. Auch für die neue Band um Till Lindemann hatte Schneider zuerst nur wenig warme Worte übrig. Als „Hilfs-Pantera“ soll er sie verächtlich bezeichnet haben, erinnerte sich der Schriftsteller Peter Richter in einem Artikel über die Band. Warum, das ist auch heute noch deutlich zu hören: Die texanische Metal-Band und insbesondere ihr Gitarrist „Dimebag“ Darrell Abbott formulierten einen ähnlichen strengen Sound, an dessen knallharten Riffs kein Gramm zu viel klebte. Um den Groove ging es auf Alben wie Vulgar Display Of Power. Rammstein nahmen es sich zu Herzen und regelten nur das Tempo herunter.


4. Clawfinger – Warfair

Simple, sich wiederholende Strukturen und ein breitwandiger Sound sind allerdings noch nicht alles, was Rammstein ausmacht. Schon immer suchte die Band die Nähe zu anderen Genres, ungewöhnlichen Klängen und unkonventionellen Strukturen Als die Band 1994 die Bühnen der Welt betrat, war die Zeit günstig. Mit Clawfinger hatte im Vorjahr eine Band debütiert, welche den sich langsam abzeichnenden Crossover-Sound maßgeblich mitprägte. Ihr Album Deaf Dumb Blind mit Songs wie Warfair war ähnlich groovig wie Pantera zu ihren Hochzeiten, bezog seine Einflüsse aber aus eher funkigeren Gebieten wie dem Hip Hop. Rammstein erwiesen der schwedisch-norwegischen Band immer noch dann Respekt, als diese Ende der neunziger Jahre ihren Zenit überschritten hatten und revanchierten sich damit dafür, dass sie dank Clawfinger ihre ersten internationale Konzerte spielen durften. Als die Schüler zum Lehrmeister wurden, vergaßen sie die einstigen Tourkameraden nicht: Clawfingers Remix-Arbeiten an Rammstein-Songs wie Du Hast, Sonne oder Keine Lust brachten sie trotz sinkenden Interesses immer wieder ins Gespräch. Einen ganz besonderen Begleiter verdanken Rammstein wohl ebenso Clawfinger: Nachdem Jacob Hellner zuerst Deaf Dumb Blind produziert hatte, wurde er zum Stammproduzenten der deutschen Band. Eine einzigartige, wie Hellner selbst sagt – die Band macht es ihm schließlich einfach. „Rammstein kommen rein und spielen nahezu fertiges Material“, schwärmte er.


5. Project Pitchfork – Alpha Omega

Nicht allein Clawfinger waren zugleich mit Rammstein auf Tour und steuerten Remixe zu ihrem umfassenden Werk bei, nein. Auch die 1989 gegründete Darkwave-Band Project Pitchfork nahmen sie 1995 als Vorgruppe auf Tour und interpretierten den Song Du riechst so gut für die Single-Veröffentlichung auf ihre unnachahmliche Art neu. Das Hamburger Projekt um Peter Spilles etablierte sich bereits 1992 und stand unter anderem im engen Austausch mit Oomph!, die Rammstein ebenso getrost als wichtige Inspiration verbuchen können. Auch die Nähe zum Project Pitchfork verblüfft nur auf den ersten Blick: Der vor allem als Spaßmacher bei Live-Shows bekannte Flake bringt sich musikalisch schließlich mit epischen Keyboard-Sounds ein, welche die Band oft in Nähe des Industrial Rocks von Nine Inch Nails gerückt haben – nicht ohne Grund waren schließlich beide auf dem Soundtrack des David Lynch-Films Lost Highway zu hören. So reihen sich Project Pitchfork in das Spalier derer ein, die Rammstein einst protegierten und von denen sie doch überflügelt worden. Alles begann auf einer Tour mit dem vielsagenden Titel Alpha Omega nach dem gleichnamigen Project Pitchfork-Album.


6. Depeche Mode – Stripped

Noch eindeutiger zeigten sich die Synthie-Einflüsse, als Rammstein für die Depeche Mode-Tribute-Compilation For The Masses deren Song Stripped coverten. Nicht ihre erste Huldigung an elektronische Vorväter: Schon Kraftwerks Das Modell hatte die Band neu interpretiert. Diesmal aber löste der Song einen Skandal aus. Beziehungsweise das Video dazu, denn wie so oft provozierten Rammstein vor allem visuell eine deftige Diskussion. Was war passiert? Regisseur Philipp Stölz hatte für das für das Video Szenen aus dem Film Olympia zusammengeschnitten! Die Regisseurin Leni Riefenstahl dokumentierte darin die olympischen Spiele des Jahres 1936 in Berlin. Riefenstahl war ein Aushängeschild nationalsozialistischer Kunst und eine flammende Verehrerin Adolf Hitlers. Dementsprechend ist Olympia weniger Dokumentation denn vielmehr ästhetisierter Propagandafilm. Schon wieder sah sich die Band zu Rechtfertigungen genötigt: „Wir waren früher entweder Punks oder Gruftis – wir hassen Nazis!“, rief Lindemann damals dem Rolling Stone entgegen. Stölz selbst meinte gegenüber dem TagesAnzeiger, das Video ließe sich „leicht als kalkulierten Skandal deuten. Aber ich bin frei von jeder fragwürdigen Gesinnung. Ich hab auch nie ganz verstanden, warum sich bei Rammstein immer alles um diese angebliche Nazi-Konnotation drehte. Wie dumm ist das denn! Die Texte von Rammstein sind wahnsinnig ironisch.“


7. Laibach – Geburt einer Nation

Die Meister der ironischen Verdrehung allerdings sind Laibach. Auf ihrem Album Opus Dei etwa coverte der musikalische Ableger des Kollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK) im Jahr 1987 zwei berühmte Rocksongs: Opus’ Live Is Life und Queens One Vision wurden unter den Händen der Band zur martialisch anmutenden Märschen, die deutlich die musikalische Sprache totalitärer Systeme aufriefen. Der Fall scheint klar: Da haben Rammstein ihr Handwerk gelernt! Ganz so einfach ist es aber nicht: „Für mich ist Laibach eine sehr, sehr intellektuelle Geschichte“, brachte Gitarrist Richard Kruspe seine Missgunst zum Asudruck. Flake allerdings räumte die offensichtlichen Ähnlichkeiten vor allem im hypermaskulinen Gesangsstil durchaus ein. Woher aber kommt Rammsteins Spiel mit den Ambivalenzen? Christopher Schneider sieht die Band in einer bestimmten textlichen Tradition: „Wenn man sich Texte von DDR-Bands ansieht, sieht man, wie gut die teilweise sind, wenn sie ein Thema mit lyrischen Mitteln umschreiben“, sagte der Schlagzeuger. „Diese Vergangenheit ist mit uns eng verbunden.“ So oder so müssen sich Rammstein immer mit den großen slowenischen Kollegen messen. Immerhin der slowenische Philosoph Slavoj Žižek sprach Rammstein ein ähnliches Subversionspotenzial zu: „Rammstein unterlaufen die totalitäre Ideologie nicht durch ironische Distanz, sondern durch Konfrontation mit der obszönen Körperlichkeit der ihr zugehörigen Rituale und machen sie damit unschädlich“, schrieb er auf ZEIT Online. Und obwohl Laibach selbst sagten, dass Rammstein die Kinderversion ihrer eigenen Band seien: Sie coverten Rammsteins Ohne Dich als skurrile Schlager-Version. Oder war das auch nur ein ironischer Witz?


8. The Prodigy – Smack My Bitch Up

Ähnlich wie die slowenischen (Nicht-)Vorbilder Laibach gehört das Visuelle bei Rammstein zum Gesamtimage unbedingt dazu. Das Stripped-Video jedoch war nur die Spitze des Eisbergs. Für das Video zum Song Pussy etwa mietete sich die Band in einem Bordell in Berlin-Charlottenburg ein, um mit Pornostars zusammen… Naja, ihr könnt es euch denken. Anschauen jedoch könnt ihr euch die unzensierte Version jedoch lediglich auf einschlägigen Internetseiten. Verantwortlich für dieses und andere Videos ist der Regisseur Jonas Åkerlund, der selbst auf eine musikalische Karriere zurückschauen kann: Zwischen 1983 bis 1984 war er Schlagzeuger der Band Bathory, die maßgeblich für das Black Metal-Genre waren. Seinen internationalen Durchbruch erlebte der Schwede im Jahr 1997 mit dem skandalösen Video zum Song Smack My Bitch Up von der Rave-Band The Prodigy. Darin ist eine exzessive Nacht aus der Egoperspektive zu sehen – weiße Lines, sexuelle Übergriffigkeiten und eine Clubschlägerei inklusive. Nach einem Autoklau und einer wilden Sexszene mit einer Stripperin wartet allerdings eine Überraschung aufs Publikum: Das hat den Abend nicht etwa wie angenommen aus der Perspektive eines Mannes, sondern einer Frau erlebt. Ein Video voller „obszöner Körperlichkeiten“ und damit ganz nach Rammsteins Geschmack. Seit 2005 arbeitet die Band regelmäßig mit Åkerlund zusammen, der sich auch für den megalomanischen Konzertfilm Rammstein: Paris verantwortlich zeigte.


9. Kurt Weill – Die Moritat von Mackie Messer (aus: Die Dreigroschenoper)

Rammsteins theatralische Selbstinszenierung lässt sich leicht in die zwanziger und natürlich dreißiger Jahre zurückverfolgen, erschöpft sich jedoch nicht am rechten Rand. Lindemanns Faible für deutsche Literatur – er selbst hat als Lyriker debütiert – erstreckt sich ebenso auf einen der großen Dramaturgen der Weimarer Republik: Bertolt Brecht. Die Zeilen „Und der Haifisch der hat Tränen / und die laufen vom Gesicht / doch der Haifisch lebt im Wasser / so die Tränen sieht man nicht“ aus dem Rammstein-Song Haifisch sind eine eindeutige Anspielung auf Die Moritat von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper, dem epischen Theaterstück, welches Brecht gemeinsam mit dem Komponisten Kurt Weill auf die Bühne brachte. Das Bänkellied aus dem 1928 veröffentlichten Drama wurde zu einer Art skurrilem Welthit, den selbst ein Frank Sinatra coverte. „Brecht schrieb ja vor allem in den 20er-Jahren über Abgründe, Exzesse und Obsessionen“, begründete Lindemann dem Berliner Stadtmagazin tip gegenüber seine Faszination mit dem Schriftsteller, der 1933 vor den Nazis ins Exil flüchtete. Insbesondere Brechts erzählender Stil gefällt dem Sänger, wohl aber genauso dessen kaltschnäuziger Bruch mit allen Tabus seiner Zeit. Ob Brecht allerdings an Rammstein Gefallen gefunden hätte?

 


10. Dresdner Sinfoniker – Stimmen aus dem Kissen

Wer sich seine Inspiration aus der sogenannten Hochkultur bezieht, der wird wohl früher oder später ebenso von ihr entdeckt. Nicht allein ein auf Metal ausgerichtetes Klassik-Projekt wie Apocalyptica widmete sich dem Sound der Neuen Deutschen Härte, wie sie von Rammstein durch die Welt getragen wurde – auch die Dresdner Sinfoniker adaptieren ihre Stücke! Der 2003 veröffentlichte Liederzyklus Mein Herz brennt des 1996 von Markus Rindt und Sven Helbig gegründeten Orchesters für zeitgenössische Musik interpretierte unter der Leitung von Komponist Torsten Rasch eher, sagen wir mal, unverfängliche Stücke aus deren Backkatalog neu: Mutter, Herzeleid, Sehnsucht und der titelgebende Song erhielten ein neues, aufgebauschtes Gewand. Auf dem ECHO-prämierten Album findet sich ebenso ein Stück mit sogenannten Variationen über Rammstein, das Lied Stimmen aus dem Kissen, das nachdrücklich darlegte, wie inspirierend die Musik Rammsteins für Neue Musik sein kann! Wie so oft in der Rammstein-Geschichte ergriff die Band die Gelegenheit für eine weitere Zusammenarbeit: Sven Helbig trat seitdem des Öfteren als Produzent von Rammstein in Erscheinung. Kommt also bald die erste Rammstein-Sinfonie? Wir warten es ab!


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Interview mit Mike Rutherford: „Die letzte Genesis-Show war bizarr“

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Mike Rutherford
Foto: Elena Di Vincenzo/Archivio Elena di Vincenzo/Mondadori Portfolio via Getty Images

Kaum hat er die eine Band zu Grabe getragen, führt er die nächste spazieren: Im Interview vor der anstehenden Deutschlandtour von Mike And The Mechanics spricht Mike Rutherford über das Touren, seine zweite Heimat Kapstadt und die allerletzte Show von Genesis.

von Björn Springorum

Ab dem 31. Mai 2023 gastiert Mike Rutherford mit seinen Mechanics in Deutschland. Für die Konzerte verspricht er alle Hits von Mike And The Mechanics und einen „Tropfen“ Genesis. Sechs Auftritte sind in Deutschland geplant – natürlich auch in seiner deutschen Lieblingsstadt Berlin.

„Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs, ohne das Alte aufgeben zu müssen.“

Mike, du hast Mike And The Mechanics 1984 gegründet, als Genesis eine Pause einlegten. Die Jahre davor waren ja ein einziger Wirbelwind, wäre da nicht ein längerer Urlaub auch eine gute Idee gewesen?

Aus heutiger Sicht ist das eine wirklich gute Frage. Ja, ich glaube, das wäre eine wirklich gute Option gewesen. (lacht) Genesis sind aber eben anders als andere Bands. Früher oder später starten andere Musiker ihre Soloprojekte und distanzieren sich von ihrer Hauptband. Bei uns war das anders. Wir liebten es, zusammen zu spielen. Unser Geheimnis war wohl immer die Vielfalt: Wir hatten Genesis, und wenn es bei Genesis mal etwas ruhiger wurde, hatten wir alle unsere anderen Spielplätze, auf denen wir uns eine Weile verlustieren konnten. Irgendwann kamen wir wieder mit frischen Ideen zu Genesis zurück und freuten uns darauf, weiterzumachen. Das sorgte dafür, dass wir uns und unsere Band noch mehr zu schätzen wussten.

Du hast ja schon vor Mike And The Mechanics Soloplatten veröffentlicht. Wieso brauchtest du eigentlich noch eine weitere Band?

Es ging mir nicht zwangsläufig darum, etwas ganz anderes zu machen. Es ging mir auch nicht darum, Dinge zu verwirklichen, die vielleicht keinen Platz bei Genesis gefunden hätten; es ging mir einfach darum, auch mit anderen Menschen Musik zu machen. Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs ohne das Alte aufgeben zu müssen. Klingt verwöhnt, ich weiß.

„Ich glaube weiterhin an das Albumformat.“

Die letzte Mechanics-Platte Out Of The Blue ist über vier Jahre alt. Ist das was Neues in Planung? Oder glaubst du etwa nicht mehr an das Albumformat?

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr so genau, was ich von all diesen Entwicklungen halten soll. Ich glaube aber weiterhin an das Albumformat und halte nichts davon, einfach nur einzelne Songs zu veröffentlichen. Aber ich bin eben ein Dinosaurier, ich komme aus einer Zeit, in der das Albumformat große Relevanz hatte, in der man sich eine absurd lange Zeit mit der richtigen Reihenfolge der einzelnen Songs befasste. Das kriegt man nicht mehr raus aus mir. Auf einem Album zählt jeder Song, alles muss an seinem Platz sein. Das gefällt mir. Die letzte Platte ist wirklich schon eine Weile her, aber es war ja erst Corona und dann die Genesis-Tour. Wird wohl mal wieder Zeit, was?

Wie funktionieren Mike And The Mechanics? Wie planst du neue Platten oder Tourneen?

Früher haben Genesis natürlich in gewisser Weise das Tempo von Mike And The Mechanics vorgegeben. Seither haben wir natürlich mehr Freiheiten und können agieren, wie wir es möchten. Natürlich gibt es uns auch schon seit 1984, also bald 40 Jahre, und es gab auch in unserer Karriere große Einschnitte: Der Tod von Paul Young oder der Ausstieg von Paul Carrack etwa. Doch Mike And The Mechanics blieben davon unberührt immer Mike And The Mechanics. Wenn ich etwas schreibe, das nach dieser Band klingt, dann kommt auch der Name dieser Band darauf. So einfach ist das.

Du bist gerade auf deiner ersten Mechanics-Tour seit 2019. Seither hat sich die Welt des Tourens radikal verändert. Wie ist es, wieder unterwegs zu sein?

Es ist schon richtig, seither ist eine Menge passiert. Nichts ist mehr so wie es war, habe ich manchmal den Eindruck. Natürlich freue ich mich unheimlich, wieder auf der Bühne zu stehen, aber ein wenig Unsicherheit bleibt nach all dem, was passiert ist, durchaus zurück. Zum Glück sind die Besucherzahlen soweit sehr in Ordnung. Das ist ja auch nicht mehr garantiert.

Auf der Tour spielst du neben Mechanics-Hits auch Genesis-Klassiker wie Jesus He Knows Me, Invisible Touch oder I Can’t Dance. Fühlt sich das auf der Bühne eigentlich unterschiedlich an?

Natürlich fühlen sich die Mechanics-Songs für uns als Band natürlicher an. Die Genesis-Stücke sind mir aber mindestens ebenso nah und teuer. Die beiden Welten klingen vielleicht ein wenig anders, aber ich spüre da keine großen Unterschiede.

„Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen.“

Wie ist das Touren mit Mike And The Mechanics im Vergleich zu Genesis?

Ich habe zwei Persönlichkeiten, wenn ich toure: Mit Genesis zu touren ist die wohl wundervollste Art und Weise, die Welt zu bereisen: Privatjet, Limousinen, die schönsten Hotels, das feinste Essen, reichlich Zeit zwischen den Auftritten. Bequemer und schöner geht es nicht. Bei den Mechanics geht es noch ein bisschen handfester zu: Kleinere Hallen, weniger Glamour. Beides macht Spaß, keine Frage, ist aber sehr unterschiedlich. Viele Menschen in meinem Alter beschweren sich über die langen Tourneen, aber zu denen sage ich dann nur: Dann hört doch einfach auf damit! Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen. Ich für meinen Teil liebe es. Ich liebe es, die Welt zu sehen, herumzureisen, all die verschiedenen Spezialitäten zu essen…


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Wenn du nicht tourst, so heißt es, teilst du deine Zeit auf England und Südafrika auf…

… das stimmt so nicht ganz. Ich lebe seit 43 Jahren in Loxwood im Süden Englands. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich habe zwar ein Haus in Kapstadt, in dem wir regelmäßig sind, aber ich würde Kapstadt nie als Zuhause bezeichnen. Eher als Möglichkeit, dem englischen Wetter zu entkommen, wenn ich es mal nicht mehr aushalte. Aber so oft passiert das nun auch nicht, ich bin schließlich Engländer. Ich war so viel unterwegs, da reicht es mir mittlerweile eigentlich, an einem Ort zu sein. Aber dann und wann ein wenig Urlaub kann ja auch nicht schaden.

Wie kam es zu diesem Haus in Kapstadt?

Meine Großmutter war aus den Niederlanden und hatte Kontakte nach Südafrika. Ich habe dort unten auch Verwandte, hatte sie aber nie besucht. Dann zeichneten wir mit den Mechanics eine Fernsehsendung in Kapstadt auf, das war irgendwann in den Achtzigern. Seither komme ich wieder und genieße es sehr: Keine Zeitverschiebung, das ganze Leben findet draußen statt, überall ist was los.

„Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte.“

Genesis gründeten sich vor 55 Jahren und spielten 2022 ihr letztes Konzert. Hättest du eine lebenslange Karriere wie diese damals überhaupt für möglich gehalten?

Ach was! Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte, noch dazu eine derart lange. Ich meine, die Beatles gab es gerade mal vier, fünf Jahre, als wir Genesis gründeten, und das war für die damalige Zeit schon eine Ewigkeit. (lacht) Wir dachten alle, das hört irgendwann einfach automatisch wieder auf. Hörte es aber nicht.

Gewisse Dinge hören aber eben doch auf: Genesis gibt es ganz offiziell nicht mehr. Wie war die letzte Show?

Nostalgisch natürlich. Zumindest ein wenig. Aber so ist das eben: Dinge enden. Und nach 53 Jahren kann man sich auch damit abfinden. Insbesondere als Band wie Genesis, die so viel getourt ist. Das Schönste war, als wir nach der Show mit Peter Gabriel und unserem alten Tourmanager Richard McPhail in der Garderobe waren. Die Show an sich war bizarr. Alles war okay, bis ich auf die Setlist blickte und sah, dass es nur noch vier Songs waren. Das schwarz auf weiß zu sehen, machte mich durchaus emotional.

Das Ende von Genesis ist aber eben nicht das Ende der Karriere von Mike Rutherford. Du bist 72 – was lässt dich weitermachen?

Der englische Arbeitsethos natürlich. Zudem habe ich einen Job, in dem man auch mal etwas kürzer treten kann, wenn man das denn will.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 31.5.1948 kommt John Bonham von Led Zeppelin zur Welt.

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Header-Bild Credit: Dina Regine

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.5.1948.

von Christof Leim

Am 31. Mai würde John Bonham seinen Geburtstag feiern. Doch leider starb der legendäre und ungemein einflussreiche Schlagzeuger von Led Zeppelin 1980 mit nur 32 Jahren. Blicken wir zurück auf ein ziemlich lautes Werk voller Kraft, Finesse und Groove.

Hört hier in die besten Songs von Led Zeppelin rein:

 John „Bonzo“ Bonham gehört immer noch zu den ganz Großen: Dekaden nach seinem Tod steht der Drummer von Led Zeppelin regelmäßig an der Spitze diverser Ranglisten. So wählten die Leser des Rolling Stone den Briten gleich mehrfach zum „Besten Drummer aller Zeiten“. Als die Metal-Newsseite Blabbermouth 2008 fragte, welchen verstorbenen musikalischen Star die Fans gerne wieder zum Leben erwecken würden, nannten sie vor allem Bonham, noch vor Freddie Mercury und Elvis Presley. Bonham genießt weiterhin hohes Ansehen wegen seines besonderen Gespürs für den Groove eines Stückes, wegen seines eigenständigen Sounds, seiner Vielseitigkeit und nicht zuletzt wegen seiner Wucht und Geschwindigkeit, wenn es mal ordentlich zur Sache gehen musste.

Telegramm in die Kneipe

Das Gehämmer startet schon früh und ganz klassisch: Der am 31. Mai 1948 geborene John Henry Bonham setzt sich schon mit fünf Jahren vor Töpfe und Kaffeedosen, um seinen Vorbildern Gene Krupa und Buddy Rich nachzueifern. Als Zehnjähriger bekommt er von seiner Mutter eine Snare-Drum, mit 15 schenkt ihm sein Vater ein richtiges Drumkit. Unterricht nimmt John nie, doch er lernt von anderen Schlagzeugern aus seinem Heimatort Redditch in der Nähe von Birmingham. Mit 16 verlässt der Junge die Schule, der Schulleiter notiert: „Er wird entweder Müllmann oder Millionär.“ Von der Tischlerlehre bei seinem Vater hält er nichts, er schließt sich lieber seiner ersten semiprofessionellen Band an: Terry Webb & The Spiders. 1966 stößt er zu der Blues-Combo Crawling King Snakes. Ihr Sänger: Robert Plant. Die beiden starten die Band Of Joy, bis 1968 der erfolgreiche Sessiongitarrist Jimmy Page eine neue Gruppe gründet: Led Zeppelin. Er rekrutiert Plant, der wiederum schlägt seinen trommelnden Kumpel vor. Bonham lässt sich zunächst bitten, schließlich hat er auch Angebote von Joe Cocker und Chris Farlowe in der Tasche. Doch Page und Manager Peter Grant bleiben dran, sie schicken fast 50 Telegramme an Bonhams Stammkneipe. Es ist bezeichnend, dass man den Schlagzeuger anscheinend schon damals am ehesten dort antreffen konnte.

Damit sind Led Zeppelin geboren, eine der größten, wichtigsten, tollsten Bands in der Geschichte des Rock. Bassist John Paul Jones kommentiert später gegenüber dem Bonham-Biografen Chris Welch: „Schon als ich John Bonham das erste Mal spielen gehört habe, war mir klar, dass das großartig werden würde. Er wusste, was er tut, und er hatte einen verdammten Swing. Wir haben von Anfang an hervorragend zusammengepasst.“ 1969 erscheint das Debüt Led Zeppelin, der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. (Das Wichtigste zur Entstehung dieser ersten Platte könnt ihr hier nachlesen.).

Kunstvolles Geknüppel

Mit 21 Jahren gehört Bonzo zu einer der aufregendsten Bands der Welt.  An deren Erfolg trägt er einen großen Anteil, denn bei Led Zeppelin liefert das Schlagzeug nicht nur einen netten Beat aus dem Hintergrund, sondern treibt und formt die Songs. Das hört man natürlich insbesondere bei den lauten Stücken, und laut kann er: In seinen Anfängen fliegt Bonzo mehr als einmal aus Clubs raus, weil er schlicht zu viel Lärm macht. Er benutzt die längsten und dicksten Schlagzeugstöcke, die er selbst „Bäume“ nennt, und nicht selten wird er – neben Cozy Powell und Keith Moon – als Inspiration für das kultige Trommelmonster Animal aus der Muppet-Show genannt.

Led Zeppelin 1975 in Chicago. Credits: more19562003

Aber Bonham kann nicht nur „feste“: Seine Fähigkeit zur Dynamik, zum Wechsel zwischen lauten und leisen Passagen, zeichnet Stücke wie No Quarter und das majestätische Stairway To Heaven aus. Zudem musiziert er höchst agil: Bei den ersten Aufnahmen des Songs Communication Breakdown lässt Kapitän Jimmy Page seinen Drummer einmal ein Kit mit zwei Bass-Drums benutzen, doch vergisst diese Idee schnell wieder, weil der Trommler einfach zu viel spielt. Auch Improvisation liegt Bonzo im Blut: Sein Drumsolo Pat’s Delight, aus dem später Moby Dick wird, dauert nicht selten über 20 Minuten.

Man hat es oder auch nicht

Dabei benutzt er sogar seine bloßen Hände, um andere Sounds zu ermöglichen. In späteren Werken wie Royal Orleans und Fool In The Rain lässt er sogar Latin- und Funk-Einflüsse hören. Bonham spielt nicht nur “Bumm-Tschak”, sondern variantenreich und melodisch (ja, das gibt es auch am Schlagzeug). Vor allem aber hat der Mann einen Groove am Leib, dass es nur so eine Art hat. Gemeint ist diese seltene und schwer zu fassende Qualität, einen Rhythmus besonders mitreißend klingen zu lassen. Wir empfehlen als Referenzen an dieser Stelle insbesondere den mächtigen Wumms von When The Levee Breaks, die Schubkraft von Rock’n’Roll sowie die Kopfnickerqualitäten und Experimentierfreudigkeit von Bonzo’s Montreux.

Natürlich zieht großer Erfolg einen gewissen Lebenswandel nach sich: Nicht nur verdienen Led Zeppelin eine gewaltige Menge an Geld und reisen mit einem hochgepimpten Luxusflugzeug durch die Gegend. Sämtliche Versuchungen und Erfrischungen stehen und liegen für die vier Musiker bereit. Bonhams Laster? Er trinkt gerne und viel. Als die vier Mitglieder sich für das Album Led Zeppelin IV (1971) jeweils ein Symbol ausdenken, wählt Bonzo ein Muster aus drei sich überschneidenden Kreisen. Das sieht mystisch aus und verspricht eine versteckte Bedeutung, doch laut Rolling Stone erinnert es vor allem aus wie das Logo einer Biermarke, die unserem Helden schmeckt.

Harley im Hotel

An seinem 25. Geburtstag befindet sich die Band gerade auf Tour in den USA, im Gepäck das brandneue Album Houses Of The Holy. Seine Bandkollegen schenken ihrem Drummer zur Feier des Tages eine brandneue Harley-Davidson. Wie man es halt so macht unter Kumpels auf dem Rockolymp. Bev Bevan, Schlagzeuger bei The Move und ELO, erzählt: „Damit ist er später ein paar Hotelflure rauf und runter gefahren und hat anscheinend eine ziemliche Verwüstung hinterlassen. Aber er ist am nächsten Tag für alle Schäden aufgekommen und hat sogar das Motorrad dagelassen. Unglaublich, aber so war er.“ Daneben liebt John Bonham historische Sportwagen, die er auf seiner Farm namens The Old Hyde in England sammelt. Dort lebt er mit seiner Frau Pat und den Kindern Zoë und Jason.

Doch die Tragödie naht schon: Am 24. September 1980 sammelt ein Assistent der Band, den Schlagzeuger ein, um ihn zu einer Probe für die anstehende Nordamerika-Tour zu bringen. Noch während der Fahrt gelüstet es Bonham nach einer Stärkung zum Frühstück: Bei einem Stopp kippt er vier Screwdriver, also Wodka-Orange, und zwar jeweils in vierfacher Stärke, „doppelte Doppelte“, wenn man so will. Während der Probe trinkt er weiter, weswegen sie manchen Quellen zu Folge auch abgebrochen wird. Die ganze Mannschaft zieht sich in das Haus von Jimmy Page zurück. Dort schläft Bonham nach Mitternacht ein und wird in ein Gästebett gelegt. Als am darauffolgenden Nachmittag Tourmanager Benji LeFevre und Bassist John Paul Jones nach ihm schauen, reagiert er nicht mehr. John Bonham ist tot. Er wurde nur 32 Jahre alt.

Zu viel ist zu viel

Eine Untersuchung ergibt, dass der Drummer innerhalb von 24 Stunden etwa 40 „shots“ Wodka in sich hinein gekippt hat, was etwa 1 bis 1,4 Liter entspricht. Das kann nicht gut gehen: Bonham muss sich während der Nacht erbrechen und erstickt daran. Weitere Drogen werden in seiner Blutbahn nicht nachgewiesen, auch kein Heroin, von dem er erst kurze Zeit vorher losgesagt hatte. Allerdings nahm er das Psychopharmakum Motival, um Anspannung und Angstzustände zu bekämpfen. Ob dieses Mittel mit dem Alkohol interagierte, ist unklar. John Bonham wird eingeäschert und am 12. Oktober 1980 bestattet. Seine Tochter Zoë ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, später wird sie erfolgreiche Sängerin. Sein Sohn Jason war damals 14, er lernt ebenfalls das Schlagzeugspielen und trommelt in der Folge unter anderem bei UFO, Foreigner, Black Country Communion und seiner eigenen Band Bonham. Er trommelt auch beim letzten Reunionkonzert der überlebenden Led Zeppelin-Mitglieder 2007 in London.

Der Schock sitzt tief. Zu wichtig ist Bonzos Einfluss für die Band, als dass sie ihn ersetzen könnte. Am 4. Dezember veröffentlichen Led Zeppelin eine Erklärung: „Wir möchten bekannt geben, dass der Verlust unseres geliebten Freundes und der tiefe Respekt gegenüber seiner Familie in Verbindung mit dem Gefühl von unteilbarer Harmonie uns zu der Entscheidung gebracht haben, nicht weiter zu machen.“

Doch Bonzos Vermächtnis lebt in Tausenden Rocksongs weiter. Dave Grohl von den Foo Fighters formuliert es so: „John Bonham spielte Schlagzeug, als wüsste er nicht, was als nächstes passiert. Als würde er am Rand einer Klippe herumtaumeln. Niemand konnte ihm seitdem das Wasser reichen, und ich glaube, das wird auch nicht passieren. Er wird für immer der beste Drummer aller Zeiten bleiben.“

John Bonhams Grab. Credits: Ebbskihare

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Zeitsprung: Am 25.10.1968 heißen Led Zeppelin zum ersten Mal Led Zeppelin.

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Popkultur

Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt

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Marie Fredrikssons HEADER
Foto: Steve Jennings/Getty Images

„"Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:

Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“

Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.

Marie Fredrikssons musikalische Anfänge

Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.

Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.

Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette

Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.

Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.

Marie Fredrikssons viel zu früher Tod

Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.

Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.

Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.

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